Auf den ersten Blick sieht er Er wirkt immer so lieb und friedlich, ja, fast teddybärenhaft- Günter Werno, Komponist von „Ludus Danielis“. Eigentlich aber will er gar nicht nur lieb sein, sagt er. Der sympathische Komponist und Keyboarder von Vanden Plas fragt mit kühlem Humor, was man gegen dieses Image machen kann. Im nächsten Satz jedoch bestätigt er, was Fans und Beobachter längst schon wussten: „Wir passen nicht so ganz in das typische Klischee einer Rockband, deren Weg mit Groupies und zertrümmerten Hotelzimmern gepflastert ist!“ Stimmt, Vanden Plas ist einfach anders. Wer es noch immer nicht weiß, soviel sei wiederholt: VP beeindruckt und glänzt durch reines und echtes Können. Die begnadeten Profimusiker hinterlassen maximal ein Schlachtfeld emotional und physisch gesehen, denn ihre Musik und ihre Shows reizen einfach die komplette Palette menschlichen Empfindens, ob man will oder nicht. Was Günter Werno mit „Ludus Danielis“ in Zusammenarbeit mit Stephan Lill (Gitarrist von VP, siehe Spezialinterview zu „Ludus Danielis“) und Johannes Reitmeier (Intendant des Pfalztheaters, ebenfalls siehe Spezialinterview) gelang ist einen Besuch wert. Leider geht die 6-monatige Spielzeit im Juni zu Ende, doch es sei auf die live DVD hingewiesen, die jetzt im Mai erscheint. Es geht in die heiße Endphase. Doppelbelastung erlebt Günter Werno derzeit mit seiner Band Vanden Plas, mit der er zudem noch in „Christo- die Rockoper“, seit April in München spielt. Umso erfreulicher, dass es MFJ gelang, Günter Werno für ein Interview zu gewinnen. Er zeigte dabei nicht nur seine liebe, sondern auch eine humorvolle und spitzbübisch kecke Seite. Wie auch in seiner Arbeit gelingt es dem „lieben“ Keyboarder immer wieder interessante Aha-Effekte zu erzeugen.
Günter, wir wissen, im Dezember 2006 hast Du mit der Umsetzung „Ludus Danielis“ in ein Rockoratorium zu verarbeiten begonnen. Intendant Johannes Reitmeier hatte diese Idee und Dich dabei mit dieser Auftragsarbeit betraut. Als Starthilfe und Anhaltspunkt diente die CD von „Estampie – Ludus Danielis“. Wie bist Du in der Anfangszeit an diese Aufgabe rangegangen?
Der erste Song den ich erstellt habe, war so eine Art Prototyp. Ich habe diesen Johannes Reitmeier vorgestellt und er war begeistert. Grundsätzlich war es aber erst mal nichts anderes als ein Umarrangieren mit Instrumenten einer Rockband. Durch eine „Originalaufnahme“ (fast nur Gesang, spärlicher Instrumenteneinsatz) habe ich dann noch mal eine andere Herangehensweise an das Material kennen gelernt. Später habe ich dann das in die heutige Notenschrift übersetzte Original erhalten. Zu diesen Texten und Melodien wollte ich also eine passende Songstruktur finden, wie wir sie heute kennen. Andy gab mir in der Anfangsphase einmal einen entscheidenden Tipp. Das war damals im dritten Lied „Jubilemus“. Mir war eine relativ gute und fetzige Einleitung gelungen, die sich auch auf den Originaltext und der Originalmelodie in deren Verwendung bezogen hat. Zum Ende des Songs treten die drei Satrapen vor den König und sagen: „Hier sind die Vasen vor Deinem Angesicht!“ Andy sagte hierzu, dass dies doch ein schönes Thema sei und wie es wäre, wenn ich diese Stelle als Refrain verwenden würde. Da war mir klar, man muss sich trauen, was umzubauen. So ist der erste Song entstanden, der die Strukturen eines heutigen Rock- bzw. Popsongs aufweist. Ab dem Zeitpunkt habe ich dann die Originalaufnahmen beiseite gelegt. Ich habe mich zwar informiert, was es für Bands gibt, z.B. In Extremo, die mittelalterliche Musik schreiben, aber ich habe nie etwas davon angehört. Anfangs war es geplant weitere Instrumente hinzu zu nehmen, wie z.B. einen Dudelsack, Hörner und Ähnliches, aber mir wurde bewusst, dass ich mich da zu wenig auskenne und es bereits Bands gibt, die da weitaus mehr Erfahrungen haben und das wahrscheinlich besser machen würden. Begeistert war ich jedoch immer vom Einsatz einer Flöte und Violine. Ich habe diese Instrumente von Anfang an in meine Songs eingebaut. Die beiden Instrumente haben mir für den mittelalterlichen Sound in Verbindung mit den Texten und Melodien völlig ausgereicht.
Wann wurde Dir bewusst, dass „Ludus“ was ganz Besonderes und Großes wird?
Die Besonderheit ist alleine schon durch die Mischung der lateinischen Sprache mit der Rockmusik gegeben. Das wurde in dieser Form als Bühnenwerk meines Wissens vorher noch nicht gemacht.
Zumindest hatte ich als Komponist ein solches Thema noch nicht als Vorlage. Auf unserer letzten CD „ChristO“ haben wir schon Chorstellen in lateinischer Sprache verwendet, das waren aber nur Einwürfe. Die Größe ergibt sich durch die Wahl des Themas, die vielleicht grundsätzlich nichts Neues ist, aber Bibelthemen behandeln ja meistens existentielle Fragen. Die Tatsache, dass es ein Bühnenwerk ist mit allem, was so dazugehört, wie z.B. bombastische Chorstellen, Solosongs, Duette und der von Johannes Reitmeier entwickelte dramaturgische Ablauf machen es zu was „Großem“.
Hast Du während der Zeit des Komponierens schon an feste Personen gedacht, die diese Rollen auf der Bühne singen und spielen würden?
Ja! Es war relativ schnell klar, dass Andy die Titelrolle singt und so habe ich die Songs dann auch angelegt. Ich kenne seinen Stimmumfang, wir sind Freunde, wir arbeiten lange zusammen, ich weiß, wo seine Stärken sind und demnach habe ich die Songs angelegt.
Dass Astrid die Königin singt habe ich auch gewusst. Ich bin mit ihr die Stellen durchgegangen und ich habe sie zum Teil transponiert, mal höher, mal tiefer, je nachdem was für ihre Stimmlage besser war, bzw. besser passte. Witzig war die eine Situation. Es ging es um die Ballade. Die Melodie stand schon ungefähr fest und ich sagte zu Astrid, dass ich mir an der Stelle vorstelle, dass es so klingt, als würde sie das ein bisschen improvisieren. Da hat sie von der Stelle weg dazu gesungen und genau das habe ich fest gehalten. Ja und das singt sie heute auch so. Das ist natürlich wunderbar, wenn so etwas im Probenprozess entsteht.
Bei Randy war klar, dass er der König ist. Ich habe ihn auf der Bühne gesehen und gehört, hatte aber noch nicht mit ihm selbst gearbeitet. So habe ich eine der ersten Nummern für ihn geschrieben, die ja stimmlich recht tief anfängt und später dann in gewisse Höhen geht. Weil ich ihn schon kannte, konnte ich ihn einschätzen und wusste, was er kann und das hat er mit Bravour gemeistert.
Wie hat denn die Band so reagiert, als Du ihnen Dein Vorhaben mitgeteilt hast?
Der Grundtenor war sehr positiv. Wir sind ja eine „Progressiv“ Rockband und Experimente in einem gewissen Rahmen sind immer sehr interessant. Als ich die ersten Songs vorgestellt habe, war dann die anfänglich Skepsis der Bandkollegen gegenüber der „Mittelaltermucke“ zerstreut.
Im März/April 2007 habe ich dann Stephan gebeten, mir ein paar zusätzliche Ideen zu liefern. Eigentlich wollte ich nur ein paar Gitarrenriffs, damit das Ganze ein bisschen härter wird (muss lachen). Da kennt man Stephan schlecht, der schreibt dann gleich ganze Songs. Darüber bin ich aber auch froh, denn diese Songs machen das Ganze gleich viel lebendiger und geben noch mal einen ganz anderen Touch, den man vielleicht selbst nicht so hat. Dadurch bekommt man selbst auch wieder ganz neue Ideen. Stephans Mitarbeit hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Wenn man Stücke komponiert hat man sicherlich doch auch schon eine Vorstellung davon, was sich später auf der Bühne abspielt. Vielleicht auch, wie es dann umgesetzt wird. Hattest Du diese Vorstellungen bzw. wenn ja, auch Einfluss auf die Inszenierung?
Nein, denn das war auch absolut Sache von Johannes Reitmeier. Einige seiner Einfälle hat er mir verraten, aber das hat an den Kompositionen selbst nichts verändert. Auch wenn es auf der Bühne anders geworden wäre oder anders ausgesehen hätte, die Songs wären gleich geblieben. Gut, wenn man als Komponist vielleicht mal raushört, dass der Auftritt des Königs in einem schrillen Kostüm und auf High Heels sein wird, ein Teil des Ensembles auf dem Boden singt, … ja klar, dann hat man schon leichte Vorstellungen wie das aussehen könnte. Dann weiß man, der muss dann dem Auftritt entsprechend singen. Man weiß aber laut Text auch, dass der König Belsazar ein schlimmer, verbrecherischer König war. Das beeinflusst dann schon ein bisschen, aber trotzdem der Song wäre auch so geworden wie er letztlich ist. Das einzige, was an den Liedern geändert wird, ist der Ablauf, der zur szenischen Abfolge stimmen muss. Da kommen dann im Probenprozess schon mal Kürzungen oder Verlängerungen vor.
Hattest Du in der gesamten Zeit eigentlich auch mal einen Blackout?
Kein Blackout, aber ein gewisses Stocken, als bei einem Song nicht weiterkam. Ich hatte eigentlich alles chronologisch gemacht. Ich habe mir mit Stephan die Songs in Nummern eingeteilt und so hat jeder seine „Nummern“ abgearbeitet. Wir haben Ideen, Melodien oder Teile besprochen. Ich habe Stücke, Songs und Passagen dann arrangiert, umarrangiert oder passend gemacht. Dann kam die Ballade der Königin. Mir war bewusst, das muss ein Knaller sein, das kann kein halbgarer Song sein. Das muss DIE Ballade des Stückes sein. Ich habe insgesamt glaube ich 8 Versionen von diesem Song. Ich hab den Song dann irgendwann einfach liegen und ruhen lassen und habe mich praktisch an die anderen Sachen ran gemacht. Und irgendwann kam dann die Melodie, die hatte Sinn und dann war es gut. Bei dieser Ballade war es notwendig, von der Originalmelodie abzukommen, denn das Original war in diesem Fall ein Hemmnis. Zuerst habe ich schon versucht was umzustellen, woanders zu versetzen, aber irgendwann bin ich dann ganz weg davon und als ich dann das komplett neue Ergebnis hatte, da wusste ich: das ist es!
Bist Du also generell schon sehr zufrieden mit dem Endergebnis oder würdest Du noch Änderungen vornehmen? Vielleicht spätestens dann, wenn es an einem anderen Theater auf den Spielplan genommen wird?
Nein, ich würde nichts ändern. Ich bin mit dem Stück absolut zufrieden.
Es ist ja auch so, dass sich das Stück, dessen Dramaturgie an das Original angelehnt wurde, trotzdem verändert und entwickelt hat. Neben Sachen wie aufgezogenen Screens die von Johannes Reitmeier dazu gemacht wurden, gibt es zudem diese böse Königin im zweiten Akt. Die gibt es in der Vorlage nicht. Die hat er dazu erfunden.
Gut, wer weiß, vielleicht mit ein bisschen mehr Abstand, in zwei oder drei Jahren, wenn andere szenische Gegebenheiten eine musikalische Änderung erfordern.
Was möchtest Du über Ludus abschließend noch sagen?
Es war ein tolles Projekt und ich glaube, es ist gut gelungen.
Johannes Reitmeier sagte in der Anfangszeit mal zu mir: „kann sein, dass es nur ein Experiment wird, das man mal probiert, aber dann auch wieder sein lässt…“
Die phänomenale Resonanz vom Publikum bestätigt, dass es gut ankommt und das freut mich natürlich. Die Arbeit und Mühe haben sich wirklich gelohnt und es blieb in jeder Phase spannend.
Abschließend möchte ich noch mal meinen Dank an Johannes Reitmaier aussprechen, der mir und uns dieses Werk ermöglicht hat. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich nie auf die Idee gekommen, mich mit mittelalterlicher Musik und deren Umsetzung in die heutige Zeit zu beschäftigen.