Das Musical „Rocky Horror Show“ stammt aus der Feder von Richard O’Brien und feierte am 16. Juni 1973 am Royal Court Theatre Upstairs (die Studiobühne des Royal Court Theatres) in London Premiere. 1975 folgte dann die erfolgreiche Verfilmung „The Rocky Horror Picture Show“ in den Kinos.
(Quelle: Wikipedia) In einer regnerischen Novembernacht sucht das frischverlobte Paar Brad Majors und Janet Weiss nach einer Reifenpanne Hilfe bei den Bewohnern eines nahe gelegenen Schlosses. Doch statt der erhofften Gelegenheit zum Telefonieren begegnet ihnen hier reichlich Unerwartetes: Der exzentrische außerirdische Wissenschaftler Dr. Frank N. Furter vom Planeten Transsexual aus der Galaxie Transylvania präsentiert seinen Mitbewohnern in dieser Nacht seine neueste und bisher größte Schöpfung, das blonde und muskelbepackte Retortenwesen Rocky, das er in erster Linie zu seinem – auch sexuellen – Vergnügen erschaffen hat. Brad und Janet werden unfreiwillig Zeugen dieser Enthüllung. Im Verlauf der Handlung wird Rocky geboren, verliert seine sexuelle Unschuld, erleidet durch Untreue seines Schöpfers Eifersuchtsqualen und stirbt. Währenddessen werden die rigiden Wertvorstellungen des Liebespaares durch den Transvestiten Dr. Furter herausgefordert, der beide täuscht und verführt. Schließlich ruft Frank N. Furter durch seine Unmäßigkeit (zur Erschaffung von Rocky scheute er zum Beispiel auch nicht vor dem Mord an seinem Ex-Geliebten zurück) eine Revolte hervor, die in seiner Entmachtung und Tötung und der Rückkehr der übrigen Aliens auf ihren Heimatplaneten gipfelt, während Brad und Janet gerade noch einmal davonkommen.
Das Velodrom in Regensburg feierte am 26.01.2011 erfolgreich Premiere. Das Stück ist dort bis zum 26.06.2011 zu sehen. Für die Inszenierung ist Axel Stöcker zuständig, die überzeugend und spannend beim Publikum ankommt. Manche Szenen sind zwar nicht so wirklich verständlich, bzw. lustig, aber abgesehen davon ist die Show gut gelungen. Die Choreographien stammen von Amy Share-Kissiov und sind in manchen Szenen besonders humorvoll und einfallsreich gelungen. Dagegen muss man eine große Enttäuschung erleben, wenn man hierzu das Bühnenbild und die Kostüme von Hannes Neumaier betrachtet. Die Band besteht aus folgenden Musikern musikalischen Leitung von Gelsomino Rocco (Keyboards), Ulli Forster (Piano), Dirk Pätzold (Drums), Robert Prill (Gitarre) Möpl Jungmayer/Christoph Hörmann (Saxophon), Ralf Funk (Bass). Viel Schwung und Power gelingt den sechs Musiken in den rund zwei Stunden der Show.
Kommen wir noch einmal zu den Kostümen zurück. Lediglich die Figur Frank N. Furter erweist das ganze Stück hindurch eine glaubhafte und glamouröse Erscheinung. Vom ersten Auftritt bis zur letzten Szene variiert sein Aussehen und kann überzeugen. Riff Raff, Magenta und Columbia können sich, stark angelehnt an die Verfilmung, ebenfalls sehen lassen. Das Ensemble hingegen kommt kostümtechnisch eher einem ausgereiztem Fundus nach. Leder und Lackklamotten, ein paar Punk- bzw. Glatzenperücken und Federboas in rot und schwarz zieren die Tänzer und Schauspieler. Desweiteren steckte man sie allesamt einfach in Strapse, fertig waren die Kostüme. Hier fehlt schlicht die Kreativität, hier und da ein Eyecatcher und vor allem aber mehr bizarre Extravaganz.
Doch die Bühne soll dies noch toppen. Lediglich zwei drehbare Elemente, zeigen eine weiße Treppe mit schlichtem weißen Geländer, darüber baumelt völlig unpassend eine Lichtbrücke im gusseisernen Look, die eher zur Requisite aus „My fair Lady“ stammen könnte. Hier passt das Moderne mit dem gewollten Alten, das wohl das alte, zerfallene Schloss symbolisieren soll, einfach nicht zusammen. Die Treppen drehen sich, was dann erscheint sind blau-grünliche Fliesen, die das Labor des Frank N. Furter darstellen. Ein paar aussagelose Plakate hängen an diesen Wänden. Hier liegt es nun gewaltig an der Lichttechnik aus dieser mehr als einfachen Bühne Atmosphäre und Effekte heraus zu kitzeln und Spannung zu erzeugen. Dies ist zum Glück gelungen.
Schon beim Betreten des Velodroms kann man sofort erkennen, hier erwartet den Zuschauer kein „geschmeidiger“ Theaterabend. Hier laufen auffällig sehr aufreizende Figuren mit kurzen Röcken, in Strapsen und hohen (Lack-)Stiefeln bekleidet auf und ab. Manche tragen bunte Perücken, Federboas in allen Farben und hier und da sieht man eng geschnürte Ledermieder. Bei anderen zieren kleine Papphütchen die Köpfe. Ausgestattet sind diese Kreaturen mit Reistütchen, Toastbrot, Toilettenpapier, Zeitungspapier…
Wer es noch immer nicht weiß, die Rocky Horror Show ist eine richtige „Mitmach-Show“ für das Publikum. So wird beispielsweise bei der Verlobungsszene von Janet und Brad Reis auf die Bühne und ins Publikum geworfen. Als diese im Regen das Schloss finden, hält man sich legendär Zeitungspapier über die Köpfe, … oder Toilettenpapierrollen fliegen kreuz und quer durch den Saal, als Frank N. Furter sein geschaffendes, „perfektes Werk“, die Figur Rocky, aus Leinentüchern wickelt. All dies kennt der geübte Rocky-Besucher. Besonders gewitzt ist hierbei Frank N. Furter‘s Kommentar, als er am Geburtstag von Rocky einen Toast auf dessen Existenz aussprechen will und die Schauspieler auf der Bühne von mehr als zahlreichen Toastbroten fast erschlagen werden: „Ich habe gesagt EINEN Toast… – und wenn dann nur mit Obatzem!“ Großes Gelächter folgt! (Woher kommt die Erklärung „Spricht jemand einen Toast aus“? Auf diese Aussage hin heben alle anwesenden Gäste ihre Gläser und stoßen an. Die Antwort findet sich im England des 19. Jahrhunderts. Damals gab es unter den Lords die Sitte, ein Stück geröstetes Brot in den Wein zu geben, damit er besser schmeckt. Bis heute hat sich daher der Ausdruck gehalten, wenn man auf etwas anstoßen will.)
Die Rocky Horror Show zeigt so ziemlich alle Stimmungen, die man in ein Stück packen kann. Schon zu Beginn stimmen Magenta und Columbia auf ein buntes und schrilles Spektakel im Prolog ein. Im Laufe der Show will man mittanzen, singen (was einige im Publikum lautstark tun, nicht immer zur Freude von den Sitznachbarn!!!) und mitswingen. Von Fröhlichkeit bis überzogener Heiterkeit, über Hysterie, Größenwahn, Selbstverliebtheit sind alle Charakterzüge enthalten. Zügellose Leidenschaft und Untreue dürfen selbstredend nicht fehlen. Trauer, Melancholie und großes Drama ist auch präsent, sowie die Überraschung am Ende, dass sich jeder zu Handlungen hinreissen lässt, wo er vielleicht nie gedacht hatte hierzu fähig zu sein. All diese Entwicklungen und Stimmungen zeichnen die Rocky Horror Show aus.
Kommen wir zu den Schauspielern/Sängern in der Reihenfolge der Auftritte in der Show.
Gabriele Fischer als Magenta ist optisch, schauspielerisch und auch gesanglich rundum gelungen. Sie zeigt unverkennbar die hinterhältige Komplizin Riff Raff’s, und dennoch spielt sie überzeugend eine loyale Dienerin vor Frank N. Furter. Ob sanft, richtig fies oder dreckig, ihre Stimme zeigt Variationen. Mit ihrem Schauspiel kann sie eine eigene Magenta-Figur entwickeln und weicht dennoch von der Grunddarstellung des Charakters und der Darstellung der Filmkollegin Patricia Quinn nicht ab. Eine tolle Leistung.
Johanna König als Columbia kann leider rundum wenig überzeugen. Dünn, unsicher in der hohen Stimmlage vergreift sie sich leider immer wieder in den Tönen. Das Kostüm mag über so manchen Fehler hinwegtrösten, dennoch wirkt sie an der Seite von Gabriele Fischer blass. Schauspielerisch kommt sie zwar gut rüber, dennoch geht ihr mehr individueller Charakter ab. Und auch tänzerisch kann man sicher noch mehr aus der jungen Darstellerin herausholen.
Michael Heuberger als Erzähler muss sich den gefakeden „Boring-Rufen“ des Publikums tapfer widersetzen. Ohne seine Erzählungen wären gerade Erstbesucher wohl leicht überfordert, die Handlung und deren Abläufe zu verstehen. Er macht seinen Job durchgehend gut und wenn er auch keine speziellen Songs hat, so bekommt er auf der Bühne stets Beachtung und verdienten Applaus am Ende.
Cameron Becker als Brad Majors ist eine große Überraschung. Im Gegensatz zu seinem Filmkollegen Barry Bostwick verfügt er über eine kraftvolle und ausdrucksstarke Singstimme. Sein Schauspiel ist ebenfalls überzeugend. Das Gesamtpaket Brad passt. Selbst wenn er mit Frank N. Furter im Bett „zugange ist“, kann er seine gute, brave Kinderstube mit der überherrschenden Gier nach Lust überzeugend herrlich-verzweifelnd rüberbringen. Besonders witzig präsentiert er die Szene, als er in Unterhemd und Unterhose, hoch gezogenen karierten Kniestrümpfen und Halbschuhen mit einer Ukulele ein Klagelied im Swingstil von Elvis Presley performed. Hier fließt der Speichel und Schleim nur so… bevor er in eine Nummer übergeht, in der er seine Ukulele als eine E-Gitarre „umfunktioniert“ und eine Hardrocknummer zum Besten gibt.
Julia Baukus ist als Janet niedlich anzusehen. Ihre Art zu spielen und zu singen ähnelt der Filmkollegin Susan Sarandon exorbitant. Wenig Kreativität zeigt sie dadurch. Man erkennt nicht, dass sie einen eigenen Charakter geformt hat, der dennoch ganz janetlike überzeugen kann. Jeder Atemzug, jedes „Weinerliche“ in der Stimme beim Singen / Sprechen sitzt wie bei Sarandon. Ihre Veränderung von der verklemmten Verlobten zur lustvollen Geliebten kann sie dennoch glaubhaft präsentieren. Tänzerisch und schauspielerisch gibt es keine Kritik anzumerken.
Michael Berner als Riff Raff ist optisch, schauspielerisch und gesanglich eine perfekte Besetzung des bizarren Dieners. In „Time Warp“ schwingt der ganze Saal und ist bereit jede Sekunde aufzuspringen und mitzutanzen. Seine Stimme zeigt Kraft, Individualität und überzeugt. Man will mehr von ihm hören. Er tanzt und spielt sich rasch in die Herzen und wird schnell zu einem der großen Publikumslieblinge. Kein Wunder. Am Ende, als das wahre Gesicht durch das beständige Streben nach Macht sichtbar wird, nimmt man ihm sein Vorhaben, seinen Plan Frank N. Furter zu stürzen, vollkommen ab. Wahrlich sehr gut gelungen!
Randy Diamond als Frank N. Furter ist schon ab der ersten Sekunde seines großen Auftritt auf der Bühne der Hingucker. In „I’m just a sweet Transvestite“ überzeugt er mit Takt Eins das Publikum. Seine Stimme passt gänzlich zum Spiel und Tanz. Die vielen Sprechpassagen sind für den geborenen Amerikaner sicherlich nicht einfach, dennoch, man versteht ihn problemlos und er kann die Witze und Pointen grandios ins Publikum schleudern. Dass er nicht nur berechnend, fies und sexgierig ist, sondern auch eine weiche und gefühlvolle Seite hat beweist er am Ende in „Don’t dream it, be it“. Randy Diamond spielt nicht nur Frank N. Furter, er IST Frank N. Furter und es ist nicht übertrieben wenn man sagt, er kann sich Tim Curry messen.
Markus Hamele als Rocky hat eine verhältnismäßig kleine Rolle, die er dennoch weiß auszuschöpfen. Er spielt im Gegensatz zu Peter Hinwood nicht den unschuldigen, leicht dümmlichen und verunsicherten Rocky. Er verkörpert eine Kreatur, die ihre Perfektion sofort erkannt hat und mit Reizen nicht geizt. Dies kommt vor allem bei der zunächst sehr schüchternen Janet an, die mehr und mehr Gefallen an ihrem zweiten Ich findet und sich so richtig mit Rocky verausgaben kann. Gesanglich und tänzerisch stellt Markus Hamele einen gut gebauten und überzeugenden Rocky dar.
Markus Engelstädter als Eddie ist bekannt als die Pflanze in „Der kleine Horrorladen“, im Velodrom 2009 gespielt unter der Choreographie von Randy Diamond. Er verfügt über eine richtig kräftige und wiedererkennenswerte Rockstimme. Engelstädter gibt neben dem Theater zahlreiche Solo-Rockkonzerte und ist den Regensburgern kein Unbekannter. Seine prägnante Rockstimme brilliert und lässt den Saal kochen. Mit seinem „Hot Patootie“ rockt er auch den letzten Zuschauer vom Hocker. Wie bedauerlich, dass er unmittelbar nach seinem ersten und einzigen Auftritt schon von Frank N. Furter umgebracht wird. Dennoch, am Ende, zur Zugabe kann man ihn noch einmal erleben und darf der unverkennbaren Rockstimme lauschen.
Miko Greza als Dr. Everett Scott hat wie der Erzähler auch, nicht gerade die dankbarste Rolle des Stückes. Dennoch kann auch er mit seinen Auftritten die volle Aufmerksamkeit des Publikums gewinnen. Nach wie vor ist die Szene, in der er sich seiner Hose im Rollstuhl entledigt und Strapse sowie rote Damenlackschuhe zum Vorschein kommen, der Publikumsbrüller. Mit Jonathan Adams aus dem Film kann man ihn durchaus in seinem Witz und Charme vergleichen.
Das Ensemble (Johannes Aichinger, Esther Baar, Lena Biehler, Petra Fierlbeck, János Kapitány, Gerrit Korsch, Emely Kummer-Hardt, Tamás Mester, Katharina Michelson, Theresa Michelson) ist leider nicht immer synchron. Es fehlt sichtlich an Enthusiasmus, Spiel- und Tanzfreude. Etwas einstudiert und herunter getanzt wirkt es an manchen Stellen. Hier sind es eher die Hauptdarsteller, die die Hüften bis zum Exzess schwingen und mitreißen.
Am Ende lässt sich sagen: die Rocky Horror Show im Velodrom in Regensburg mag nicht die opulenteste Inszenierung sein, dennoch überzeugt sie in erster Linie durch die männlichen Darsteller und Sänger, die die Show wirklich zu einem Ohrenschmaus machen. Und außerdem, wann darf man sich schon mal in einem Theater derart aufführen, dass man mit Dingen herum werfen kann? Mit einem Ticketpreis von 7,50 € bis 52 Euro liegt die Inszenierung im normalen Preissegment.
Marina C. Bunk, 06.02.2011