Regisseur und Fernsehschauspieler Holger Hauer im Interview – Hier ist der Reverend der Chef!

Holger Hauer Musical Schauspieler Regisseur ChristO FootlooseVon Chefallüren keine Spur. Ganz im Gegenteil. Meine erste Begegnung mit ihm ist mir noch immer frisch im Gedächtnis. „Ich bin Holger!“ schießt es aus ihm heraus, dabei streckt er mir die Hand entgegen und grinst fröhlich und leicht spitzbübisch. „Typisch Holger“  würden seine Kollegen sagen. Aber so ist er. Eine Frohnatur, witzig, direkt und nie um ein Kompliment verlegen. Wer ihn zum ersten Mal sieht, kann es kaum glauben, dass dieser „lockere, sympathische und bodenständige Typ“ der Chef von „ChristO- Die Rockoper“ ist. Er strahlt Fröhlichkeit aus und erobert durch umwerfende Sympathie. Wenige Tage vor Ende der Spielzeit- es ist Hauers persönlich letzte Show-  traf ihn MFJ in München.  Vor wenigen Minuten erst endete seine letzte Show als Fernand Mondego und trotzdem nahm er sich die Zeit für ein Interview. Unglaublich! Plaudert man mit seinen Schauspielern hört man immer wieder Aussagen wie: „Hauer ist einer der wenigen Regisseure, der Vorschläge anderer zulässt und darüber nachdenkt… Er vermittelt nie das Gefühl, dass er der CHEF ist… Er wägt ab und diskutiert, er macht keine Unterschiede zwischen Schauspielprofi und  Praktikant…“. Schnell wird mir klar, Kollegen schätzen seine Umgangsart und respektieren und  lieben ihn gerade deshalb. Hauer ist ein Mann, der an seine Visionen glaubt und an ihnen festhält. Er überzeugt durch seine eigene Begeisterung und Motivation, seinem Händchen und feinen Gespür für eine „gute Sache“ und Darsteller und Kritiker sind gleichermaßen begeistert. Der grandiose Erfolg von ChristO dürfte Antwort genug auf seine Arbeit sein.

Seit dem 1.8.08 hat Holger Hauer  seinen Regiestuhl gegen einen Sitz in der Maske ausgetauscht. In der prägnanten Rolle des Reverend Shaw Moore  in „Footloose“, einem  mehrfach mit Tony Awards ausgezeichneten Musical, ist der derzeit in Tecklenburg zu sehen und hören. 

Holger, die Zeit mit ChristO in München geht zu Ende. Zieh doch mal Resümee…

Holger Hauer Musical Schauspieler Regisseur ChristO FootlooseDas Erste und Wichtigste: Ich bin wieder reicher an Erfahrungen geworden und fühle mich sehr beschenkt durch ganz tolle Kollegen. Es war ein besonderes Glück mit diesen Menschen gearbeitet zu haben. Sie haben mir und dem ganzen Projekt so sehr vertraut und sind dem Ganzen mit soviel Liebe begegnet. Es war ein großes Risiko und Experiment…  Auf die Frage von Thomas Peters, einem der Darsteller, mit welchem Gefühl ich hier weggehe, kann ich nur antworten: Mit zwei lachenden Augen. Es gab durchaus auch Probleme und Schwierigkeiten, auch weniger schöne Momente, aber alles in allem freue mich wahnsinnig, mit diesen Kollegen dieses Experiment gemacht zu haben und die Chance von Dr. Peters erhalten zu haben, dies zu wagen. Ich habe einige neue Freunde- nicht nur neue Kollegen- dazu gewonnen. Es war eine sehr schöne und intensive Zeit.

Wir wissen, Du bist vor einigen Jahren auf Andy Kuntz zugegangen und hast den Wunsch geäußert, mit der Band ein Projekt zu machen. Wie hat sich „dieses Experiment“ entwickelt?

Vom Tag der ersten Idee bis zum Tag  der Premiere sind etwa 12 Jahre vergangen. Die Idee wurde damals mit einem völlig anderen Team geboren. Dies war zu der Zeit, als ich noch am Staatstheater in Saarbrücken spielte. Das Ganze lag  jahrelang auf Eis, obwohl ich am Buch immer weiter geschrieben habe. Ich wollte keine Nacherzählung, auch kein Mantel-Degen Musical, sondern eine moderne Variante in einer Optik zwischen Mad Max und Matrix. Die immer wieder kehrende Kernfrage: „Was macht Rache mit dem Rächer?“, sollte in der Geschichte thematisiert werden. Vor etwa fünf Jahren habe ich Andy auf dieses Projekt angesprochen. Wir hatten in Saarbrücken zusammen in „Jesus Christ Superstar“ gespielt und waren seitdem befreundet. Die Band um Andy Kuntz, Vanden Plas, mit denen ich dieses Projekt machen wollte, war total begeistert und hat sofort zugesagt. Wie es aber im Leben so ist, kamen immer wieder neue Projekte wie CD- Aufnahmen, Tourneen und anderes  dazwischen. Vor etwa 1,5 Jahren rief mich Andy an und erzählte mir, dass Vanden Plas ein Album namens „ChristO“ herausgebracht hatten.  Andy spielte zu dem Zeitpunkt in Augsburg den Judas in „JCS“ und konnte Dr. Peters, den dortigen Intendanten, von der Idee begeistern, ein Stück daraus zu machen. So ging es also endlich weiter.

Wie kam es, dass Du die Regie übernommen hast?

Andy erzählte Dr. Peters, dass ich die Idee zu diesem Projekt hatte und dass es die Cd ohne diese Idee wohl gar nicht geben würde. Er hat mich also als Autor vorgeschlagen. Wie es der Zufall so will, hatte ich mich etwa drei Monate zuvor bei Dr. Peters als Regisseur vorgestellt . Somit war klar, ich schreibe das Buch. Es war aber kein Wort darüber gefallen, ob ich auch die Regie übernehmen sollte. Für mich war  das eigentlich ein absolutes Muss.  Monate später kam es zum ersten Gespräch im Theater in Augsburg und als es um die Besetzung ging, sagte er nur: „Sie sind der Regisseur- schlagen Sie mir Darsteller vor.“ Damit war das organisatorische Prozedere besprochen. Günter Werno übernahm die musikalische Leitung und ich das Buch mit Andy Kuntz als Co-Autor.

Wie war das mit der Geschichte. War sie schon festgelegt durch das Album? Du hattest ja das Buch unabhängig davon schon geschrieben…

So ein Stück entsteht immer durch den Einfluss mehrerer Personen. Andy hat mir beim Buch geholfen. Wir haben uns drei Tage in Füssen in Klausur begeben und uns des Öfteren in Kaiserslautern und Berlin getroffen.. Das Buch, das ich zuvor schon geschrieben hatte, konnte ich in großen Teilen wegwerfen, da Andy die Geschichte für die CD neu gestrickt hatte. Das war für mich anfangs schwierig, da es doch MEIN Stück war.  Aber wie so oft: Eitelkeiten beiseite  und drauf einlassen! In der Geschichte auf der CD geht es darum, dass ein Inspektor X in dem Wrack der Pharao, die Geschichte eines anderen Mannes (Edmond Dantes) an den Wänden liest. Am Ende stellt er mit Schrecken fest, dass es seine eigene Geschichte ist. Das war für mich im Grunde okay, ich fand aber, dass wir dadurch wieder in eine typische Musicalsituation geraten- mit einem Erzähler, der uns rückblickend zwei Stunden berichtet. Das wollte ich gern vermeiden. Ich kam auf die Idee, Inspektor X zeitgleich mit Edmond Dantes existieren zu lassen. Er ist das letzte Gute in Edmond. Edmond trennt ihn während der langen Gefangenschaft von sich ab, sozusagen als letzte Kontrollinstanz. Für mich war es immer so, dass ChristO Angst hat, im Rausch der Rache alles niederzumetzeln, auch Unschuldige bis hin zu Mercedes… Ich lege großen Wert darauf, dass es keine Jekyll & Hyde Geschichte ist, auch wenn man schnell dazu neigt, Parallelen zu ziehen. Der Kniff ist folgender: Zwei Darsteller, zwei Seiten eines Menschen – im Fachchinesisch: Dissoziative Identitätsproblematik, aber im Grunde ein und dieselbe Person.  So hatten wir also die Geschichte und ich begann noch einmal zu schreiben.

Und wann kam es zur Besetzungsfrage?

Holger Hauer Musical Schauspieler Regisseur ChristO FootlooseSchon bald darauf.. Wir hatten den Vorteil, dass Dr. Peters uns relativ viel Freiheit ließ. Die jungen Leute, Sven Fliege und Milica Jovanovic hat er vorgeschlagen. Sven kannte ich von einem Intendantenvorsingen aus Berlin drei Monate zuvor, und er hatte mir dort sehr gut gefallen.! Und dann war das Vorsingen mit Milica. Die Geschichte muss ich einfach erzählen, weil ich sie so liebe. Sie kam, sie sang und sie war so wunderbar, dass wir alle direkt verliebt waren. Ich war also in der seltenen glücklichen Lage sagen zu können. „Also, Frau Jovanovic, ich könnte jetzt sagen – vielen Dank, wir rufen Sie an- aber um Ihnen und auch mir einen schönen Tag zu bereiten kann ich mit einem glücklichen Lächeln sagen: Sie sind dabei, wenn Sie möchten ! Ich habe es  sehr genossen, dieser jungen Frau direkt sagen zu können, dass sie  genau richtig für unser Stück ist.

Es gibt leider einige Regisseure, die sich selbst unglaublich toll vorkommen, wenn sie 400 Leute zum Vorsingen anreisen lassen. Ich finde, hier wird teilweise respektlos mit Menschen umgegangen:  Du bist nervös, du gibst Geld aus um da hin zu kommen, du bereitest Dich vor und kommst als – na, sagen wir mal: „Kleine, kräftige, Dunkelhaarige“ zu einem Vorsingen, bei dem von Vornherein eigentlich klar ist, die suchen eine „ Große, schlanke, Blonde“ . Das sagt Dir aber vorher keiner. Das heißt, der ganze Stress, nur damit sich ein Regisseur wohlfühlt… ich mache sowas nicht!  Ich versuche immer eine Vorauswahl zu treffen. Natürlich gehen mir dadurch auch Leute verloren, aber ich brauche diese Befriedigung nicht, Menschen stundenlang in irgendwelchen Katakomben des Theaters darauf warten zu lassen, vielleicht den vierten Zwerg von links zu spielen.

Sehr schön war auch eine Begebenheit mit Agnes Hilpert, der Mercedes.  Es bewarben sich über diverse Agenten tolle Leute. Ich bekam von Agnes ein Foto und den Lebenslauf und dachte, okay, toller Typ, möchte ich gerne sehen. Dann standen wir Beide in Augsburg am Theater beim Pförtner und sie sprach mich  an mit „Hallo! Mensch Holger, ich freue mich so, dass Du mich eingeladen hast….!“ Ich dachte: Oops??? Sollte ich sie kennen? Ich hatte keine Ahnung, wer sie ist. Sowas ist mir immer peinlich, aber man begegnet so vielen Menschen, alleine durch die Vorsingen… Sie hat großartig vorgesungen und phantastisch vorgesprochen. Bei mir gibt es eigentlich kein Vorsingen ohne Vorsprechen. Es ist leider oft so, dass die Leute schöne Stimme haben, vom Typ her auch zur Rolle passen, aber ob sie eine Geschichte erzählen können, einen lebenden Menschen spielen können, das weiß zu noch kein Mensch. Ich halte das für ein großes Problem in der Musicallandschaft. Schon in den Schulen viel zu wenig darauf geachtet. Aber ich will im Theater auch Geschichten erzählen, sonst könnte ich ein Musicalkonzert machen. Agnes Hilpert hat großartig vorgesungen und großartig vorgesprochen.  Ich wusste in dem Moment, die soll es sein.  Übrigens, um die Sache aufzulösen: Agnes und ich hatten vor vielen Jahren gemeinsam am Theater des Westens in Blue Jeans gespielt. Ich hätte mich also wirklich erinnern sollen. Asche auf mein Haupt!

Wie fiel die Auswahl auf das Staatstheater am Gärtnerplatz?

Das entstand durch Andy und Dr. Peters. Wie gesagt, es fing ja schon in Augsburg an. Dr. Peters ging nach „Jesus Christ Superstar“ als Intendant nach München und wollte an seinem „neuen“ Theater auch etwas Rockiges machen.  Das muss man ihm wirklich  hoch anrechnen, in einem  Haus, das eigentlich kein junges Publikum hat und sehr stark über  das Abo funktioniert. Die Uraufführung einer Rockoper ausgerechnet in der Extremstadt München zu machen, das verdient Anerkennung. Ich denke, wir sind gut ohne Abo durch die Saison gekommen und auch wenn wir nicht immer ausverkauft waren, wir hatten jede Vorstellung eine Standing Ovations und großen Jubel. Und wir waren insgesamt sehr gut verkauft. Dr. Peters kann es sich also auf seine Fahne schreiben, dass sich das Risiko gelohnt hat, denn es war wirklich ein großer Erfolg.

Das stimmt. ChristO war etwas Neues. Ein Stück- entstanden aus purer Leidenschaft und Idealismus … ohne den Gedanken an Geldmacherei. Ein mit etwas völlig Neues zu probieren… mit den weiteren Schwerpunkte: Schauspiel…

Holger Hauer Musical Schauspieler Regisseur ChristO FootlooseLeider ist es heutzutage in Deutschland immer noch oft so, dass Musicals  dazu benutzt werden um einfach nur schnell Geld zu verdienen. Es hat dann oft etwas oberflächlich Showhaftes – es wird getanzt, es sind halbnackte Frauen auf der Bühne, es wird toll gesungen – das ist schön, ich finde, aber oft zu wenig. Intendanten sollten lernen, dass Musicals Leute braucht die singen und spielen können. Und sie sollten Regisseure engagieren, die mehr von einem Stück wollen, als wildes hin und her Gerenne, was dann als tolle Action verkauft wird. Und was die Schauspieler angeht: Thomas Peters ist da ein großartiges Beispiel. Er verbindet etwas, was nicht so häufig ist: eine sehr gute Schauspielkunst mit einer sehr schönen Stimme UND, und das ist mir auch sehr wichtig, er hat einen wundervollen Humor. Diese Kombination ist für mich ein Geschenk. Was ich mit diesem Mann in den Proben erlebt habe, sowohl an Spaß als auch an intensiver Arbeit,… dazu muss man sagen, die Rolle des Danglars ist ja nicht so groß. Da kann man durchaus meckern und sagen, man hätte ja bisschen mehr schreiben können…J  Ich weiß, wenn sich die Chance ergibt und ich habe eine Rolle, auf die er passt; wenn er dann noch Zeit hat, dann werde ich ihn engagieren. Das ist eine der vielen Erfahrungen hier in München, die mich fröhlich stimmen.

Als nächste Station steht Tecklenburg an. Dort wirst Du in Footloose  Reverend Shaw Moore spielen. Wie kam es eigentlich  dazu, den Regiestuhl gegen die Maske einzutauschen?

Holger Hauer Musical Schauspieler Regisseur ChristO FootlooseNaja, ich komme da ja her. Ich bin gebürtiger Schauspieler und Musicaldarsteller. Ich habe 1985 als Judas in JCS angefangen und in den ersten Jahre alle großen Rollen rauf und runter gespielt. Wir waren so etwas wie die erste Generation nach „My fair lady“. Damals begann das „Stella“-Unternehmen gerade und wir tourten quer durch Deutschland und spielten alle großen Musicals. Irgendwann wurde ich ein bisschen unzufrieden, weil mir der schauspielerische Aspekt, der des Geschichtenerzählens, zu oft zu kurz kam. Aber meckern allein bringt nichts: Ich musste versuchen es besser oder anders  zu machen. Das war der ursprüngliche Auslöser auch als Regisseur zu arbeiten.. Gott sei Dank bekam ich vor 12 Jahren am Staatstheater in Saarbrücken die Chance meine ersten zwei Musicals zu inszenieren. Und seitdem führe ich auch Regie.. So gesehen ist der Wechsel  zum Reverend für mich kein Wechsel in unbekanntes Terrain, sondern nur die andere Seite meines Berufes. Ich fahre mehrgleisig, als Musicaldarsteller, Fernsehschauspieler,  Regisseur, Autor und als Übersetzer.

Bist Du nicht verleitet, Dir regietechnisch Gedanken zu machen?

Natürlich muss mich etwas zurücknehmen. Wenn ich einen guten Regisseur habe ist das für mich einfacher. Gut, ich behaupte natürlich auch hin und wieder Dinge zu sehen, die ein Regisseur möglichweise gerade nicht bemerkt. Aber da habe ich immer noch die Möglichkeit als Schauspieler mal nach zu fragen. Dean Welterlen, der Regisseur von Footloose ist jemand der sehr aufmerksam ist. Natürlich sehe ich manche Dinge anders, das ist völlig normal. Kunst ist immer subjektiv. Es gibt keine Objektivität. Und so gibt es auch Momente, in denen ich denke „Hm, naja, also, Holger, halt mal den Mund!“ Und dann halte ich  den Mund, denn es ist ja SEINE Inszenierung. Wenn ein Regisseur ein Konzept hat und davon gehe ich immer aus, dann will ich ihm auch nicht in dieses pfuschen. Und oft ist man als Darsteller überrascht, wenn man am Ende sieht, dass alles wunderbar funktioniert und ineinander greift.

Also bist Du auch als Schauspieler/Sänger sehr zufrieden?

Holger Hauer Musical Schauspieler Regisseur ChristO FootlooseJa natürlich! Generell finde ich, wir sind so beschenkt in unserem Beruf. Wir verdienen unser Geld mit Singen  und wir bekommen am Ende auch noch Applaus dafür. Ich meine, ich gehe nicht jeden Tag zum Bäcker, applaudiere und johle sowas wie „Yeah, geile Brötchen!!!“ oder so.  Da muss man sich mal vor Augen führen, was wir immer wieder herrliches erleben dürfen.

Aber einfach stelle ich mir das Leben auch nicht vor. Abgesehen von der Kritik, die man oft schlucken muss man ist viel unterwegs und oft alleine…

Holger Hauer Musical Schauspieler Regisseur ChristO FootlooseDie Kehrseite ist, es ist alles subjektiv. Wenn ein Schreiner einen Tisch macht und der hat eine Ecke,  dann kann man das nachmessen, diese Ecke hat 90°, da weißt man: Der Tisch ist toll. Wenn wir spielen, dann sagen die einen, das hat mich total berührt und die anderen sagen, das hat mich furchtbar gelangweilt. Es gibt einfach kein objektives Maß. Im Gesang geht es noch, weil da  ein hohes C ein hohes C ist, basta! Wenn Du es triffst, dann hast Du es gesungen, gut! Trotzdem ist es ein ganz unsicherer Beruf und das ist für mich auch ein ganz großes Credo an Musicaldarsteller:  Bei aller Liebe und Begeisterung für den Beruf sucht euch Etwas, was euch innerlich glücklich macht, auch neben dem Beruf und mit dem ihr euch beschäftigen könnt, wenn der Vorhang gefallen ist.

Geht das so einfach? Auch das stelle ich mir unheimlich schwierig vor.

Es gibt nichts Grausameres als Kollegen, die nur IN diesem Beruf leben. Ich meine nicht FÜR diesen Beruf, das ist notwendig, man soll sich nur etwas `Normales` neben diesem Beruf suchen. Ich kenne Kollegen die haben nichts nebenbei, sie verlieren sich, leben nur noch für den Moment in dem die Kantine öffnet. Davon abgesehen, wenn ich ein Spiegel der Gesellschaft sein  soll und das sollen und wollen wir ja, wie soll das funktionieren, wenn ich das wahre Leben gar nicht mitbekomme und nur fürs Theater lebe? Es gibt doch nichts Großartigeres als Menschen zu beobachten, aufzunehmen und Erfahrungen zu sammeln. Was ich dadurch alles lernen kann für meine Arbeit, für neue Rollen…

Guter Stichpunkt, neue Rollen… Was fällt Dir zu der Rolle des Reverend Shaw und generell Tecklenburg ein?

Holger Hauer Musical Schauspieler Regisseur ChristO FootlooseTolle Rolle! Ich habe, als ich den Anruf bekommen habe, ob ich den Reverend spielen möchte sofort zugesagt. Ich habe mir in den letzten Jahren einige Stücke  in Tecklenburg  angeschaut. Ich mag diese Atmosphäre. Es ist ein wunderschöner Ort und ich mag die Art, wie dieses „Haus“ vom Intendanten geführt wird. „Gezicke“ wird nicht zugelassen, wenn es Probleme gibt, dann redet man miteinander. Ich selbst finde Gemauschel, Gemunkel und Gezicke ziemlich unnütz. Ich wiederhole mich, wenn ich sage, wir haben einen so schönen Beruf. Aber manche Kollegen scheinen ständig  nur genervt und ermattet, zum Beispiel, weil sie eine Probe haben. Da denk ich mir dann „Hallo?! Du hast nur eine Probe!!! Du musst nicht in den Bergbau!!!“  Ich werde bei sowas wahnsinnig. Das ist Kinderkram.                                                                                                                         Zum Reverend: Ich habe die Rolle angenommen ohne das Stück genau zu kennen. Im Nachhinein war es die richtige Entscheidung. Zum einen muss ich nicht tanzen, was mir mittlerweile sehr recht ist. Ich habe über 450 x Riff in der West Side Story gespielt. Ich habe, als nicht gelernter Tänzer ganz, ganz großen Respekt vor diesem Beruf. Ich bin ein guter Beweger aber kein Tänzer. Ich bin also froh, dass ich in Footloose nicht tanzen muss und es ist eine wirklich schöne Rolle, die einzige mit einer richtigen Entwicklung und Wandlung im Stück. Zu Begin ist der Reverend eher hart und verbittert. Gen Ende aber lernt er dazu und ändert seine Grundhaltung. Die letzte Viertelstunde des Stückes gehört mir. Da halte ich geläutert meine letzte große Predigt, teile meiner Gemeinde mit, was geschehen ist. Ich hatte nicht geahnt, dass der Reverend eine so schöne Musicalrolle ist und bin sehr froh, dass ich sie machen darf.

Kannst Du schon was über die Probenzeit berichten?

Ich muss Klaus Hillebrecht, meinen musikalischen Leiter mal verbal in den Arm nehmen. Das ist jemand, der etwas will in seinem Beruf und das in seiner angenehmen Ruhe und einem unglaublich positiven Willen den Darstellern  kundtut. Für einen Darsteller ist das ein ganz großes Geschenk, wenn Du einen tollen musikalischen Leiter hast. In Footloose habe ich zwei Arien, die eher innere Monologe mit Verzweiflung, Erinnerungen, Gefühlen und Aggressionen sind. Die Kombination aus Gesang und Darstellung innerhalb dieses Liedes hat Klaus gefordert und gefördert. Und das, muss ich sagen, ist mir in den 24 Jahren nicht so oft passiert. Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang Janez Samec, der leider vor einigen Jahren verstorben ist. Er war mein künstlerischer Mentor. Er hat mich immer zur Seite genommen und gesagt, dass ich ein gutes Gefühl für den Beruf habe und dabei bleiben soll und versuchen soll, dass es nicht verloren geht. Das sind so Menschen, die einen das ganze Leben hindurch begleiten.  Solche Menschen findet man nicht so häufig. Andreas Gergen z. B. ist jemand, der vor vielen Jahren in Saarbrücken an der Seitenbühne stand und sagte, er möchte mal das gleiche schaffen, wie der Holger Hauer. Heute ist er ein Regisseur mit Fantasie, Lust und Leidenschaft. Das ist jemand, dem gönne ich  jeden Job, auch wenn ich ihn gerne selbst gehabt hätte, weil ich weiß, die Kollegen bekommen einfach einen guten Regisseur. Ach, man kommt aber auch ins plaudern. Wie war die Frage? J Ach ja, also bis hierher laufen die Proben prima.

Holger Hauer Musical Schauspieler Regisseur ChristO FootlooseVerrätst Du uns, wann und wo wir Dich nach Footloose wieder erleben werden?

Wahrscheinlich kommt eine dritte Staffel der Krimiserie Kriminal Dauer Dienst – KDD – im ZDF-Ich habe da zwar nur eine kleine durchgehende Rolle, aber ich bin dabei. Wir haben den Grimmepreis 2008 und den deutschen Fernsehpreis 2007 für die beste Serie gewonnen. In Dresden kommt dann in der Staatsoperette die Uraufführung eines neuen Musicals mit dem Titel „Der Mann der Sherlock Holmes war“ nach dem gleichnamigen Film, damals mit Hans Albers und Heinz Rühmann. Dieses Stück werde ich im Herbst und Winter inszenieren. Premiere ist am 23.1.09. Was dann kommt? – Lassen wir uns überraschen.

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