Zwischenbilanz bei „Sweeney Todd“ in München mit anderer Besetzung und Änderungen in der Inszenierung
Seit der Premiere im Februar im Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz hat sich Einiges getan. Abgesehen von der Besetzung, die sich abwechselt und man somit Vergleiche von Erst- und Zweitbesetzung ziehen kann ist es vor allem spannend, wie sich das Stück entwickelt hat.
An diesem 07.05.09 also präsentierte sich eine gemischte Cast, zwischen Firstcast und Secondcast. In der Rolle des Sweeney Todd sah man Gregor Dalal. Die schöne Johanna verkörperte an diesem Abend Milica Jovanovic, Richter Turpin wurde gespielt von Johannes Wiedecke. In die Rolle des Tobias Ragg schlüpfte Thomas Peters. Einige Rollen des Stückes sind einfach besetzt, wie die der Mrs. Lovett mit Marianne Larsen, Büttel Bamford (Dirk Lohr) oder Friseur Adolfo Pirelli (Mario Podrencnik). Der junge Anthony wurde wie schon an der Premiere von Julian Kumpusch gesungen.
Aufgrund auch dieser herausragenden Leistung der Sänger ist es einfach zwingend eine Rezension über diese zu schreiben.
Doch zunächst zu den Schauspielern, die bereits an der Premiere spielten. Hier ist eine große Entwicklung entstanden, die das Stück noch hochwertiger und sehenswerter macht. Mrs. Lovett alias Marianne Larsen hat auch schon am Premierenabend den größten und längsten, sowie donnernden Applaus erhalten. Auch an diesem Abend war sie der eindeutige Publikumsliebling. Ihr Schauspiel, der Witz, den sie in die Rolle bringt, gekonnt und sekundengenau Pointen setzt, verdient höchste Anerkennung und Respekt. Stimmlich weist sie Facetten in jede Richtung auf. Sie ist irrsinnig vielseitig einsetzbar und immer wieder zeigt sieÜberraschungen in ihrer Darstellung. Eine Diva im positivsten Sinne, eine gigantische Schauspielerin und Sängerin, deren Namen man sich merken muss.
An ihrer Seite stand als Sweeney Todd Gregor Dalal auf der Bühne. Er kann mit seiner Nebenbesetzung Gary Martin stimmlich sowie schauspielerisch absolute ebenbürtig mithalten. Hier ist es reine Geschmackssache, welcher Typ „Sweeney Todds“ dem vereinzelten Zuschauer besser zusagt. Dalal überzeugt wie Martin bis in die letzte Ecke des Theaters und kann die satirische Combo Mrs. Lovett / Todd mit Witz und Charme präsentieren. Eine bemerkenswerte Leistung.
Die schöne Johanna wurde von Milica Jovanovic verkörpert. Im Gegensatz zu Thérèse Wincent aus der Premierenbesetzung wirkt Milica wesentlich weicher, liebreizender und mädchenhafter. Auch hier ist es reine Geschmackssache, welcher Typ mehr anspricht. Schauspielerisch und Gesanglich kann Milica überzeugen. Ihre wahnsinnig hohe und komplexe Gesangspartie „Grünfink…“ singt sie mit Bravour ohne jegliche Unsicherheit in der Stimme. In ihrem Spiel kann sie den Wunsch nach Freiheit vielleicht einen winzigen Touch besser vermitteln, auch die kleinen Facetten zwischen Angst und Zweifel kommen ein wenig glaubhafter an. Ihr Zusammenspiel mit Julian Kumpusch als Anthony wirkt durchweg überzeugend. Man nimmt beiden das Liebespaar ab, das über beide Ohren ineinander verliebt ist. Julian Kumpusch liefert wieder einen gekonnten Job ab. An ihm passt einfach alles zu seinem Charakter und er wirkt egal ob mich Jovanovic oder Wincent harmonisch auf der Bühne.
Thomas Peters als Toby Ragg scheint einen komplett anderen Charakter auf der Bühne darzustellen als seine Alternativbesetzung. Sein Spiel lässt keinerlei Kritik zu. Gerade dieser Charakter, der eine große Entwicklung im Laufe der Geschichte durchmacht, erfordert einen hervorragenden Schauspieler, um jede Nuance glaubhaft und bemerkbar zu vermitteln. Der Schwerpunkt dieser Rolle mag wohl eher im Spiel als im Gesang liegen. Der Charakter ist einfach zu wichtig um ihn lediglich mit guter Stimme zu besetzen. Peters gelingt dies scheint es spielend diese Balace zwischen herausragenden Schauspiel und sehr gutem Gesang zu kombinieren. Er kann den kleinen Jungen, ohne Selbstbewusstsein, mit dem großen Wunsch nach Liebe und Aufmerkamkeit glaubhaft vermitteln. Der Zuschauer möchte diese „kleine“ Kreatur am liebsten an die Hand nehmen und führen. Eine durchweg überzeugende Figur, die auch gesanglich einiges zu leisten hat, gelingt Peters umzusetzen. Großes Lob und Anerkennung für diese Leistung.
Als Richter Turpin stand Johannes Wiedecke auf der Bühne. Im Gegensatz zu Martin Hausberg verleiht auch er dem Richter eine andere Darstellung. Während Hausberg das Widerliche und Abstoßende, sowie Lüsterne ein klein wenig mehr herausstellen kann, ist es Wiedecke, der den Charakter zwiespältiger spielt. Das Hin- und Hergezogen sein zwischen Moral und persönlichem Verlangen gelingt Wiedecke zweifelsfrei. Gesanglich ist er gleichwertig mit Hausberg. Auf jeden Fall ist auch er ein Schauspieler und Sänger, der die Rolle wunderbar interpretiert und eine tolle Leistung abliefert.
Büttel Bamfort, gespielt von Dirk Lohr und Adolfo Pirelli dargestellt von Mario Podrecnik waren bereits an der Premiere zu sehen. Bei Beiden kann man eine wesentliche Veränderung, eine Entwicklung der Rollen, feststellen. Dirk Lohr spielt noch verstärkter den hinterhältigen Büttel des Richters, dem jetzt gleich zu Beginn seines Auftrittes anzumerken ist, dass auch er ein Auge auf Johanna geworfen hat. Er kann seine geheimen Wünsche und seinen leichten sadistischen Hang zu Gewalt noch besser zur Geltung bringen und Ausdruck verleihen. Auch wenn die Rolle nicht unbedingt zu den sympathischsten des Stückes gehört, er kann diese überzeugend darstellen und erntet dafür großen Applaus. Adolfo Pirelli als Mooshammer-Double ist schon aufgrund seines Erscheinungsbildes ein Lacher fürs Publikum. Seine leicht näselnde Stimme setzt Podrecnik gekonnt ein. Wenn er dann noch sein „Es ist ja ein Traum!“ ins Publikum schleudert, gibt es für die Lachmuskeln kein halten. Bedauerlich, dass er sein Leben so früh im Stück lassen muss. Die gesangliche und schauspielerische Leistung kann sich wirklich sehen lassen.
Waren der Premiere und Generalprobe noch dezentes aber durchaus hörbares Entsetzen im Publikum zu hören, wenn das Blut mal wieder quer über die gesamte Bühne spritzte und am Ende lediglich Mrs. Lovett zwischen einem Berg Leichen übrig bleibt. Hier also hat man das Ende, dem Urstück zugute kommend, verändert. Wer also in dieser „neuen Fassung“ stirbt und überlebt wird an dieser Stelle nicht verraten. Das sollten sich die Zuschauer selbst ansehen, aber soviel sei verraten: es ist spannend. Für Kinder und junge Jugendliche war die alte Fassung wohl weniger geeignet. Nun also kann man getrost die „Jugend“ am Leben des Theaters beteiligen und Kultur vermitteln. Gratulation zu dieser Entscheidung!
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