Ein lebensfroher Rotschopf mit einem sympathischen Lachen schlüpft in eine Kutte und tritt als strenge Nonne ins Kloster!

Sissy Staudinger In nomine Patris Moulin Rouge Der kleine LordSie ist ein echtes Münchner Original und ihre tiefe und melodische Stimme mit dem unverwechselbaren bayerischen Dialekt unterstreichen diesen Eindruck. Wenn Sissy Staudinger lacht, dann funkeln ihre Augen, sie strahlt Wärme und unglaubliche Sympathie aus. Diese rothaarige und warmherzige Stimmgewalt muss man einfach gern haben. Sie hat immer ein Lächeln auf den Lippen und ihr Optimismus, ihr unerschütterlicher Glaube an Gott und ihre Einstellung zum Leben beeindrucken den, der das Glück hat, dieser anerkennenswerten Frau gegenüber zu sitzen. Ihr Humor hat Komikerqualitäten, sie scheut es dabei nicht, herzlich über sich selbst zu lachen. Überhaupt, sie nimmt sich selbst bei weitem nicht wichtig. Im Grunde genommen ist sie harmoniesüchtig, liebt offene und fröhliche Menschen und genau das spiegelt sie selbst wieder. Sie betont, dass Toleranz und Akzeptanz unabdingbare Werte sind und sie glaubt an das Gute im Menschen. Sie ist eine charakterstarke Frau, eine ausdrucksstarke Sängerin und Schauspielerin, die für viele Frauen ein Vorbild sein sollte. Einfach bemerkenswert, diese Sissy Staudinger.

Derzeit spielt sie in der Welturaufführung von „In nomine Patris“ im Deutschen Theater München/Fröttmaning die Nonne bzw. Schwester Maria. Unmittelbar danach ist sie mit dem „kleinen Lord“ in Duisburg als Mrs. Errol  zu sehen und im Anschluss spielt sie den „Directeur“ in der Tourproduktion „La Belle Bizarre du Moulin Rouge“. MFJ traf die humorvolle Powerfrau in München und ließ sich von ihrem herzlichen Lachen anstecken.

Schon im Vorfeld war das Stück mit seiner Thematik stark umstritten. Papst Anastasius erfährt nach 21 Jahren, dass er eine uneheliche Tochter hat. Die Geschichte geht einen Schritt weiter: ausgerechnet die Tochter ist eine Novizin. Der Papst beauftragt sie, den Gottesgegner und Nobelpreisträger Dr. Heinrich Sand, zu ihm nach Rom zu bringen. Die Verwirrung wird perfekt, als sie sich in den Wissenschaftler verliebt und schwanger ist,… allerdings nicht von ihm…

Also, ich finde die Thematik sehr interessant. Ich muss dazu sagen, ich bin ein gläubiger Mensch, eine bayerische Katholikin und gehe auch gerne in die Kirche. Aber dadurch kenne ich auch so einige „Mängel beim Bodenpersonal“. Da gibt es ganz wunderbare Menschen, die mit ganzer Kraft und Willen versuchen ihr Ziel zu verfolgen – also Gott zu dienen und Menschen zu helfen. Es gibt aber auch diejenigen, die das missverstehen und direkt schon eine Irrlehre verbreiten. Sie denken, alles was sie machen, sei richtig… es gibt schockierende Umstände. Dann die Sache mit dem Zölibat. Zum einen ist das einfach unmenschlich, weil- unabhängig davon, ob ein Mensch hetero, schwul oder lesbisch ist- es ist nicht normal, dass die Menschen ihre Sexualität verdrängen. Deshalb glaube ich auch, dass es an der Zeit ist andere Wege zu gehen. Davon handelt auch die Geschichte des Stückes. Der Papst weiß nicht, dass er eine Tochter hat. 21 Jahre lang öffnet er die Briefe seiner Jugendliebe nicht, weil er sich damals entschlossen hat, Priester zu werden. Eva war vor seiner Priesterweihe seine große Liebe und eigentlich wollte er das Priesterseminar verlassen. Er hat sich aber dann, nachdem er in einer Kapelle betete und  die Jesusstatue weinte – das kann man jetzt sehen, wie man will – ob er das als Vision hat, oder ob das stimmt-  entschlossen, dass er Priester werden will. Als er Jahre später dann zum Papst ernannt worden ist, möchte er das alles kitten und es erklären. Er lässt Eva suchen und erfährt durch sie, dass es die gemeinsame Tochter Margarethe gibt. Das ist natürlich eine menschliche Tragödie und stürzt ihn in große Gewissenskonflikte und endet letztlich dann auch sehr tragisch für ihn – mit seinem Tod.

Sissy Staudinger In nomine Patris Moulin Rouge Der kleine LordDeine Rolle ist die der Schwester Maria. Welchen Part spielt sie in dem Stück?

Die Maria ist die Erzieherin von Margarethe, also der Papsttochter. Margarethe lebt in dem Glauben, ihr Vater sei ein Wissenschaftler gewesen, der bei einem Zugunglück ums Leben kam. Sie hat seine Neigung zu Religion und Glauben geerbt und ist so, ohne zu wissen, wer ihr Vater ist, in ein Kloster gegangen, und will nun Nonne werden. Ich spiele in dem Stück wie gesagt ihre Erzieherin.

Ich muss noch etwas dazu erzählen, – das ist ganz interessant: Zu den Probenzeiten hatte ich ein bestimmtes Vorbild von einer Nonne, mit der ich schlechte Erfahrungen gemacht habe. Ich habe versucht diese Schwester Maria sehr streng zu spielen.

Also bist Du eine klassisch – strenge und ernste Nonne? …

Ich dachte, ich setze das zunächst so um, dass es warnt, vor dem, was nicht gut ist oder  falsch ist. Der Regisseur, Hansjörg Hack, fragte mich nach etwa zwei Proben, sowas wie, „Sag mal Sissy, was spielst Du denn für eine unsympathische Person?“ Man muss dazu sagen: Uns war es auch wichtig, dass wir in dem Stück keine religiösen Gefühle verletzen und Menschen an den Pranger stellen wollen, oder uns sogar anmaßen zu sagen, Alles sei falsch. Wie gesagt, es gibt ganz tolle Priester, Patres und Nonnen… Letztendlich war ich doch sehr froh, als ich mit einer völlig anderen Rollenauffassung weiter probte und Hansjörg mir die entscheidende Regieanweisung gab: „Spiel nicht Schwester Maria, sondern Mutter Maria. Sie soll nicht zu streng, vor allem nicht böse sein.“

Wie ist Maria also letztlich geworden?

Sissy Staudinger In nomine Patris Moulin Rouge Der kleine LordFür mich war da so ein Beweggrund, der es mir leicht machte: Ich unterbreche ja sozusagen ein Lied, das die Novizinnen singen. Sie toben in ihrem Schlafsaal herum und ich muss das Ganze unterbrechen und sie ins Bett schicken. Ich stehe also vor meinem Auftritt auf der rechten Seitenbühne  in einer sogenannten Bühnengasse (ja, so nennen wir Darsteller die Seiten der Bühne seit unzähligen Generationen!) und stelle mir das immer so vor: Ich sehe, wie die jungen Novizinnen tanzen und singen, und denke mir, dass es echt wäre, dass ich als Schwester Maria tatsächlich vor dieser Türe stehe und durch einen Schlitz spähe. Ich freue mich dabei, weil ich denke, dass ich früher als Novizin auch so war und dasselbe getan habe. Aber dann wird mir bewusst, ich muss nun aber streng sein, denn sie müssen ja erst einmal lernen. Aber eigentlich mag ich sie ja und habe das fröhliche Beisammensein der jungen Frauen sehr gerne. Ich spiele nun auf eine mütterliche Weise und muss sagen, das liegt mir auch sehr viel mehr. So hat die Rolle eine gute Entwicklung durchlebt und es macht viel Spaß sie zu spielen.

Und wie steht sie zum Papst, als er die junge Margarethe nach Rom holen will?

Maria verehrt diesen Papst als Nonne sehr. Da trifft also dieser Brief von ihm ein, als er seine Tochter suchen will. Er schreibt jedoch nur, dass er Gefallen an dieser Novizin hat, fragt, was sie so macht, und will sie in den Vatikan einladen. Als dieser Brief ankommt, erstarre ich schon beim Anblick des Siegels. Das ist Wahnsinn, denn schließlich hatte der Papst ja den Brief in der Hand und dann kommt später diese Audienz … ich bringe es auch ein bisschen ins Schauspiel mit ein, dass ich ihn auch als Mann anhimmle. Ich spiele das immer so, dass ich mir denke, dass er noch viel schöner als im Fernsehen ist. Als ich endlich in dem Empfangsraum bin und seinen Ring küsse, geht sozusagen mein Herz auf. Dean Welterlen spielt das aber auch sehr nett zurück, mit charmantem Augenzwinkern, wenn ich dann sage, dass Margarete doch eigentlich zu jung, zu unerfahren für eine wichtige Mission ist… aber ich bin dann so fasziniert von ihm, dass ich, wenn ich wieder ins Kloster zurück kehre, den anderen Nonnen erzählen werde, dass man diesem Mann einfach nicht widersprechen kann. Letzteres wird zwar im Stück nicht gesagt, aber mit diesem Subtext spiele ich Schwester Maria.

Also hat sich die Rolle für Dich sehr gewandelt, im Gegensatz zu der Ausgangsposition, wie Du sie angenommen hast. Bist Du mit dem Endergebnis zufrieden?

Ja, sehr. Ich würde allerdings gerne noch ein Lied singen, aber das passt vielleicht nicht so ganz in die Geschichte rein. Die Schwester Maria ist eine reine Sprechrolle. Ich singe und tanze aber auch oft im Ensemble mit. Der Choreograph, Kurt Schrepfer, ist ein ganz akkurater und korrekter Mensch und sehr liebenswert. Der hat einfach den richtigen „Biss“, denn man für gute Arbeit braucht, aber dabei auch ganz viel Herz und Fachwissen in allen Bühnenbereichen. Die Proben mit Kurt waren hochprofessionell und ich hatte viel Freude dabei. Mit solchen Menschen arbeiten zu dürfen, ist immer ein großer Gewinn für mich, da stimmt Alles, da geht mir das Herz auf. Kurt fand es sehr bedauernswert, dass er mich nicht noch in die eine oder andere Tanznummer packen konnte, weil ich ja als Nonne nicht tanzen darf. Ich stehe da also als ruhige Zuschauerin, bei der Ankunft im Hotel, beim Ball… sehr schade, aber es gehört eben zu dieser Rolle dazu.

Auf was dürfen sich die Leute freuen, wenn sie sich entschließen „In Nomine Patris“ anzusehen?

Sie dürfen sich auf tolle und wunderbare Musik freuen. Es ist ein Musical, eine Welturaufführung, in deutscher Sprache und vor allem mit völlig neuer Musik. Bei „In nomine Patris“ finde ich schon sehr bemerkenswert, dass es sich um eine große Produktion handelt, alles ist  sehr aufwändig gestaltet und es sind keine Songs, die einfach aneinander gereiht wurden. Die Geschichte hat eine hochbrisante Thematik, denn es geht ja letztlich darum, dass Priester, Kardinäle, Päpste usw. alles „nur“ Menschen sind und dass man sie deshalb aber auch nicht so verherrlichen darf. Man darf nicht davon ausgehen, dass sie keine Fehler machen. Wobei es ja wirklich kein Fehler war, den der Papst als junger Mann mit seiner Liebe zu Eva begangen hat – sein großer Fehler war, sie zu verlassen. Und er öffnet eben durch sein Gelübde, durch die Einhaltung des Zölibates, all ihre Briefe nicht. Dass jedoch gerade durch diese starren Regeln fatale Fehler passieren, menschliche Tragödien entstehen, ist auch klar – ich meine, wie viele von ihrem Vater nicht anerkannte Priesterkinder gibt es denn? Also, ich denke, dass das Stück sehr interessant und spannend für die Zuschauer sein wird.

Sissy Staudinger In nomine Patris Moulin Rouge Der kleine LordLetztlich aber habt Ihr nun doch bis auf wenige Ausnahmen sehr positive Kritiken erhalten. Wie geht man mit den schlechten Kritiken um?

Das, was die eine oder andere Tagespresse geschrieben hat war teilweise sehr unfair und nicht sehr fachlich. Damit muss man umgehen. Uns sind die Reaktionen des Publikums wichtig und diese sind immer sehr gut. Ich glaube den Zuschauern, wenn sie immer sehr begeistert reagieren.

Wir hatten beispielsweise eine Vorstellung, die von einer Firma gekauft wurde. Da saßen Leute drin, die am Ende minutenlang begeistert gejubelt und gejohlt haben. Man muss dazu sagen, diese Menschen haben einen ganz anderen Alltag und Beruf als wir, die johlen nicht so schnell. Und die waren rundum begeistert. Darüber freuen wir uns dann sehr.

Sind weitere Stationen von „In nomine“ geplant und wo?

Es war schon die Rede von der Schweiz. Aber im Moment läuft das Stück hier in München und kommt wirklich gut an.

Apropos nächste Station. Kommen wir zu Deinem kommenden Engagement nach „In nomine“, in „Der Kleine Lord“ am Theater am Marientor in Duisburg. Du spielst darin Mrs. Errol, die Mutter des jungen Lord Fauntleroy…

Oh ja, das ist so ein schönes Buch muss ich sagen. Die Geschichte kennt man ja aus dem Film. Das Textbuch habe ich immer in der Tasche zum Lernen dabei. In „In nomine“ habe ich  immer wieder Spielpausen. Dann habe ich Gelegenheit, weiter zu lernen.

Gibt es etwas Besonders für Dich in dem Stück?

Sissy Staudinger In nomine Patris Moulin Rouge Der kleine LordAuf jeden Fall. Ich darf ein wunderschönes Lied singen… Ich muss dazu sagen, ich liebe die Musik von Konstantin Wecker, der mit Christian Berg auch das Musical geschrieben hat, sehr. Ich habe bereits ein Soloprogramm mit Liedern von Konstantin gemacht. Damals bei der Arbeit zu „Schweijk it easy“ hatte ich die Gelegenheit ihn persönlich kennen zu lernen.

Zu der Rolle der Mutter, Mrs. Errol, muss man wissen, sie hängt sehr an dem Kind. Das Rührende ist, der kleine Lord nennt seine Mutter immer „Liebste“, wie sein verstorbener Vater sie immer nannte, und der kleine Lord möchte ihn seiner Mutter mit voller Kraft und ganzem Herzen ersetzen. Das ist auch Etwas, was ich zu Beginn der Geschichte der Hausangestellten  im Stück erzähle. Ich freue mich sehr darüber, das ich ein besonders schönes Lied habe, das am Ende des Stückes kommt, nämlich dann, als der alte Earl begriffen hat, was er für Fehler begangen hat und Mrs. Errol fragt, ob sie nicht auch in dem Schloss leben möchte. Zunächst will er die Frau ja nicht sehen. Sein Sohn, Mrs. Errol´s verstorbener Mann hat, ohne seine Einwilligung diese Frau, eine Amerikanerin, geheiratet. So entstand auch die Abneigung zu Cedric´s Mutter. An Cedric, seinem Enkel und einzigen Erben, ist er jedoch sehr interessiert und lernt ihn schnell lieben. Ich finde, ich habe da eine sehr großmütige Rolle. Das ist aber auch schön. Ich erkläre dem Anwalt, der Cedric gleich zu Anfang abholt, dass der Junge nie erfahren soll, dass sein Großvater verfügt hat, dass ich nicht auf dem Schloss leben darf und dass dieser mich nicht sehen will.  Es würde ja sozusagen das Bild von dem Großvater zerstören, das der kleine Lord von ihm hat. Sie verzichtet lieber auf den Anspruch, um dem Sohn die Möglichkeit zu geben, dass dieser ein schöneres Leben hat. Am Ende, wenn ich das Lied singe löst sich die ganze Geschichte. In dem Song geht es um einen König, der nie sein Spiegelbild sehen wollte. Ein Knabe führt ihn dann an einen Teich, in dem der König im Spiegel des Wassers sein wahres, gutes Gesicht sieht und der Knabe sagt ihm, wie schön er doch ist… Das ist so liebenswert… wirklich toll. Ja, darauf freue ich mich schon sehr, dass ich das spielen darf.

Glaubst Du, dass dieses Prinzip der absoluten „Unterwerfung“ der Mutter, „nur“ um ihrem Kind dieses gute Leben zu ermöglichen auch in der heutigen Zeit noch aufgeht?

Ich bin mir da sogar sicher. Wenn eine Mutter ihr Kind wirklich liebt, dann auf jeden Fall, da kommt erst das Kind und dann lange gar nichts. Vielleicht würde das heute seltener als zu dieser Zeit passieren, denn es ist ja so, dass viele Mütter heute fest in ihren Berufen stehen. Aber ich glaube schon, dass liebende Mütter da zurück stecken … das hat meine Mutter auch immer so gemacht.

Ich sehe  Parallelen dieser Rolle zu Deinem Leben. Der kleine Lord betrachtet seine Mutter auch eher als Freundin und Du selbst hast mit Deiner Mutter auch eine sehr intensive und freundschaftliche Beziehung. Der Part der Mrs. Errol passt wirklich hervorragend zu Dir.

Sissy Staudinger In nomine Patris Moulin Rouge Der kleine LordJa, stimmt. Ich freue mich auch sehr darüber, denn es ist etwas, was ich in dieser Art noch nicht gespielt habe. Es waren oft Huren, oder eher grobschlächtige Frauen wie Mme Thénardier, oder eben auch was Lustiges. Bei „In nomine“ ist es so, ich lockere die Situationen oftmals etwas auf, indem die Leute lachen müssen, weil ich den Papst so anhimmle oder Margarethe´s Brautstrauß fange. Ja und das ist jetzt wieder etwas ganz anderes. Da fällt mir ein, die Nelly aus „Jekyll & Hyde“ hat auch so ein bisschen eine Farbe wie Mrs. Errol, obwohl Nelly als Puffmutter ein völlig anderer Frauentyp ist. Aber sie ist auch eine aufopfernde, charakterstarke und mütterliche Frau. So war es auf jeden Fall in Egon Baumgarten´s Inszenierung bei den Burgfestspielen in Bad Vilbel. Ich bin als Nellie an der Ermordung Lucy´s zutiefst verzweifelt, der Gedanke des Regisseurs war, dass Lucy meine Tochter ist, was natürlich im Stück nie gesagt wird, aber eine grandiose Idee für meine Rollenauffassung war. Ja, die Rolle der Freundin zum eigenen Kind ist vergleichbar mit der Beziehung zu meiner Mutter. Wir sind fest miteinander verbunden und telefonieren jeden Tag, wenn ich unterwegs bin, was ja meistens der Fall ist.

Würdest Du Dir nicht auch manchmal wünschen, die Rolle der Mrs. Errol etwas „tougher“ zu gestalten, etwas moderner… Wie Du ja selbst sagst, die Rolle ist sehr großmütig. Täte etwas mehr Durchsetzungsvermögen der Mrs. Errol nicht gut?

Sie ist, so wie sie ist eigentlich in Ordnung für mich. Aber ich denke, sie würde auch funktionieren, wenn sie etwas forscher auftreten würde, denn sie steckt im Stück schon sehr viel zurück. Aber ihr ist wichtig, dass sie den Jungen sehen kann. Das darf sie ja auch, denn Cedric kommt jeden Tag zu Besuch. Es kommt dann auch eine Szene vor, wo der Earl fragt, ob es sein muss, dass er jetzt wieder seine Mutter besucht. Und der kleine Lord sagt dann aber, dass sie doch schon den ganzen Tag auf ihn wartet und er auch auf sie. Das heißt also, sie müsste es erst gar nicht verlangen, weil sie ja weiß, dass er sowieso kommt.

Aber es gibt eine Szene, da tritt sie tougher und kalkulierter auf. Sie weiß, dass der Junge ein gutes Herz hat. Es gibt da in der Nähe des Schlosses ein schreckliches Armenviertel. Sie erzählt dem Sohn bewusst davon, weil sie weiß, welchen Einfluss er auf den Großvater hat und sie sich sicher ist, dass Cedric ihm davon erzählt. Es entwickelt sich dann auch so, dass der Earl veranlasst, dieses Viertel neu zu gestalten. Ganz kühl kalkuliert agiert sie jedoch nicht. Sie fragt den Pfarrer, ob ihr Verhalten denn nun unchristlich sei, wenn sie ihre Absicht so verwendet. Der Pfarrer aber beruhigt sie, indem er ihr versichert, dass der liebe Gott so einen kleinen Trick schon auch mal erlaubt. Wie gesagt, ich freue mich sehr auf das Stück, auf die Musik, die Geschichte ist wunderschön, ja, und am Ende wendet sich dann auch alles zum Guten.

Sissy Staudinger In nomine Patris Moulin Rouge Der kleine LordSprechen wir noch kurz über Moulin Rouge…

Das ist ja was ganz Verrücktes. Ich kenne Anna Montanaro, die die Fatime spielen wird, aus früheren Zeiten, aus unserer gemeinsamen Zeit am Berliner Theater des Westens bei Helmut Baumann und von „Grease“ am Capitol Theater Düsseldorf, das wird ein tolles Wiedersehen. Auf die Produktion Moulin Rouge freue mich riesig. In Berlin fand im Juni 2008 eine allgemeine Audition der Gastspieldirektion Gerhartz statt. Ich hab mir nicht viel dabei gedacht, weil ich Gott sei dank einige gute Angebote hatte. Ich fuhr hin um mich mal bei der Firma vorzustellen, Kollegen kennenzulernen, Kollegen wieder zu treffen, mich mit ihnen austauschen und so weiter. Es ist immer sehr interessant, sich während der Wartezeit auf das Vorsingen mit den verschiedensten Menschen zu unterhalten, es gibt auch so manches Wiedersehen, oft nach vielen Jahren. Bei der Audition gab es dann zwei Räume. Die Leute wurden aufgeteilt, wer sich wo vorstellen musste. Es fanden dort Auditions für verschiedene Stücke statt. Ich war für den Raum eingeteilt, in dem Ulrich Gerhartz und Tina Raschen saßen. Ich habe dann mein Lied gesungen und gleich gemerkt, dass es Ihnen gefallen hat. Sie haben während meines Vorsingens schon so getuschelt und gekichert, aber ich habe nicht verstanden, um was es dabei ging. Ich habe nur gemerkt, dass alles sehr positiv für mich war. Gut, am Ende sagten sie mir dann, dass sie sich vorstellen könnten, dass ich in „Moulin Rouge“ spielen würde. Zwei Tage später lief der Film im Fernsehen und ich fragte mich, welche Rolle ich denn da jetzt überhaupt spielen soll? Tja, und kurz darauf kam dann das Angebot für die Rolle des „Directeur“. (muss herzlich auflachen) Da sich die erste Probenzeit jedoch mit den Proben und Vorstellungen des „Kleinen Lord“ überschneidet, werde ich in den ersten Wochen nicht dabei sein. Ende Dezember ist die Premiere von „Moulin Rouge“ und ich werde Mitte Januar in die Tour einsteigen. Es wird mit Sicherheit eine sehr interessante Aufgabe einen Mann zu spielen. Das gab es so noch nie.

Wird das Bühnenstück dem Film ähnlich sein?

Ja, es ist ein Musical nach dem Filmwelterfolg mit Nicole Kidman und es werden ganz viele tolle Hits zu hören sein. Vorlage ist La Traviata, die Geschichte der Kameliendame. Es wird eine sehr aufwändige Produktion, auch was die Kostüme und das Bühnenbild betrifft. Man darf wirklich gespannt sein. Ich denke, jeder Musicalfan, der den Film liebt, sollte sich diese Bühnenversion nicht entgehen lassen.

Was reizt Dich persönlich an Moulin Rouge?

Sissy Staudinger In nomine Patris Moulin Rouge Der kleine LordOh, da gibt es eine witzige Geschichte. Als ich 2006 die Hauptrolle in „Out of Rosenheim“-im Ausland „Bagdad Café“-in Paris gespielt habe, wohnte ich in einem Hotel, das lag am Übergang vom Montmartre zum Pigalle. Ich liebe den Montmartre, mein Lieblingsviertel in  Paris, so ging ich von dort täglich über den Pigalle zum Théatre Mogadur und bin so auch jeden Tag am Moulin Rouge vorbeigegangen. Das hat mich wirklich sehr fasziniert. Das ist der Hintergrund. Gut und als Kind habe ich auch schon davon geträumt, vom Moulin Rouge, Paris, Can-Can und so… Natürlich ist auch der Film toll. Außerdem finde ich es reizvoll, diese Männerrolle zu spielen, denn es gibt „La cage aux folles“, da spielt ein Mann eine Frau –  „Victor und Victoria“ oder „Yentl“ , wo es wieder anders ist, da es sich jeweils um eine Frau handelt, die sich innerhalb der Geschichte bewusst als Mann verkleidet – aber ich werde ja von Beginn an als Mann spielen. (Muss lachen und schaut an sich herunter:) Ich überlege schon, was ich da mache. Das wird der erste Minimizer–BH sein, den ich in meinem Leben trage… Ich bin wirklich gespannt. Vielleicht bekomme ich auch eine Bandage oder so (schmunzelt). Ach, das bekomme ich schon hin, da mache ich mir noch keine großen Gedanken. Aber ich beschäftige mich schon jetzt sehr mit der Rolle an sich, beobachte meine männlichen Kollegen, das Ganze ist wirklich sehr reizvoll!

Kommen wir noch ein bisschen zu Dir, Sissy als Mensch. Wie würdest Du Dich selbst am besten beschreiben?

Also ich bin auf jeden Fall bühnensüchtig. Ich möchte so lange wie es geht auf einer Bühne stehen und mit meiner Arbeit Menschen erfreuen. Das kann sein, indem ich sie zum Lachen bringe oder auch mal zum Nachdenken und vielleicht auch mal zum Weinen. Einfach das Leben darstellen und glaubhaft spielen. Um was ich mich auch sehr bemühe, was mir aber oft nicht gelingt, ist, christlich zu leben. Ich glaube, ich bin dafür manchmal zu aufbrausend (muss loslachen!) Da kommt halt dann einfach die Bayerin in mir durch. Nach dem Motto „Bavarian Barbarian“, wie eine Kollegin mich mal bezeichnete. Aber ich bemühe mich immer, etwas Gutes zu tun, denn ich finde, das Schicksal hält die Waage. Ich bin wirklich froh darüber, wie gut es bei mir läuft. Ich liege jeden Tag im Bett und danke Gott schon vor dem Aufstehen. Ich kenne auch andere Zeiten. Es war viel Arbeit, es so weit zu bringen.

Verrätst Du mir Deine größte Niederlage und Deinen größten Erfolg?

Das ist aber schwer. Wirklich! Ich überlege jetzt wirklich, weil man ja auch aus jeder Niederlage etwas lernt. Es gibt natürlich Erlebnisse, bei denen man sich denkt, warum das jetzt sein muss und warum mir das jetzt passiert. Und ein paar Jahre später versteht man dann, warum es so war, denn sonst wäre ich vielleicht nicht so, wie ich heute bin. Wenn ich es so sehe gibt es Einiges, was man so im Einzelnen gar nicht sagen kann.

Für mich ist es auf jeden Fall ein Sieg oder Erfolg, dass ich heute so weit bin, dass ich in schönen und großen Produktionen spielen und singen kann und dass es auch immer weiter geht. Ich hoffe, dass es sich auch so weiter entwickelt und was ich als Mensch dazu beitragen kann, das tue ich auch. Das Andere, was übrig bleibt, überlasse ich dem lieben Gott.

Sissy Staudinger In nomine Patris Moulin Rouge Der kleine LordEs ist wirklich schwer zu sagen, denn es gab natürlich auch schmerzliche Erfahrungen, beispielsweise während der Ausbildung. Ich war ja nie ganz schlank. Ich ging als ganz kleines Kind schon zum Ballett. Die Eltern der anderen Kinder sagten so was wie „ach die kleine Dicke probiert’s halt auch!“ Es wurden aber im Laufe der Zeit immer wenigere Kinder…, aber die kleine Dicke ist da geblieben. Irgendwann war ich die Letzte. Die kleine Dicke ist heute die Einzige, die auf der Bühne steht. Es war in dem Sinne keine Niederlage, aber es war so was wie „immer drauf“. Das war oft schwer für mich. Gott sei Dank, wenn ich heute singe schaut keiner direkt drauf, außer er mag mich nicht, und sagt „die ist dick“. Gut, aber ich singe jetzt auch keine Rollen der Elfen oder so (muss grinsen), abgesehen davon muss es ja auch zu mir passen.

Gibt es bei all Deiner Reiserei einen Ort, an dem Du am liebsten bist?

Natürlich bemühe ich mich sehr, wenn ich einen freien Tag habe, nach Hause zu meiner Mutter und meinem Kater zu fahren. Aber ich bin kein ortsgebundener Mensch, ich bin ein personengebundener Mensch. Ich kann mich schnell irgendwo Zuhause fühlen, indem ich es mir gemütlich mache. Und in Theatern fühle ich mich immer wie Zuhause. Ich habe beispielsweise immer einen der ersten Maskentermine, danach gehe ich herum und ratsche mit den Kollegen. Wenn ich im Hotel bin, dann muss ich mir das so einrichten, dass ich mich wohlfühle. Ich fahre überall hin, wenn es ein schönes Theater gibt, dann ist mir alles andere egal. Ach ja, und vielleicht noch eine Kirche, wo ich eine Kerze anzünden kann, das würde mir auch fehlen. Was ich vermisse, sind geliebte Menschen und Freunde, zu ihnen halte ich aber regen E-mail- und Telefonkontakt.

Deine Vita weist so ziemlich alles an spannenden Musicals auf, die es gibt. Um nur ein paar zu nennen, Les Mis, Jekyll & Hyde, My fair lady, Cabaret, Anything Goes, Grease, FMA, La Cage, Kiss me Kate, … (lufthol…) Gibt es denn überhaupt noch eine Rolle für Dich, die Du unbedingt spielen möchtest?

Aber sicher die Norma Desmond, das wäre schon was. Oder auch die Dolly aus „Hello Dolly“.

Gibt es etwas, was Du schon immer sagen wolltest?

Ich finde, man sollte immer an sich selbst glauben, sich treu sein und versuchen, so gut wie möglich im positiven Sinne zu leben und zu handeln. Wichtig ist auch zu Freunden zu stehen und für sie da zu sein. Man sollte sich auch auf keinen Fall klein machen lassen. Außerdem finde ich es wichtig, dass man das, was man kann, herausarbeiten sollte, ohne dabei die Ellenbogen zu verwenden. Seine Ideale sollte man ebenfalls nie aus den Augen verlieren.

Und was mir noch sehr, sehr wichtig ist: ich bin meinen Eltern sehr, sehr dankbar für alles, was sie für mich getan haben. Sie standen immer hinter mir und glaubten immer an mich. Meine Mutter sagt heute noch oft, dass sie mich nie von der Schule hätte gehen lassen, wenn sie nicht ganz sicher gewusst hätte, dass ich das Talent für meinen Beruf habe. Für mich war diese Entscheidung damals genau richtig, nur so konnte ich im Alter von 18 Jahren mein erstes Engagement antreten, bin sozusagen „durchgestartet“. Aber ich kann auch niemandem raten, es genau so radikal zu machen wie ich, das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Liebe Marina, ich danke Dir für das schöne Gespräch und freue mich auf unser Wiedersehen, Du Energiebündel!

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