Reduce to the Max – ein unkonventioneller Abend mit hohem Niveau!

Wenn die „Liebe“ am Ende die Symptomatik einer psychischen Krankheit aufweist, endet das unweigerlich in „Das Tagebuch eines Frauenarztes“

Thomas Peters Geoffrey AbbottWas ist das für ein Programm, das Schauspieler Thomas Peters und Musiker Geoffrey Abbott an einem eisigen Januarabend im Parktheater im Kurhaus Göggingen präsentieren? „Reduce to the Max“ …. reduziert aufs Maximum… die Essenz des Gesamten… das Minimalste… Man schnappe sich einige Songs aus der neuesten Popgeschichte und reduziere dessen musikalische Umsetzung, die für eine fünfköpfige Band gedacht ist,  und arrangiere- reduziere-  sie um. Was bleibt: eine Partitur für einen Flügel und die Hauptstimme. Kann man damit ein Theater und einen ganzen Abend bestreiten? Man kann.

Der Abend war gefüllt mit schönen Melodien, netten und teils witzig-skurrilen Geschichten vorgetragen von zwei herausragenden Protagonisten: Schauspieler und Sänger Thomas Peters, und Musiker Geoffrey Abbott am Flügel. Zu Peters ist zu sagen, wieder einmal bestätigt es sich, dass er nicht umsonst im Jahre 2004 zum Schauspieler des Jahres in Augsburg ernannt wurde. Heute ist er festes Schauspielermitglied am Staatstheater am Gärtnerplatz im München. Dort ist auch Geoffrey Abbott zu finden, der den Augsburgern ebenfalls ein großer Begriff ist. Lange Zeit war er musikalischer Leiter am hiesigen Stadttheater. Beide „Lokalmatadoren“  haben also den Weg zurück in „heimische Gefilde“ gesucht um dem Augsburger Publikum, das sich, den Besucherzahlen entsprechend, scheint‘s nicht erst locken ließ, einen ruhigen, schönen, klangvollen und entspannenden Abend zu bieten.

Thomas Peters Geoffrey AbbottWer Peters kennt weiß, dass er es nicht lassen kann bei aller Ernsthaftigkeit nicht auch den ein oder anderen Witz los zu lassen. Und so trafen die bedacht eingesetzten Pointen ihr Ziel und das Publikum war begeistert. Gleich zu Beginn versucht er anschaulich zu erklären, was er mit „Reduziert aufs Maximum“ meinte. Mit Witz erklärt er Folgendes: Man nehme die entscheidende Essenz aus einem Lied heraus, so dass am Ende eine Partitur lediglich für Gesang und Piano  steht. Man könne dies zweifelsfrei auch ohne Text und Piano tun, geht Peters einen Schritt weiter.  Er betont, dass hierzu nur ein Fußballfan imstande ist. Der Fußball EM Titel „Seven nation army“ von The white stripes wurde hierfür als Idealbeispiel verwendet. Peters imitiert einen grölenden, fortgeschritten angeheiterten Fußballfan, indem er einsilbig, mit grobem Wiedererkennungswert die Melodie des Liedes herunter lallt. Im Anschluss grübelt er laut vor sich hin, „dass dies dann aber wohl der letzte mögliche Schritt ist- eben das Maximum an Reduzierung…na ja!“ Das Publikum hingegen reagiert sichtlich und hörbar erheitert über diese Demonstration.

Es wechselten sich also diverse Songs von beispielsweise Coldplay, Linkin Park, Tunning, I am Kloot, Mia, Sugababes, Portishead, Stiller Has, den Fantastischen Vier oder Radiohead u.v.m. mit Überleitungen in Form von kleinen Geschichten und mehr oder weniger persönlichen, aber sehr unterhaltsamen Anekdoten ab und rundeten somit den abwechslungsreichen und sehr atmosphärischen Abend ab.

Thomas Peters Geoffrey AbbottPeters, er sagt oft aus, dass er sich selbst nicht so sehr als Sänger sieht, dennoch spielt er diverse Instrumente selbst oder verkörpert neben gängigen Schauspielstücken in Musicals oder Operettenstücken die verschiedensten Rollen. Er stammt jedoch schwerpunktmäßig aus dem Schauspielfach und bewies mit diesem Abend zweifelsohne, dass er der ideale Mann der sanften Töne ist. Deutschpop steht ihm hervorragend, genauso wie englische Songs. Balladen beherrscht er genauso überzeugend wie einen Rap. Der Mann ist vielseitig. Die Institution Kurhaus liefert für diesen Abend einen passend gewählten Rahmen. Im Hintergrund der Bühne projiziert er zu jeden Song ein Bild bzw. eine kurze, sehr ruhige Fotoanimation, die nicht ablenkt aber auch nicht provokant im Vordergrund wirkt. Das Duo Peters-Abbott benötigt auch keine Aufwärmphase um seine Zuhörer zu gewinnen. Gleich mit dem ersten Song „World in my eyes“ von Depeche Mode leiteten sie den Abend ein. Es ist unglaublich, mit welch weicher und ausdrucksstarker Stimme Peters die Zuhörer zu  träumen beginnen lässt. Die Texte, teils kritisch von Peters seziert, tun dieser Träumerei keinen Abbruch. Eher noch, sie verleiten dazu seine persönliche Anschauung einiger Dinge zu überdenken. Und Abbott? Mit seinem herausragenden Klavierspiel betont er noch um einiges mehr gekonnt und überzeugend die Songs und Interpretation Peters. Überhaupt, was dieser Mann im Laufe des gesamten Abends aus einem „schlichten“ Flügel herausholt ist unfassbar. Das muss man gehört haben.

Thomas Peters Geoffrey AbbottThomas Peters Geoffrey AbbottHumorisches Highlight des ersten Teiles war mit Sicherheit der Song „Sponsoren“ von Christoph & Lollo. Auf die witzige Art versäumte es Peters nicht, auf die Suche nach Diesen zu gehen. Zuerst „echauffiert“ er sich gespielt ein bisschen, später wird er mutiger und bewirbt unaufhaltsam die eigene Show in dem Song. Er betont auf ironische und zynische Weise, wie sich jeder mit Sponsoren nur so tapeziert und welche Macht  und Reiz so ein Geldgeber auf uns hat. Er wirbt also, was das Zeug hält bis sie „Hals über Kopf“ in Werbeträgern versinken (s. Bild). Die Botschaft: das Wesentliche kommt nicht mehr wirklich zum tragen. Ein versteckter Hinweis? Ein Apell an die heutige Vorgehensweise sich zu vermarkten? Die Projektion im Hintergrund löst so manchen Lacher im Publikum aus. Auch Abbott, der am Flügel für den Chor stehen muss und wie ein Echo das Wort „Sponsoren“ einwirft, bringt die Besucher zum Lachen. Peters läßt es sich nicht nehmen, Abbott am Flügel zu unterstützen und zur großen Freude und Begeisterung des Publikums spielen die Beiden das Stück gegen Ende vierhändig. Einfach genial, dieses Duo! Das Ganze wird am Ende damit gekrönt, indem Abbott Peters einen grauenvoll schmeckenden Energydrink reicht – mit dem Text – „da musst Du jetzt durch“. Zunächst beginnt er fast mit Würgen, dann aber „bemerkt er das Publikum,  setzt eine freudestrahlende Mimik auf und bewirbt dieses „leckere Getränk“.  Job ist schließlich Job!

Thomas Peters Geoffrey Abbott Thomas Peters Geoffrey AbbottDer zweite Teil befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Liebe. Dementsprechend ruhige Lieder fanden sich zusammen. Die Texte mal nachdenklich, mal witzig wechselten sich ab und auch hier brachte Peters einen Publikumsbrüller, indem er eine Definition von „Liebe“ aus dem Wörterbuch zitierte, die zunächst mit Worten wie starke Zuneigung, Vertrauen, Verbindung, etc. begann und schließlich damit endete, dass „Liebe“ auch gegen Ende die Symptomatik einer psychischen Krankheit aufweisen kann. Er erzählte, dass er über die Weihnachtsfeiertage bei Verwandten zu Besuch war und dort im Bücherschrank gestöbert hätte. Ihm wurde da erst bewusst, wie viele Buchtitel rund ums Thema Liebe gingen: Eindeutige, Doppeldeutige, Mehrdeutige, Schlichte und beinahe Derbe oder Erotische… alle möglichen Varianten. Die Titel endeten dann letztlich mit „Das Tagebuch eines Frauenarztes“… ist da noch etwas hinzuzufügen? Als Antwort bekam er von allen Seiten begeisterte Lacher…

Thomas Peters Geoffrey AbbottEs ist schon amüsant und sehr unterhaltsam wie Peters Geschichten weiß zu erzählen. Er schafft es sein Publikum mit zu reißen, zu bannen und in keiner Sekunde kommt im Laufe des gesamten Abends auch nur eine Spur von Langeweile auf.

Weiterer Lacher des Abends ist das Lied der Ärzte „Die Allerschürfste“, darin singt er zunächst in einwandfreiem Berlinerisch später geht er in Schweizerdeutsch über. Seine Komik dazu unschlagbar … witzig!

Zu Augsburger Zeiten trat das Duo schon mit einer Version von „Shockheaded Peter“ mehr als erfolgreich vor ständig ausverkauftem Haus auf. Derzeit wird das Programm im Staatstheater am Gärtnerplatz gespielt. Aus diesem Stück wurde als Zugabe die Geschichte von „Robert mit dem roten Regenschirm“ gespielt. Es erinnerte wohl den ein oder anderen Besucher an vergangene, tolle Besuche im Stadttheater in Augsburg und wurde begeistert aufgenommen.

Ein perfekter und sehr niveauvoller Abend ging zu Ende, der nicht nur nach Weihnachten oder in einer besonders „ruhigen Zeit“ empfehlenswert ist. Nein, auch zuvor oder generell um zur Ruhe zu kommen, ist diese gelungene Einlage eine willkommene Abwechslung. Sie beweist, es bedarf nicht immer großer und knalliger Bühnenstücke, opulenter Bühnenausstattung, pompöser Kostüme oder lauten Songs mit großem Orchester um Erfolg zu haben… Ideal ist „Reduce to the Max“ in dieser doch recht hektischen und showlastigen Theaterwelt.

Marina Christiana Bunk, 11.1.2009

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