Noch immer verblasst das Grün nicht. Mehr denn je grünt es so grün…

25 Jahre tanzt die „Lady heut‘ Nacht“ im Staatstheater am Gärtnerplatz in München.

My fair Lady Musical MünchenSeit der Premiere am 2. März 1984 fand am 11. Juli 2009 die 211.ste Vorstellung statt und noch heute spielt das Stück vor ausverkauftem Haus. Das Blumenmädchen mit prägnanten Berliner Jargon hat noch immer Erfolg auf ganzer Linie und singt und tanzt sich in die Herzen ganzer Generationen.

Eliza, das Blumenmädchen trifft eines auf offener Straße dem Sprachforscher Professor Henry Higgins, der, fasziniert von ihrem „herrlich ordinären“ Dialekt, beschließt sie als Versuchsobjekt in sein Haus zu holen. Ziel des Versuches: Eliza wenige Monate später glaubhaft auf einem Diplomatenball als Lady der gehobenen Gesellschaft auszugeben. Er will ihr die korrekte Phonetik der Sprache näherbringen, zudem das Benehmen einer vornehmen Dame.

Weltbekannt ist die Verfilmung des Musicals von 1964 mit Audrey Hepburn und Rex Harrison unter der Regie George Cukor. Frederick Loewe hat seiner Zeit das Musical geschrieben und ist seitdem in allen Ländern dieser Erde erfolgreich auf den Bühnen zu Hause. Das Musical hat seit seiner Existenz zahlreiche anerkannte Preise eingeholt, wie den legendären Tony Award oder den Theatre World Award.

Seit 25 Jahren also begeistert die „Lady“ das Münchner Publikum. Die Geschichte ist im Grunde genommen nicht spektakulär, aber sie funktioniert. Sie ist zeitlos, schlicht, wirkt eigentlich ganz normal und doch- irgendwie ist sie dann doch zu verrückt um alltäglich zu sein. Die Dialoge sind witzig und unterhaltsam durchdacht und die zahlreichen Charaktere der Story die kommen und gehen sprühen vor Charme. Seit seiner Erstaufführung in München ist das Stück konstant gleich in seiner Präsentation geblieben. August Everding, Meister unter den Regisseuren, selbst hat die Inszenierung übernommen, die noch in derselben Form auf der Bühne abläuft wie seither. Das Rezept geht auf und dem Publikum gefällt’s.

Das Stück ist gespickt mit kleinen liebevollen Effekten, sei es wie gleich zu Anfang, als Silberstreifen von der Decke herabgelassen werden, die einen Regenschauer darstellen sollen. Aufgeregt werden Hüte aufgezogen, Schirme auf der Bühne geöffnet, als der Schauer sich wieder nach oben verzieht werden sekundenschnell auch die Schirme wieder weggesteckt. Es sind kleine Effekte und witzige Ideen die größte Aufmerksamkeit erzielen. DAS genau ist Theater, nicht gewollt, nicht gezwungen, einfach niedlich und schön anzusehen.

My fair Lady Musical MünchenZugegebenermaßen lebt das Stück auch durch seine fantastischen Dialoge, die auch bis ins Detail ausgearbeitet sind. Sie bringen die Zuschauer zum Schmunzeln und lachen. Vorangehend der Charakter Professor Henry Higgins, der gleich zu Beginn Eliza als „Fleischgewordene Beleidigung ihrer Muttersprache“ betitelt und seiner Hausangestellten befielt, die „Rinnsteinpflanze“ mit Sandpapier zu baden und in Packpapier zu wickeln, bis angemessene Kleidung besorgt ist. Als die Angestellte empört über diese Befehle reagiert, setzt er eines drauf und schlägt vor, sie dann eben in eine Mülltonne zu stecken. Dirk Lohr (siehe Berichte „ChristO die Rockoper“ oder „Sweeney Todd 1 und 2“) ist es, der Professor Higgins verkörpert. Seine große und feste Gestalt ist beinahe angsteinflößend und löst sofortigen Respekt bei Eliza aus. Lohr versteht es hervorragend einen selbstherrlichen, dominanten und bestimmten Higgins wiederzugeben. Er schafft es zu überzeugen und das Publikum dennoch mit seinen Texten zu erheitern. Er quält Eliza selbstsüchtig, fast schon sadistisch und zeigt dabei unverschämt wenig Einsicht. Im Gegenteil, er sieht sich als das eigentliche Opfer, das sich es zum märtyrerischen Ziel gemacht hat, eine verlorene Seele mit seinem Wissen bis zu seiner körperlichen Erschöpfung fördern will. Sein „Kann denn die Kinder keiner lehren?“ oder „Bin ein Mann wie jeder Mann“ lösen große Belustigung beim Publikum aus, der größte Lacher aber ist sein „Kann denn eine Frau nicht sein wie ein Mann“. Herrlich ist auch sein Verhalten seiner Mutter gegenüber, wo klar zum Vorschein kommt, dass er trotz seiner harten Lehrmethoden ein groß gewordener Junge ist, mit dem Herz am rechten Fleck. Als Eliza ihn am Ende verlässt und er verzweifelt „Mutter!!!“schreit, löst das nochmals große Belustigung im Zuschauerraum aus. Eine tolle Leistung!

An seiner Seite als zweiter Fachmann steht ihm Oberst Hugh Pickering, dargestellt von Gunter Sonneson zur Seite. Er ist derjenige der Beiden, der am meisten Mitleid und Verständnis für das arme Geschöpf aufbringt. Er kann sich gegen Higgins nicht durchsetzen und muss zusehen, wie er Eliza mit nächtlichen Sprachübungen quält und pisakt. Auch Pickering hat seine Momente, gerade dann, wenn er als verständnisvoller Freund Eliza zur Seite steht und sie bei ihren öffentlichen Auftritten unterstützt. Ihm nimmt man die Rolle komplett ab und seine Duette mit Higgins sind einfach unterhaltsam und wunderbar umgesetzt. Die ruhige Art des Charakters Pickering bringt genau den Effekt ein, den die Rolle als Aufgabe hat: Ausgeglichenheit, Menschlichkeit und am Ende Verständnis für alle. Das Sängerduett Higgins und Pickering ist mit Dirk Lohr und Gunter Sonneson wahrlich fantastisch besetzt.

My fair Lady Musical MünchenDas Hauptrollentrio schließt sich um die Titelfigur, der „my fair Lady“- Eliza Doolittle. Marianne Larsen (s. Berichte „Sweeney Todd 1 und 2“, „Orchesterprobe La Traviata III. Akt“) übernimmt  nun die fünfte Saison schon die Rolle des Blumenmädchens. Und sie macht das wirklich hervorragend. Es ist schon eine schwere Bürde, die eine Eliza Doolittle leisten muss, gerade dann, wenn die Verfilmung Hollywoodstar Audrey Hepburn einst hierfür einsetzte, aber auch München in seiner Urbesetzung mit Conny Froebess aufwartete. Marianne Larsen steht keiner nach. Sie schafft es mit einer ganz eigenen charmanten und süßen Art eine Eliza darzustellen, die der Verkörperung eines sozial abgestiegenen Straßenmädchens unheimlich gerecht wird. Sie ist nicht nur das sanfte und liebe Wesen. Dieses Blumenmädchen muss jeden Tag kämpfen, damit es überleben kann, da muss es auch mal rau, hart, derbe und bereit sein, sich einer Rauferei hinzugeben. Genau das kann Marianne Larsen perfekt schauspielern. Sie springt naiv und hochmütig über die Bühne, singt und trällert mit einer unfassbaren Leichtigkeit ihr „Wäre dat nich wunderscheen“ in die Reihen. Das berühmte „Es grünt so grün“ erhält tosenden Applaus und auch ihr „Ich hätt getanzt heut Nacht“ nimmt man der Sängerin beschwingt ab. Wenn sie übergeht und ihre Fantasien in „Ohne Dich“ auslebt kann man nicht anders, man muss lachen. Sie schafft es von einer auf die nächste Sekunde ein trotziges Gesicht zu ziehen, und dann, wenn sie Higgins mal wieder auf den Arm genommen hat, schaut sie herrlich unschuldig mit großen Kulleraugen. Diese Frau schafft es in die unterschiedlichsten Charaktere zu schlüpfen, nicht nur das, sie überzeugt mit jeder Sekunde auf der Bühne.

Als zunächst Gegnerin  Eliza’s tritt die Mutter von Henry Higgins auf, Mrs. Higgins, gesungen und gespielt von Susanne Heyng. Auch sie erntet mit ihrer betont deutlichen Phonetik große Lacher. Ihre humorigen Momente nützt sie hervorragend um der Rolle Charakter zu verleihen und sich zu den großen Publikumslieblingen zu spielen.

My fair Lady Musical MünchenAls Freddy Eynsford-Hill ist Thomas Peters („ChristO die Rockoper“ oder „Sweeney Todd 2“)zu sehen. Seine Verliebtheit in Eliza seit der ersten Sekunde ist überzeugend. Man bekommt als Zuschauer fast Mitleid, wenn man ihn so „über Tage“ vor dem Haus Eliza‘s rumsitzen und auf- und abtigern sieht. Dabei singt er schier verzweifelt sein „In der Straße mein Schatz, wo Du lebst“s. Thomas Peters kann aus der relativ kleinen Rolle einen Charakter zaubern, der, wenn er auf der Bühne zu sehen ist, Aufmerksamkeit einfordert. Das Publikum reagierte besonders belustigt, als Eliza nach Tagen endlich aus dem Haus kommt und er ihr etwas unbeholfen den Hof macht. Dabei bemerkt er gar nicht, dass diese kaum Interesse an ihm zeigt, schon gar nicht, wenn er seiner Angebeteten ergeben auf Knien hinterher rutscht. – Im Übrigen ein Bild für Götter, ebenso, wenn er kurz darauf mit all ihren Sachen bepackt durch den Auszug aus Higgins Haus nachschleppt…

Auf keinen Fall darf Jörg Simon in der Rolle des Alfred P. Doolittle, Vater von Eliza, fehlen. Seine Hauptsongs „Mit nem kleen Stückchen Glück“ oder „Bringt mich pünktlich zum Altar“ kann er das Publikum überzeugen bringt Stimmung auf, die munter und gelöst ankommt. Als unbekümmerter Vater, der mehr um Alkohol bemüht ist, als seiner Tochter, ist er dennoch ein Sympathieträger in dem Stück.

Es ist sehr schön und angenehm in Zeit von modernen und aufwändigen Produktionen zu sehen, wie ein altbewährtes Konzept auf der Bühne dennoch Erfolg haben kann und ein Theaterhaus füllt. Die Bühne und die Kostüme haben sich kaum verändert. Alles ist wie von einst, authentisch und sehr liebevoll in Szene gesetzt. Hier sei das Bühnenbild beim Diplomatenball erwähnt, das durch Spiegelwände und Eisengerüsten unendliche Größe des Ballsaales aufkommen lässt. Eine Drehbühne setzt sich immer wieder mit wechselnden Elementen zu verschiedene Bilder zusammen und kann somit unzählige Orte simulieren. Raffiniert und einfach wunderbar gelöst.

My fair Lady Musical MünchenEin tolles Ensemble, ein stimmstarker Chor sowie ein zauberhaftes Ballett runden das Geschehen auf der Bühne überzeugend und stimmig ab. Überhaupt- hier sind Chor und Ensemble ganz schön bemerkenswert involviert. Sie müssen in beinahe allen Szenen in Sachen Tanz und Schauspiel im Gegensatz zu fast allen anderen Stücken auf den Bühnen der Welt einiges leisten und mithalten. Hier sind es nicht nur sachte Tänzchen oder Handbewegungen. Die Choreografien sind durchaus anspruchsvoll und müssen gerade in dieser Kombination, wo recht viele Menschen auf der Bühne wirken, gut einstudiert und synchron sein. Ein riesiges Lob an dieser Stelle für die Protagonisten, aber auch an die Choreografie, Dougie Squires, für eine herausragende Leistung dieser Ausarbeitung.

Die Lady kann sich also nach wie vor sehen lassen und man darf sich mit Sicherheit auf eine neue Saison mit ihr freuen. Zu hoffen ist allerdings und notwenigerweise, dass die Tontechnik eine Besserung aufweist, denn gerade die Sprechszenen gehen schon ab der achten Reihe vollkommen unter, das Orchester ist mit seinen Bläsern definitiv zu laut und übertönt die Sänger, unabhängig von Solisten oder Chor komplett, was wirklich sehr, sehr bedauerlich ist.

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