Das alte Schauspielhaus in Stuttgart zeigt seit dem 12.12.09 bis 24.01.09 das Musical „Moulin Rouge Story“ von Marc Schubring und Wolfgang Adenberg in einer Uraufführung.
Das Stück spielt täglich vor ausverkauftem Haus. Kein Wunder denn auch die Cast kann sich mehr als sehen lassen.
Sie liest sich wie folgt:
Isabelle de Fontillac: Karin Seyfried
Henri de Fontillac: Arne Stephan
Arséne Cossard: Aris Sas
Joseph Oller: Christoph Wieschke
Maurice Guibert: Adrian Becker
Claudine: Tamina Ciskowski
Marie: Stephanie Riedelbauch
Julie: Eva Zamostny
u.a.
Man schreibt Paris im 19. Jahrhundert. Die Geschichte dreht sich um die junge Gräfin Isabelle de Fontillac, die eines Abends in Begleitung ihres Mannes Henri de Fontillac das berühmt-berüchtigte Moulin Rouge in Paris besucht. Während Henri weniger Zugang der gewöhnungsbedürftigen Clubatmosphäre abgewinnen kann, ist es Isabelle, die hiervon ab der ersten Sekunde völlig fasziniert ist und angezogen wird. So entsteht ihr innigster Wunsch, einmal selbst als Tänzerin auf der Bühne zu stehen. Am Nachbartisch sitzt der junge, brotlose Maler Arséne Cossard, der die Szenerie interessiert beobachtet. Er ist von der schönen Isabelle angetan und beschließt alles daran zu setzen, sie als Modell zu gewinnen.
Als Isabelle‘s Mann eines Tages auf Geschäftsreise geht, beschließt sie diese Gelegenheit zu nutzen und bringt ihren Wunsch beim Clubbesitzer Joseph Oller vor. Dieser lehnt amüsiert ab. Eine gesellschaftlich etablierte Gräfin, noch dazu Mutter eines jungen Mädchens, kommt für ihn als zwielichtige Tänzerin nicht in Frage. Das Gespräch wird belauscht. Der Vortänzer Maurice Guibert ist es, der Isabelle den Tipp gibt, dass Joseph mit Geld bestechlich ist… Er selbst identifiziert sich mit ihr, denn auch er hegt lange schon den Wunsch einmal im Club als Sänger aufzutreten. Doch auch er ist stets nur auf taube Ohren gestoßen.
Isabelle hingegen schafft es einen Abend im Moulin Rouge zu tanzen. Man ahnt es schon, der Auftritt wird ein voller Erfolg und Joseph engagiert Isabelle fortan regelmäßig. Maurice, mittlerweile Freund von Isabelle, kann durch ihren Einfluss erreichen, ebenfalls den lang ersehnten Auftritt als Sänger zu ergattern und auch er wird gefeierter und gefragter, als Joseph es erwartet hätte. Heimlich finden allabendlich die Shows statt und Isabelles Mann Henri ahnt nichts davon. So entgeht ihm längst, dass Isabelle eine Affäre mit dem jungen Maler Arséne eingegangen ist. Doch Lügen haben bekanntlich kurze Beine und so sitzt Henri eines Tages im Moulin Rouge – prompt erkennt er seine Isabelle. Der Eklat ist vorprogrammiert.
Die Jahre ziehen ins Land. Aus der Tochter Julie, die mutterlos aufgewachsen ist, wurde eine schöne, junge Frau. Die Beziehung von Isabelle und Arséne ist zunehmend zum Scheitern verurteilt. Er selbst verdient mit seiner Kunst kaum Geld, gibt stattdessen ihres für seine Liebschaften aus. Schließlich trennt er sich von Isabelle. Als dann auch noch ihr langjähriger Verehrer Maurice an der Schwindsucht stirbt, droht ihr Leben komplett auseinander zu fallen.
Das Moulin Rouge lag über 9 lange Jahre brach. Nach Isabelles Ruhm ging es stetig bergab mit dem Erfolg des Clubs und so eröffnet er prunkvoll nach nach Jahren wieder, um an alte Zeiten anzuknüpfen. Isabelle lässt es sich nicht nehmen hinzugehen und trifft, wie es kommen muss, auf Henri. Doch den Zufällen nicht genug, ausgerechnet die junge Tochter Julie wird als der neuer und gefeierter Tanzstar des Moulin Rouge angekündigt. Happy End in einem Rotlichtclub… einst im frühen 19. Jahrhundert in Paris.
Das alte Schauspielhaus hat sich mit dieser Inszenierung nicht lumpen lassen und keine Kosten und Mühen gescheut eine aufwändige Show zu produzieren. Interessante und vielfach einsetzbare bzw. drehbare Bühnenelemente lassen in Kombination mit den bunten und liebevoll entworfenen Kostümen ein Feuerwerk in Sachen Bühnenoptik erstrahlen. So präsentieren sich die Can-Can-Tänzerinnen zunächst klassisch-rot in Rauschkleidern, später eher spärlich bekleidet, abgewechselt im Look von Meerjungfrauen oder später als Sonnenblumen. Schade jedoch, dass vermutlich bei der Choreografie zu wenig Wert auf Synchronität gelegt wurde. Gerade die Tänzerinnen des Moulin Rouge – ähnlich des Lido – sind weltweit berühmt dafür, dass sie die ausgezeichnetsten und akribischsten Tänzerinnen überhaupt sind. Dennoch, keinerlei Beanstandung bei den Kostümen. Der Ausstatter Christian Floeren hat wirklich gute Arbeit geleistet.
Wie bereits geschrieben, die Besetzung kann sich sehen lassen. Karin Seyfried, gesundheitlich angeschlagen, hat den Abend souverän und überzeugend als Isabelle hingelegt. Sie verkörpert glaubwürdig die junge, euphorische Ehefrau, die sich für das Moulin Rouge begeistert. Der Musicalstar kann im Zusammenspiel mit ihren Bühnenpartnern, im Besonderen mit Arséne – alias Aris Sas – überzeugen. Ihre Stimme versteht sie trotz Behinderung einzusetzen außerdem ist sie in ihren tollen Kleidern einfach wunderschön anzusehen. Aris Sas ist längst über die Grenzen Deutschlands hinaus und seit seiner Kindheit ein gefeierter Musicalstar. Das merkt man auch. Stark, überzeugend und begeisternd ist sein Gesang sowie Schauspiel. Umso blasser wirkt dagegen bedauerlicherweise Arne Stephan in der Rolle des Henri. Dieser kann erst im zweiten Akt, als die Konfrontation mit Isabelle in Bezug auf ihre Affäre zum tragen kommt, überzeugen. Auch Christoph Wieschke als Joseph will nicht so recht in Fahrt kommen. Er ist sehr bemüht, den unterhaltsamen Clubbesitzer zu präsentieren. Seine humorig gemeinten Ankündigungen wirken etwas langatmig und verfehlen die beabsichtigte Wirkung. Schade, denn die Rolle an und für sich lässt gewiss viel mehr Spielraum um schauspielerisch aber auch tänzerisch zu brillieren. Woran das liegen mag? Adrian Becker in der Rolle des an schwindelsucht erkrankten Vortänzers Maurice Guibert dagegen ist ein echtes Highlight der Produktion. Schnell kristallisiert sich heraus: er ist der heimliche Liebling der Inszenierung. Allein seine Mimik reicht, um das Publikum zum Lachen zu bringen und zu begeistern. Auch er ist seit vielen Jahren ein erfolgreicher und beliebter Musicalstar. Ihm gelingt es die Stimmung zu kippen und die Dramatik, die das Stück aufbaut immer wieder elegant zu lösen. Gesanglich und schauspielerisch liefert Becker einen hervorragenden und überzeugenden Job. Bravo! Als dicke Hummel gegen Ende des Stückes verkleidet gelingt es ihm nochmal richtig, den Showbrüller zu liefern, bevor er auf der Bühne tanzend zusammenbricht und seiner Krankheit erliegt. Eigentlich schade! Aber: ein Abgang für einen echten Musicalstar!
Dramaturgisch betrachtet kann sich das Stück sehen lassen. Es baut sich Stück für Stück vorbildlich auf und kann sich damit auszeichnen, dass die Handlung kippt und eine Kehrtwende nimmt, immer dann wenn man voreilig vermutet wie diese weiter verläuft. Die Spannung, die dadurch entsteht zieht sich erfolgreich durch das gesamte Stück. Tolle Leistung!
Vom Ablauf bzw. der Logik her gibt es nur ein paar Kritikpunkte. Weniger nachvollziehbar jedoch erscheint eines nicht, dass beispielsweise Maurice, der stets hüstelnd und mit rau-rauchiger Stimme erscheint, vor seinem großen Auftritt bereits ein Lied singt, in dem man bereits seine tolle und gewaltige Stimme heraushören kann. Apropos großer Auftritt, auch der großartig angekündigte Tanzauftritt von Isabelle fällt eher dürftig aus. Da Karin Seyfried aus dem Tanzfach stammt, könnte man ihr sicherlich hier wesentlich mehr zumuten. Der Auftritt überzeugt nicht ganz um nachvollziehen zu können, dass dies der Tanz sein soll, von dem ganz Paris spricht.
Was ist zur Musik zu sagen. Eingängige einfache Melodien wechseln sich ab mit seichter Unterhaltungsmusik. Nicht wirklich schlecht, aber ein echter Ohrwurm, wiederholte Sequenzen eines Themas lassen sich vergeblich suchen. An manchen Stellen plätschert die Musik vor sich hin und immer dann, wenn man meint, es komme ein Highlight fällt es immer wieder – leider – negativ auf, dass gerade dann die Musik durch Dialoge bzw. Monologe unterbrochen werden. Dies tut dem Lied, in das man sich versucht hinein zu hören einen immensen Abbruch. Die Musik macht es einem als Zuhörer nicht einfach Melodien zu erkennen. Die Ansätze sind durchaus gelungen, sind aber dennoch stark ausbaubar.
Im Großen und Ganzen ist dem Schauspielhaus eine wirklich gute und vorzeigbare Inszenierung gelungen. Die Show ist unterhaltsam, liebevoll durchdacht und grundsätzlich schön gestaltet. Die Preise des Theaters sind vorbildlich und wer die Show noch sehen möchte muss zusehen, dass er eines der stark begehrten Tickets bekommt, denn wie gesagt, am 24.1.09 fällt der Vorhang im wohl berühmtesten Tanzclub der Welt, im Moulin Rouge.
Marina Christiana Bunk, 21.1.2009