„In traumwandlerischer Sicherheit wandert „La Belle Bizzare…“ über den schmalen Grat von der ekstatischen Komödie, unterhaltsam und frivol, hin zur emotional überbordenden Love Story, um schließlich als beinahe epische Tragödie zu enden… (aus dem Programmheft)
Die Handlung: Die junge Fatime, Kurtisane des berühmten Pariser Nachtclubs Moulin Rouge, ist schwer an der Schwindsucht erkrankt. Sie wehrt sich zunächst gegen ihre Gefühle, verliebt sich dennoch in den jungen Adelssohn Armand, ohne es ihm zu gestehen. Die Zeit vergeht und das Moulin Rouge hat wirtschaftlich zu kämpfen. Eine neue Show inklusivem Financier muss rasch her. Toulouse-Lautrec sieht in Armand den idealen „Retter“ des MR. Der Vater Armands ist die „Beziehung“ seines Sohnes zu dieser Kurtisane selbstverständlich ein Dorn im Auge. Er hat längst bemerkt, dass diese Affäre ernst geworden ist und so setzt er alles daran, Fantime zu beeinflussen, damit sie sich von seinem Sohn trennt. Als sie seinem Rat zum Schutze Armands auch befolgt, bleibt Armand mit gebrochenem Herz zurück. Als das MR seine neue Show präsentiert, bricht Fantime an der Premiere zu Tode geschwächt zusammen. Gerade noch rechtzeitig schafft es Armand zu ihr zu eilen. Endlich gesteht sie ihm seine Liebe… und stirbt schließlich in seinen Armen.
Der ellenlange Titel erfordert so manchen Zungenbruch, will man das Musical nur mal schnell aussprechen. So lange der Name ist, genau so diskutiert ist das Stück. Die Meinungen könnten nicht unterschiedlicher sein. Während sich die einen Besucher wunderbar unterhalten fühlten sind es Andere, die leicht irritiert bis „Can-Can“-genervt das Theater verlassen. Aber es ist wie bei allen Stücken, die den Weg auf die Bühne finden. Im Gegensatz zu seinem „Kollegen“ aus Stuttgart (MFJ hat im Januar über „Moulin Rouge Story“ berichtet) sind es in dieser Fassung die Songs, die hier ins Gehör gehen. Nebst dem Showhit „Moulin Rouge“ sind es die textgeänderten Versionen von „Show must go on“, „ I will survive“, „Diamonds are the girls best friend“, oder „I will always love you“, die sofortige Sympathie beim Zuhörer auslösen. In Stuttgart konnte man musikalisch wenig Zugang geschweige denn Ohrwürmer finden. Dennoch störte es in München im Deutschen Theater, dass man sich bei den Songs nicht so recht entscheiden konnte, ob man diese nun Englisch oder Deutsch singen soll. Auch innerhalb eines Songs wurde fröhlich gemischt. Zwar mag die eine oder andre Erklärung auf Deutsch vorgegangen sein, ob dies der Zuschauer in der Fülle der Songs und im Zusammenhang mit der Handlung auf der Bühne überhaupt wahrnimmt ist fraglich. Abgesehen von der Show, etwas gab es in München etwas, was zum allgemeinen Aufreger wurde. Besucher kamen teils nach 25 Minuten nach Beginn der Show in den Saal und fanden sich nicht damit ab, dass sie sich einfach auf einen nächstgelegenen Platz setzten. Sie spazierten durch den halben Saal in die Mitte die Stufen hinauf, gerüstet mit einem Selbstbewusstsein, sodass man nur noch mit dem Kopf schütteln kann. Dem nicht genug, das gleiche Spektakel stellte sich nach der Pause erneut ein. Man sollte an die Veranstalter und Platzanweise des Deutschen Theaters an dieser Stelle ausdrücklich appellieren, ob dies wirklich sein muss. Letztlich trifft es die Besucher, die pünktlich erscheinen und zweitens auch Diejenigen, die vordere Plätze teuer erstehen und dann diese Unruhe vor der Nase ertragen müssen.
Generell war ist man als Zuschauer während der gesamten Show ziemlich überfordert, denn es ging sehr rasant bis fast hektisch auf der Bühne zu. Zuweilen wirkt die Show ziemlich abhetzt und leicht unkoordiniert. Ein logischer Faden erschließt sich dem Zuschauer nicht, auch die Dramaturgie hätte um einiges überarbeitet sollen. Rechte Atmosphäre und Stimmung mag einfach nicht aufkommen. Als Zuschauer nutzt man ruhige Szenen um Kraft zu schöpfen um dann mit den Protagonisten auf der Bühne wieder „abgehen zu können“. Hier sucht man beinahe erfolglos Ruhephasen. Das schrille Spektakel zieht sich von Beginn bis zum Ende- selbst als Fantime stirbt- komplett durch. Lediglich der gemeinschaftlich angelegte Chor ganz am Ende mutet etwas Atmosphäre an, wober dieser stilistisch so überhaupt nicht zu den übrigen Songs passt. Er erinnert eher an einen Chor von christlichen Jugendlichen, die ein Kirchenkonzert geben. Vielleicht mag es einfach daran liegen, dass sich einfach zu oft die Reprise des Can-Can wiederholt. Etwas Weniger wäre an dieser Stelle sicherlich etwas Mehr gewesen. So wundert es nicht, dass die durchaus beweglichen Tänzer und Tänzerinnen bei all den schnellen Bewegungsabläufen rasch den Anschein erweckten, allmählich aus der Puste zu kommen. Die Kostüme sind dem Stück entsprechend gelungen. Nichts wirklich Hervorstechendes, dennoch eine solide Arbeit. Am gelungensten dürfte der Frack von Le Directeur sein, schillernd – verrucht – rot mit großem Zylinder. Auch die Kostüme bei „Die Lust“ sind nett anzusehen. Die Bühnengestaltung allerdings ist mehr als enttäuschend, nahezu dramatisch spärlich ausgestattet. Lediglich drei Projektionswände zieren den hinteren Bühnenteil. Allmählich ist man es als Theaterbesucher leid, nur noch auf Leinwände starren zu müssen. Dann wären da noch ein Drehstuhl, ein rotes Sofa und ein kleiner Baum, ein Podest mit Stangen, das seinen Einsatz findet. Eine Art „Tor“ mit bunten Lichtern umrandet stellt den Vorhang dar, durch den die Tänzerinnen des Moulin Rouge die Bühne betreten. Stuttgart hat hier mit liebevollerem und beeidruckenderem Aufwand bestochen. An Bühnentechnik und Ausstattung/Kostüme hat die schwäbische Inszenierung sich finanziell gesehen wirklich nicht „lumpen lassen“.
Die Band ist rechts und links neben diesem Tor auf der Bühne platziert, auf jeweils einem Podest. Leider muss man auch hier sagen, dass das Theaterzelt die Akustik der Band nicht auffangen kann. Der Bass dröhnte in einer penetranten Art in den Zuschauerraum, dass es fast schmerzte und auch das Schlagzeug übertrumpfte die Künstler mit aller Macht. Sie hätten sich die Seele aus dem Leib schreien können, man hätte sie nicht herausgehört. Der Akkordeonspieler stand bei seinen Soli eher wie „bestellt und nicht abgeholt“ auf der Bühne und wirkte fast wie ein Pausenclown, während hinten eifrig das Bühnenbild (???) gewechselt wurde. Die gesangliche Qualität der Protagonisten ließ sich nur mit Mühe heraushören. Sehr bedauerlich! Generell kann man hier von Textverständlichkeit keinesfalls sprechen. Dabei ist der Produktion mit der Besetzung von Superstars wie Anna Montanaro als „Fantime“ und Jesper Tydén als „Armand“ sowie Sissy Staudinger als „Le Directeur“ ein Trio gelungen, das es einfach wert ist, gehört zu werden. Die wenigen ruhigeren Sequenzen der Drei genießt man umso mehr, ja man saugt sie förmlich auf, um dann bei den hektischen Szenen davon zu zehren.
Anna Montanaro spielt die todkranke Kurtisane Fatime, anders als im Baz Luhmann Film, in dem eine junge strahlende Nicole Kidmann zu sehen ist. Sie interpretiert ihre Fantime überzeugend frustriert und unglücklich. Die Jahre im Tanzclub haben sie mitgenommen und nun erscheint dieser junge attraktive Armand, der um sie wirbt und durch den sie wieder Lebenskraft bekommt. Mit dessen Erscheinen durchlebt sie noch einmal einen „zweiten Frühling“. Anna Montanaro ist seit Jahren renommierte und gefragte Musicaldarstellerin. Die Kombination Schauspiel, Gesang und Bewegung beherrscht sie beeindruckend und einwandfrei. Sie kann einfach alles. Sie überzeugt und ohne sie sowie Tydén und Staudinger, die einzig zum Gelingen dieser Show beitragen, wagt man es sich nicht auszudenken, wie die Show geworden wäre. Jesper Tydén ist der Hingucker und Schwarm des Stückes. Sein Schauspiel und vor allem seine Stimme überzeugt vom ersten Ton an. Egal ob er rockt oder einen Liebessong zum Besten gibt, er hat sein Publikum im Griff. Dieses kann es kaum erwarten, nach seinen Songs zu Jubelrufen anzusetzten. Ein Elton John hat „Your Song“ niemals besser gesungen. Auch ein „Come what May“ mit Anna Montanaro im Duett ist zum dahinschmelzen interpretiert. Stimm- und Schauspielstark hat man die Idealbesetzung des Armands mit dem charmanten Jesper gefunden. Seine Mimik und Gestik setzt er dezent aber sehr wirkungsvoll ein. Seine Stimme ist überzeugend und packend, auch er beweist gerade in dieser Produktion, welch hohe Qualität sein Können hat. Eine bemerkenswerte Leistung. Sissy Staudinger als Le Directeur ist gleich zu Anfang in Blickfang, alleine schon, weil man einen Mann in dieser Rolle erwartet. Aber sie beweist, wie Recht die Macher an dieser Stelle hatten, sie zu besetzten. Wie sie mit ihrem blutroten Frack auftritt und ihre „leichten Mädls“ kontrolliert überzeugt. Sie bringt ausserdem Humor und Witz in die Show. Schade, dass dieser stimmgewaltigen und schauspielerisch überzeugenden Darstellerin ausgerechnet der nervige „Can Can“ zugeschrieben wurde. Gerne hätte man weitere Gesangsproben von ihr gehört, denn ihre tiefe volle Stimme beeindruckt sehr und zeigt, was sie drauf hat… umbeschreiblich bedauerlich, dass ausgerechnet der zum x-ten Mal gespielte Can Can ihr Hauptlied ist. In Sissy Staudinger steckt wesentlich mehr Talent als nur ein Song. Nur ab und an lässt dies vermuten, wenn sie hier und da eine Passage singen darf. In „Like a Virgin“ kann sie ein wenig ihres großen Talentes und ihrer Stimme zeigen, auch wenn hier wieder einmal das Tempo derart angezogen wurde, dass die geübte Sängerin wohl auch nicht so recht weiß, wohin mit dem vielen Text. Bedauerlich!
Wie gesagt, das Trio Montanaro – Tydén – Staudinger trägt den größten und wahrscheinlich auch einzigen Anteil an der Show, dass diese überhaupt vorzeigefähig und als gelungen zu bezeichnen ist. Die Tänzer im Hintergrund können sich sehen lassen, auch wenn diese im Laufe der Zeit durch das rasante Tempo überfordert scheinen. Kein Wunder, denn drei Stunden beinahe permanent über die Bühne zu hetzen ist definitiv wie Leistungssport zu beurteilen. Auf jeden Fall sollte man Markus Streubel als „Toulouse-Lautrec“ nennen, der mit seinem amüsierenden Schauspiel so einige Lacher im Publikum produzieren konnte. Als Vater von Armand rockt Jens Ochmann mit der Adaption des Queen Songs „Show must go on“ auf der Bühne und sorgt so für eine mächtige Überraschung, denn diese Rockstimme sticht inmitten der Musicalstimmen richtig gut heraus.
Als Bühnenversion ist das Stück zum Film von Baz Luhmann gelungen, bedarf aber mit Sicherheit noch einiger Überarbeitung. Trotzdem können Moulin Rouge Fans getrost diese Inszenierung besuchen und einen unterhaltsamen Abend verbringen. Montanaro, Tydén oder Staudinger Fans sollten die Show keinesfalls verpassen.
Marina Christiana Bunk, 4.4.09