„Bin ich jetzt bei Tokio Hotel, oder was?“ Fragte eine Frau, die im Gedränge vor den Türen des Palladium Theaters in Stuttgart stand und schier zerquetscht wurde, als sich diese um 19.30 Uhr öffneten und die Konzertbesucher, vorwiegend Teenager, eilig ins Theater rannten um Plätze in den vorderen Reihen zu ergattern. Das Foyer des Theaters füllte sich rasch. Aber gänzlich besetzt wurden die Sitze nicht. Es hätten gut und gerne noch knapp 50 Personen Platz gefunden. Beim Verkauf der Tickets stellte sich im Nachhinein eine kleine unerfreuliche und völlig unverständliche Sache heraus. Konnte man im Internet die Plätze gezielt aussuchen, so stellte man verwundert beim Erhalt der Karte fest, dass „freie Platzwahl“ darauf verzeichnet war. Apropos Karte, ob man dem darauf vermerkten Werbetext Glauben schenken darf, sei jedem selbst überlassen. Leicht schwulstig heißt es darin: „ihre Stimmen sind einmalig- ihre Sinnlichkeit unübertrefflich…. Wer Willemijn Verkaik & Mark Seibert im Musical WICKED – Die Hexen von Oz erlebt hat, ist ihnen verfallen…“ Nun ja, lassen wir uns überraschen. Und dann ist da ja noch Lucy Scherer (Glinda aus „Wicked“) als Special-Guest angekündigt.
Was erwartete den Zuhörer bei diesem Konzert? Auf der kleinen Bühne waren zahlreiche Instrumente wie Klavier, Bass, Gitarre, Drums, Tenor- sowie Sopransaxophon, Kontrabass und einige Mikros aufgebaut. Recht schwungvoll startete das zweiteilige Konzert mit „Walking in Memphis“, gefolgt von „Everything“ von Michael Bublé. Die Mischung der Songs war interessant und abwechslungsreich ausgewählt. Mal Pop, mal Rock, mal Soul… eine Bandbreite, die sich durchaus hören lassen konnte. Die Stimmung während des gesamten Konzertes war konstant gut, wobei man irgendwo wesentlich mehr Euphorie und Begeisterung seitens der jungen Zuhörer erwartet hätte. Diese stelllte sich eher gegen Ende des ersten Konzertteiles ein. Zeitweise bekam man den Einruck, dass der Applaus etwas steif und verhalten rüberkam. Ein Highlight des ersten Konzertteiles dürfte „What it believes“ gewesen sein, das alle drei Sänger, Willemijn Verkaik, Lucy Scherer und Mark Seibert interpretierten. Gerade Lucy Scherer zeigte eine völlig neue Klangfarbe ihrer Stimme. Derart soulstark dürfte man die zierliche Glinda wohl noch selten erlebt haben. Spätestens aber „glindafiziert“ war man von ihr, als sie den Song „Thank you stars“ von Katie Melua sang. Wer Lucy kennt, weiß dass sie nie um ein Scherzchen verlegen ist. So musste Mark Seibert sie erinnern „Du bist dran!“ ihre Antwort, Lucy-like eben: „Ach jaaa, dann sag ich mal meinen Song an…!“ Ihre sympathische und quirlige Art war auf jeden Fall ein massiver Gewinn für diesen Abend und brachte immer wieder eine frische Brise in den Gesamtablauf. Verständlich, dass sie mit lautstarkem Applaus begrüßt und wieder verabschiedet wurde. War sie etwa der heimliche Liebling des Abends? Verständlich wäre es. Überhaupt war Soul im gesamten Konzert groß geschrieben. Wer Willemijn Verkaiks Stimme kennt, weiß, dass sie diesen Stil einfach perfekt und beeindruckend beherrscht. Dies bewies sie in zahlreichen Songs wie beispielsweise in „Once in my life“, wofür sie berechtigt starken Applaus erntete. Ein weiteres Highlight des Abends war ein Song, den Willemijn Verkaik für Mark Seibert ausgesucht hatte. Nachdem sie in Wicked Deutsch singen müsse, sollte ihr Kollege nun mal zur Abwechslung Holländisch singen. Seiberts Kommentar hierzu war schlicht: „Man versteht es vielleicht nicht, aber es klingt gut!“ Es muss gut geklungen haben, denn der jubelnde Applaus bestätigte, dass Holländisch auch in Stuttgart ankommt. Überhaupt, um Pointen ist Seibert nie verlegen, sehr zur Belustigung und Freude der Anwesenden. Er erheiterte die Besucher immer wieder mit kleinen Witzen und Anekdoten aus seinem Leben. Für ein weiteres Highlight sorgte Mark Seibert mit der Solo-Ballade „The glorious story“ im zweiten Konzertteil. Sehr gefühlvoll, musikalisch dezent unterlegt mit Piano und Gitarre hätte man Stecknadeln während seiner Interpretation hören können. Gerade die weiblichen Fans schmolzen sichtlich dahin. Für diese stimmliche Darbietung verdient er wirklich Respekt. Aber auch im Duett mit Lucy Scherer in „My Immortal“ zeigte Seibert eine gefühlvolle Stimme, die ihm wesentlich besser steht als Up-Tempo Nummern. Ein wunderschöner Song mit passend-tollen Sängern!
An dieser Stelle sei auf jeden Fall noch die Band erwähnt, die ihren Job wirklich hervorragend machte. Die Arrangements waren gut gewählt und die Auswahl der Instrumente passten zu jedem Zeitpunkt zu den Songs. Insbesondere sei Willemijn Verkaiks Mann erwähnt, der am Saxophon eine durchweg starke musikalische Begleitung bot. Gerade das Solo bei „What it believes“ stieß bei den Zuhörern auf große Begeisterung und stürmischen Applaus.
Mit drei Zugaben und viel guter Laune wurden die Besucher schließlich entlassen. Im Anschluss standen alle drei Sänger noch lange Zeit geduldig für Fotos und Autogramme zur Verfügung, bevor sich das Foyer allmählich leerte. Abschließend ist zu sagen, das Konzert war ein netter Einstieg für die Gastgeber in Richtung Pop- Rock Genre. Ob der Kartenpreis, der sich auf stolze 30,75 Euro belief, jedoch gerechtfertigt war, ist hierbei fraglich, gerade in Anbetracht, dass hier vorwiegend junge Zuhörer und Fans vertreten waren.