Gute 15 Monate hat sich das schwarze Humor-Musical „Sweeney Todd“ in München am Staatstheater am Gärtnerplatz gehalten, seit es am 20. Februar 2009 seine Premiere feierte. Nun öffnete sich am 1. Juni 2010 zum letzten Mal der Vorhang für das barbarische Bühnenstück. Das Theater war so gut wie ausverkauft. „Sweeney Todd“ schien seine Anhänger in der bayerischen Landeshauptstadt gefunden zu haben.
Die Entwicklungen, die sich seit der Premiere eingespielt hatten, haben sich allesamt zum Positiven verändert. Lange spritzt nicht mehr das Blut quer über die Bühne, auch wenn im gleichnamigen Kinofilm mit Johnny Depp dies recht dramatisch ausgespielt wird. Trotz dieser Einsparung verfehlt das blutrünstige Treiben auf der Bühne keinesfalls seine Wirkung.
Ein motiviertes Team aus Solisten, Chor, Orchester und Ballett spielte sich gekonnt und überzeugend in die Herzen des Publikums.
Herausragend mit seinem tiefen und vollen Bariton war Gary Martin als Sweeney Todd. Er überzeugte durch Gesang und Schauspiel, fand perfekt die Balance zurück zum britischen, schwarzen Humor und so gelang es ihm in dieser Mischung trotz der blutrünstigen Figur zum charismatischen Publikumsliebling zu avancieren. Auch seine Spielfreude an der Rolle war noch immer klar erkennbar.
An seiner Seite Marianne Larsen als Mrs. Lovett. Sie kokettiert gekonnt auf der Bühne mit ihrem „Schatzi“ Todd. Auch das Publikum reißt sie mit ihrem Elan und ihrem quirligen Temperament mit. Die schweren und raschen Gesangspassagen meistert sie spielend und begeistert schlicht rundum. Und nicht zu vergessen: Sie sorgt ausreichend für die Lacher des Abends.
Als Anthony Hope trat Julian Kumpusch auf. Kumpusch verfügt über einen vollen und reifen Tenor, im Gegensatz zu seinem Filmkollegen, der dann doch oft zu jüngelhaft und dünn rüberkommt. Sein Schauspiel entwickelte sich wesentlich angriffsfreudiger und so tritt er beispielsweise Büttel Bamford selbstbewusster entgegen und zeigt damit eine gute Entwicklung seines Charakters.
Martin Hausberg verkörpert den zweifelhaften Richter Turpin. Er spielt wohl vom Rollencharakter her nicht gerade den seriösen und sympathischen Mann in dem Stück. Noch immer sorgt die Szene der Selbstkasteiung, wenn er sein Mündel, die junge Johanna, begehrt für leichte Beklemmung im Publikum. Gerade deshalb aber mag es eine tolle Leistung sein, dies so überzeugend darzustellen.
Johanna selbst wird von Milica Jovanovic gesungen und gespielt. Sie verfügt über eine glasklaren, kräftigen und ausdrucksstarken Sopran. Ihre liebreizende Gestalt unterstreicht den unschuldigen Charakter der Johanna. In der Szene „Küss mich“ mit Julian Kumpusch kann sie schauspielerisch überzeugen, dass sie in Anthony ihre Liebe gefunden hat.
In den weiteren Rollen sind Dirk Lohr als leicht sadistischer Büttel Bamford zu erleben. Man spürt eine leichte Gänsehaut des Unwohlsein, wenn er die Bühne betritt, so überzeugend ist er. Frances Lucey als Bettlerin hat immer wieder kleinere Auftritte, dennoch vergisst man sie nicht. Ihr klägliches Jammern über ihr Schicksal überzeugt und zeigt ein gutes Schauspiel. Thomas Peters in der Rolle des Tobias Ragg ist witzig und schräg zugleich. Der bedauernswerte „Junge“ spielt sich gelungen im Laufe des Stückes vom schüchternen und verschreckten Friseurgehilfen Pirellis zum selbstbewussten und gefühlsbetonten „Pflegesohn“ Mrs. Lovetts. Adolfo Pirelli wird von Mario Podrecnik verkörpert. Eine Erinnerung aufgrund seines Erscheinungsbildes und Akzents an Rudolf Mooshammer wird auch hier schnell hergestellt und positiv vom Publikum aufgenommen. Schade eigentlich, dass dessen Leben so rasch enden muss. Als Letzter in der Solistenriege reiht sich Florian Wolf als Jonas Fogg ein, der ebenfalls wie die anderen Darsteller das Publikum mit seinem Gesang und Schauspiel begeistern konnte.
Unterstrichen von einem stimmstarken Chor und den Tänzern (Susanna Schwarz, Ljuba Avvakumova, Volker Michl) in Begleitung eines homogenen Orchesters gelang es dem Staatstheater eine gelungene Derniere zu präsentieren. Glückwunsch zu einem tollen Stück, das ein anspruchsvolles Niveau aufweist und dennoch so spielerisch gemeistert wurde.
Am Ende kann man sagen, dass die Stimmung im Publikum an diesem Dernieren-Abend sehr gut war. In der Pause sah man rundum zufriedene, sowie positiv überraschte Gesichter. Bedauerlich, dass das Stück nun abgespielt ist. Man kann hoffen, dass es nicht in der Schublade verschwindet, sondern seinen Weg in einer anderen Saison wiederfindet.