„Der Herbst des Winterkönigs“ oder der kurze Winter des „Friedrich V.“

Der eisige Wind weht dem Mornarchen bei seinem letzten Einzug ins Gesicht. Dennoch- wallfahrtartig –  pilgert das Volk auf den Mariahilfberg ihn zu begrüßen.

Der Herbst des Winterkoenigs Amberg Andy Kuntz Astrid Vosberg Vanden Plas Johannes ReitmeierAmberg feiert 975 – jähriges Gründungsfest und lockt zahlreiche Besucher auf den Mariahilfberg. Das einzig hierfür geschaffene Musiktheaterstück  „Der Herbst des Winterkönigs“  hat man sich als „Schmankerl“ einfallen lassen, das den Festlichkeiten ein unvergessliches Highlight verschaffen soll. Eine unvergleichbare Atmosphäre ist spürbar, sitzt man auf der Tribüne vor der Mariahilfkirche und wirft dabei einen Blick links in das Tal der oberen Pfalz. Zu Füßen liegt die Stadt Amberg. Die Kulisse mit der imposanten hohen Treppe zur Kirche hinauf bietet die nahezu perfekte Bühne für das  Stück.  Die stadteigene Historie wird thematisch in der Inszenierung aufgefangen. Im Fokus des Geschehens König Friedrich V., auch Winterkönig genannt.

Das Stück unterscheidet sich in vielen Dingen weit von den sonst kommerziellen Inszenierungen, die auf den Bühnen Deutschlands verweilen. Lediglich die Hauptprotagonisten sind Berufsschauspieler, bzw. – sänger, ebenso wie die Band „Vanden Plas“, die längst an einigen Theatern als feste Band mit und ohne Orchester engagiert ist. Deren Leadsänger Andy Kuntz ist es auch, der die Titelrolle, Friedrich V. verkörpert. An seiner Seite spielte die Rolle der Elisabeth Stuart die Sängerin und Schauspielerin Stefanie Rhaue, vielseitig eingesetzt auch im Film und Fernsehen. Astrid Vosberg, renommierte Schauspielerin und Sängerin, die man ebenso mit der Band samt Sänger oft erlebt und die im Musical, Schauspiel sowie Oper und Operette gleichermaßen Zuhause ist, singt alternierend Elisabeth. In den weiteren Rollen ist Reinhold Escherl (von der Freudenberger Bauernbühne) als Kammerdiener Jan zu sehen, Spielansager des fahrenden Theatergesindes ist Jürgen Huber (der Hahnbacher Bühne). Die besetzten Nebenrollen und das fahrende Volk sind wie Mitglieder der Freudenberger Bauernbühne sowie der Haagthaler Bühne. Axel Meinhardt spielte neben der Rolle des Christian von Anhalt auch die des Statthalters von Amberg. Georg Lorenz verkörperte Abraham Scultetus, gleichzeitig Friedrich’s Hofprediger. Die Stadtwache von Amberg sowie die Knappschaftskapelle von Amberg, sowie verschiedene Stadt- und Landkreisbewohner fanden sich in Statistenrollen wieder.

Texte und szenische Konzeption unterlagen Erfolgsregisseur und Intendant Johannes Reitmeier (Pfalztheater Kaiserslautern), der im Übrigen grob betrachtet aus der Gegend um Amberg (ca. 100 km davon entfernt) stammt, genauer gesagt aus Kötzting. Die Ausstattung stammt von Antje Adamson. Die Musik entsprang aus der Feder von Roger Boggasch.

Wer aber war Friedrich V.? Er hat seinen Namen deshalb erhalten, da er schicksalsbedingt lediglich einen einzigen Winter als König von Böhmen regieren durfte. Sein Regierungsbezirk war neben Amberg auch Heidelberg. Am 24.8.1596 in Amberg/Neumarkt geboren, als Sohn des Kurfürsten Friedrich IV. und seiner Frau Luise Juliane von Oranien-Nassau. In Heidelberg verbrachte Friedrich V. lange Zeit, bevor er im Alter von nur 16 Jahren seine Verlobung mit Elisabeth Stuart einging. Sie war die Tochter von König Jakobs I. von England, Schottland und Irland, vormals König Jakob VI. von Schottland/ Irland und Königin Anna (v. Dänemark, Tochter des Dänenkönigs). Elisabeths Großmutter war Maria Stuart. Die Ehe brachte zwei Söhne hervor, den Kurprinzen Friedrich Heinrich (geb. 1614, gest. 1629) und Karl Ludwig (geb. 1618). Friedrich V. selbst starb im Alter von 36 Jahren an den Folgen der Pest.

Um was geht es inhaltlich in dem Musikschauspiel mit dem langen Titel „Der Herbst des Winterkönigs“? Die letzten Tage des Königs werden reflektiert. Hierbei prallen Wahrheit und Lüge, Gerücht und Tatsachen aufeinander. Durch das fahrende Theatergesinde werden Gerüchte und Lügen im Volk verstreut. Friedrich selbst ist es, der mehr oder weniger freiwillig dem Spektakel zuhören muss und versucht, die Wahrheit ans Licht zu bringen und Gerüchte und Lügen zu zerstreuen. Sein Kammerdiener Jan kann ihn nicht davon abbringen, sich zurück zu halten und so ist das tragische Ende des Königs schnell nahe. Was bleibt sind ratlose Gesichter. Erste Zweifel machten sich breit. Das Bewusstsein, sich kritisch mit Gerüchten und Unwahrheiten auseinander zu setzen und den Verstand einzusetzen, wenn es um das Leben und die Ansicht eines Menschen geht, beginnt in den Köpfen zu keimen.

Durch einen teilbaren Holzwagen, der als die Theaterbühne des fahrenden Volkes dient, trennt sich das gesamte Stück szenisch immer wieder. Die Gerüchte, die eben noch auf der kleinen Bühne stattfanden, werden in anfänglicher Erzählerform von Friedrich selbst, vom Gerechtigkeitssinn getrieben, vor der imposanten Treppe mit den „echten Figuren“ des Stückes fortgesetzt und somit die Tatsachenaufklärung demonstriert. Dies ist eine wahrlich interessante Möglichkeit, zwei Kulissen einzubinden und dennoch sehr gute Bühnenatmosphäre zu schaffen. Die Lichttechnik, die bei einem solchen Unterfangen einen wesentlichen Beitrag leisten muss, hat dies hier mit Bravour geschafft. Zusätzliche Requisiten wie Fackeln oder das Einbinden des Eingangstores der Mariahilfkirche selbst schafften einen beeindruckenden Effekt.

Mit Ironie und Witz aber auch einer guten Portion Sarkasmus spielen die Theaterleute auf den klapprigen Holzbrettern die Szenen aus dem Leben des Königs. Jürgen Huber gelingt es überzeugend den Spielansager zu mimen. Seine Stärke liegt unumstritten im Schauspiel. Auch die weiteren Protagonisten, die beispielsweise die Königin Elisabeth (Luise Schwarz), Friedrich (Nobert Altmann), Christian von Anhalt (Eduard Ströhl) oder Abraham Scultetus (Andreas Schönberger) spielten, waren schauspielerisch überzeugend und sehr bemüht, die Lieder motiviert gesanglich zu interpretieren.
Sehr bedauerlich, dass Andy Kuntz stimmlich angeschlagen war. Kein Wunder, denn der Kirchenplatz des Schaupiels bietet breite Möglichkeiten den kalten Wind bei noch eisigeren Temperaturen zuzulassen. Dennoch hat er seine Aufgabe wunderbar zur vollen Zufriedenheit ausgeführt. Gerade in den ruhigen Passagen konnte man Kuntz‘ weiche und ausdrucksstarke Stimme wieder erkennen und genießen. Sein Schauspiel war durchgehend überzeugend. Er trug auf jeden Fall maßgeblich zu einer gelungenen Inszenierung bei. Reinhold Escherl als Kammerdiener Jan zeigte Humor und Ernst wunderbar. Auch er kann schauspielerisch gut überzeugen und harmoniert mit Kuntz als Herr an seiner Seite. Stefanie Rhaue als Elisabeth liefert schauspielerisch ebenfalls durch das gesamte Stück hinweg eine tolle Leistung. Stimmlich ist sie wunderbar anzuhören. Einzig negativ auffallender Wehmutstropfen ist, dass sie in der höheren Mittellage im Gesang in eine Opernstimme wechselt und dadurch ein zu großer stimmlicher Kontrast entsteht, der keinesfalls stimmig ist und sogar eher durch die mittelmäßige Tonqualität dieser Freilichtbühne dröhnt, ja fast übersteuert klingt. An einigen Stellen schmerzt dies erheblich im Gehör, man sollte hier man auf jeden Fall noch ansetzen.
Die Musik (Roger Boggasch) ist schwer einzuordnen. Das große Duett des Königspaares ist allemal ein Ohrwurm, ebenso das Eingangslied, des Königs, das zum Ende wiederholt seinen Einsatz findet, geht ins Ohr. Dennoch, es sind Songs mit wenig eingängigen Melodien, die man teils verzweifelt als Zuhörer suchen mag. Die Rockelemente, die in den einzelnen Stücken immer wieder hervor lugen, harmonieren noch nicht ganz in dem Gesamtstück. Gegen Ende wirkt es etwas wie „evangelischer Kirchentag“, wenn das Volk euphorisch dazu klatscht. Interessant und passend hingegen wieder die mittelalterlichen Klänge, die dem gesamten Historienspiel einen guten Gesamteindruck verleiht.
Generell muss man sagen: das Konzept Laiendarsteller und Profis auf eine Bühne zu bringen scheint aufzugehen. Gekoppelt mit den Profimusikern der Band Vanden Plas entstand in Amberg ein Bühnenstück, das mit Charme und guter Qualität überzeugen kann. Liebevoll inszeniert und umgesetzt mit hochmotivierten Protagonisten durch die Bank weg, ist „Der Herbst des Winterkönigs“ eine schöne unterhaltsame Musiktheaterveranstaltung für einen Abend.

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