Eines stand bei dieser Inszenierung im Vorfeld fest: Jesus Christ Superstar fehlte es an Soldaten keinesfalls, denn als Location wurde die Wilhelmsburg in Ulm/Jungingen gewählt, die sich inmitten eines Bundeswehrkommandos für operative Führung Eingreifkräfte befand. Der Weg, der von einem Firmenparkplatz mit einem Shuttlebus zur Burg geboten wurde, musste am Einlass des Geländes eine Schranke passieren, an der ein Soldat in kompletter Uniform in den Bus stieg und diesen bis zur Burg begleitete. Dort an den Eingangsportalen begrüßten weitere Bundeswehrsoldaten die eintreffenden Besucher.
Der Burghof selbst bestand zu einem Drittel aus der Tribühne, die in einer Ecke aufgebaut war. Ins Bühnenbild selbst wurden die beiden aufeinander treffenden Wände integriert. Der Rest des Hofes lud zum Flanieren ein, Gastronomen hatten Stände aufgebaut und auch ein Zelt mit Biergarten bot eine Reihe von gut ausgewählten Speisen und Getränken. Ob die Livemusik, bestehend aus einer Sängerin und einem Sänger am Keyboard unbedingt erforderlich sein musste, sei dahingestellt. Ein tiefgebautes, dreiteiliges und schlauchartiges Zelt ist nicht gerade dazu ausgelegt, ein definitiv zu laut eingestelltes Gesangsduett auftreten zu lassen. Sicherlich gut gemeint und mit Unterhaltungseffekt bedacht wäre dezente Musik im Hintergrund vom Band wesentlich einstimmender auf den Abend gewesen.
Pünktlich um 21 Uhr zogen die Jünger auf die Freilichtbühne ein. Die Musik, bestehend aus einer klassisch formatierten Band, ergänzt mit einem Saxophon/Klarinette, dröhnte aus den Burggemäuern heraus. Links neben der Bühne sah man durch drei offene Fenster, dass dort der „Orchestergraben“, sprich Bandraum, eingerichtet war. Das Bühnenbild trägt sich durch das Gemäuer von selbst. Ein paar Podeste, die in vier Stufen aufgebaut waren, ließen verschiedene Ebenen vermuten. Eine große gebogene Eisentreppe führte letztlich zu den Fenstern des ersten Burggeschosses, aus dem die Hohen Priester bzw. andere Solisten schlüpften.
Was ist zu den Kostümen zu sagen. Ursprünglich, biblisch gehalten ist hier wie in so ziemlich allen JCS-Produktionen der vergangenen Jahre nichts. Man hat sich auf alltagstaugliche Kleidung festgelegt, Knickerbocker, Camelboots, Wandersandalen, Muscleshirts oder schlichte Pullis. Lediglich Jesus erscheint in weißer Hose und weißem langärmeligen Oberteil.
Maria Magdalena leuchtet mit ihren kanariengelben Strumpfstutzen bis über die Oberschenkel, mit kürzestem Jeansminirock und Bomberjacke hervor, unterstrichen mit unzählig geflochtenen langen Haaren.
Judas trägt die Haare lange und offen. Aber sonst fällt auch er nicht unbedingt kostümtechnisch ins Gewicht.
Der „Hope“-Gospelchor aus Ulm ist das einzige, was in Sachen Kostüm ins Auge sticht und dies leider nicht gerade positiv. Der Chor nämlich ist es, der so gar nicht ins Gesamtbild passen will. Ist alles doch eher natürlich und modern gestaltet, so tragen die Mitglieder alle knallgelbe Kutten und eine kurze, schwarz-gelockte Perücke auf den Haaren, die wohl „schwarze Sänger“ symbolisieren soll. Außerdem trägt jedes Chormitglied eine Maske im Gesicht, die bis auf den Mund das gesamte Gesicht bedeckt. Überzeugen konnte der Gesang, der die Chorpassagen unterstrich und das Spektakel auf der Bühne wesentlich massiver und voller wirken lies, aber wie gesagt, optisch ist es eher eine Idee, die in keinem Falle überzeugt.
Die Show ist mit ihren gut 2000 Plätzen ausverkauft, die Stimmung zu Anfang noch verhalten, schnell aber dort, wo sie sein sollte.
Dies ist letztlich dem Titelhelden Jesus zu verdanken, der in dieser Vorstellung von Chris Murray dargestellt wurde. Der renommierte Musicaldarsteller trägt hier wesentlich zum Gelingen einer tollen Show bei. Stimme, Schauspiel und nicht zuletzt Bühnenpräsenz hat er unumstritten. Kein Wunder, dass er den lautesten und langanhaltendsten Applaus erntet. Eine bemerkenswerte und mehr als anerkennenswerte Leistung liefert Murray über den gesamten Abend ab. Unvergesslich sein „Poor Jerusalem“, ein Lied, das eigentlich weniger zu den Ohrwürmern des Stückes gehört, aber eine komplett neue Bedeutung und wunderbare Klangfarbe durch seine Interpretation gewonnen hat. Ab „Gethsemane“ konnte sich Petrus wohl nicht mehr so ganz konzentrieren, denn just ab diesem Moment begann es zu regnen, so dass man Murray wirklich nur bedauern konnte. Über viele Minuten musste er in einigen Szenen ab dann auf dem Boden im Regen liegen, die Bühne komplett rutschig und wasserüberzogen. Diese Tatsache scheint den Profi jedoch nur noch mehr herausgefordert zu haben, denn umso glaubhafter konnte er sein Leiden und seine Pein dem Zuschauer vermitteln. Gekonnt ist eben gekonnt. Mit Murray hat der Charakter ebenfalls eine neue Gestalt angenommen. Der sanfte, gutmütige Jesus ist eher ein Rebell, ein junger „Wilder“ wie alle anderen Jünger und eben ein MENSCH, der liebt und leidet. Und wenn er auch Hass und Gewalt verabscheut, so zögert er nicht, ebenfalls aggressiv vorzugehen, wenn ihm etwas den Kragen aufstellt. Eine tolle Interpretation und ein großes Lob an Murray für die gelungene, überzeugende und packende Darstellung des Jesus.
Frank Flicelti spielt an seiner Seite die Rolle des Kontrahenten Judas. Kein leichtes Spiel für den Sänger und Profi Murray, der sich dennoch überzeugend und tapfer schlägt. Seine Leistung ist in jedem Fall ebenfalls anerkennenswert und sein Schauspiel konnte überzeugen, gerade in der Szene, als er Jesus verrät und kurz darauf in Selbstzweifeln zu ersticken droht. Sein Superstar, das er auf dem Dach des Gemäuers der Burg herunter schmettert verfehlt die Vermittlung einer Siegeshymne nicht.
Hélène Lindqvist verkörpert Maria Magdalena. Wie bereits geschrieben hat man ihr eine junge und leichte Kostümvariante verliehen. Bemitleidenswert ist, dass sie die gesamte Show über auf mindestens 10 cm-hohen Absätzen bestreiten muss. Gesanglich überzeugt sie mit einer sehr schönen, eher natürlichen Stimme. Ihre persönliche Interpretation von „I don’t know how to love him“ kommt an. Sie verleiht dem Song einen souligen Akzent, einfach wunderschön anzuhören.
In den weiteren Rollen brillieren Tomasz Kaluzny als Pilatus, Günther Dotzauer als König Herodes, Girard Rohoden als Simon Zealotes sowie in den Rollen Kaiphas – Alexander Egorov, Annas – Alexander Schröder und als Petrus Burkhard Solle. An dieser Stelle möchte ich betonen wie angenehm es war festzustellen, dass die Rolle des Herodes in dieser Inszenierung nicht bis aufs Blut ins Lächerliche gezogen wurde und schon mit Clownerie betitelt werden konnte. Der König war, wie man es von ihm erwartet, eher ernsthaft, dennoch ironisch aber majestätisch. Die Damen, die leichtbekleidet um ihm herum tanzten ließen seine Leichtigkeit und sein flapsiges Denken eher transportieren. Großes Lob also an das Kreativteam, diese Rolle einmal nicht „dämlich“ zu besetzen! Bravo!!!
Alles in allem ist dem Theater Ulm eine tolle und unterhaltsame Show gelungen, die sich sehen sehr gut lassen kann. Eine gut gewählte Kulisse, tolle Schauspielern und Sänger sowie eine schmissige Band tragen hier kollektiv zu einem schönen Abend bei, der das Publikum hörbar begeistert hat.
Marina C. Bunk, 11.07.09
Inszenierung: Werner Pichler
Bühne: Britta Lammers
Kostüme: Andrea Hölzl
Choreographie: Roberto Scafati
Musikal. Leitung: Gordian Teupke, Wolfgang Wels, Ariane Müller