Das Velodrom Theater in Regensburg feierte am 26.3.09 eine Premiere. Pünktlich um 19.30 Uhr öffnete sich der Vorhang und Regisseur Johannes Reitmeier zeigte, was in den letzten Wochen dahinter geprobt wurde. Der Erfolgsregisseur hat mit dieser Inszenierung mal wieder bewiesen, dass er ein Händchen für gute Bühnenstücke hat. Das Publikum wurde keineswegs enttäuscht. Es ist immer wieder eine Freude, seine Arbeit bewundern zu dürfen. „Der kleine Horrorladen“ feierte Eröffnung und es waren auffallend viele Schüler unter den Premierenbesuchern, die sich ein „Horrorszenario“ scheint´s nicht entgehen lassen wollten.
Eine verzerrte Stimme ertönt und sogleich erscheint ein Marsmännchen, um die Geschichte DER Pflanze zu erzählen, welche die Welt veränderte. Seymour ein junger Mann ohne jegliches Selbstbewusstsein gelingt der Durchbruch als Blumenverkäufer mit der Züchtung einer ungewöhnlichen, fleischfressenden Pflanze. Diese ernährt sich nicht wie angenommen von Fliegen oder sonstigen Insekten. Nein, ihr Speiseplan favorisiert nur Menschblut. Zu Beginn gibt sie sich noch mit ein paar Tropfen des edlen Saftes zufrieden, doch schon bald verlangt die Gier und ihre zunehmende Größe nach mehr. Eine Katastrophe ist vorprogrammiert, die am Ende so manches Leben auslöscht, unabhängig davon ob Freund oder Feind.
Blumenladenbesitzer Mushnik, dargestellt von Axel Kraus, hatte wahrlich keinen leichten Part in der Inszenierung. Weniger als fünf Tage blieben ihm das gesamte Stück zu erlernen, denn er sprang für den kurzfristig erkrankten Matthias Degen ein. Seine Rolle meisterte er für diese enorm kurze Probenzeit mit Bravour. Er holte das Bestmögliche aus der Rolle und verlieh ihr mit Witz und Ironie Charakter. Auch gesanglich liefert der Schauspieler eine solide Leistung. Vor seinen fliegenden Blumentöpfen sollte man sich in Acht nehmen, auch wenn er sich der Pflanze am Ende wie so viele Andere nicht wirklich „entziehen“ kann. Sein Wissen, um die Geheimnisse Seymours und der Pflanze wird ihm zum Verhängnis.
Der junge Blumenverkäufer Seymour wird von Oliver Severin verkörpert. Er überzeugt die komplette Show hindurch und kann vor allem im Schauspiel all das rüberbringen, was ein aufstrebender Verkäufer darstellt. Mit Witz und Charme begeistert er sein Publikum. Vor allem seine tollpatschige Art scheint zu gefallen, aber auch seine naive Liebe für Audrey oder seine überfürsorgliche Art, seine Pflanze zu versorgen, machen ihm zum Sympath des Stücks. Auch die Szene, als Mushnik Seymour adoptiert und dies durch einen belustigenden Tango zelebriert wird, kommt an. Am Ende aber entgleist ihm nicht nur die Kontrolle über seine Züchtung, auch Audrey verliert er an den Menschenfresser … und … am Ende sich selbst.
An seiner Seite spielt die Schauspielerin Nadine Hammer in der Rolle der Audrey. Als niedlicher, naiver und blonder Barbieverschnitt zeigt sie ihr Können. Pink ist zu Audreys Lieblingsfarbe ernannt worden. Sogar das Bügeleisen oder der Wasserspender sind knallrosa. Zu Beginn wirkt sie teils übertrieben quietschig, jedoch nimmt ihre Stimme mit der Zeit etwas an Schrillem ab und entwickelt sich ihrer Rolle entsprechend überzeugend und sehr passend. Ihrem Gesang ist nichts einzuwenden und auch im Schauspiel kann sie das Publikum durchweg begeistern. Seymour und Audrey harmonieren sehr gut auf der Bühne. Die allmähliche Annäherung der Beiden nimmt man ihnen durchaus ab.
Dem gemeinsamen Glück im Wege steht ihnen zunächst noch der Zahnarzt Orin, herrlich witzig verkörpert von Philipp Eckelmann. Er geht so richtig aus sich heraus und lässt den machomäßigen, sadistisch veranlagten Lover der zarten Audrey heraushängen. Sein Gesang ist stark, sein Schauspiel überzeugt komplett. Seine Rolle führt er zur Belustigung der Zuschauer zur vollsten Zufriedenheit aus. Hierfür erntet er berechtigt lautstarken und jubelnden Applaus. Gerade in „Sohn, werde Zahnarzt“ lachte das Publikum laut, wenn er sehr überzeugend „… und mein Beruf macht mir schrecklichen Spaß!!!“ singt. Schade eigentlich, dass er das erste Opfer des Stückes ist. Gerne hätte man ihn länger auf der Bühne erlebt, gerade dann, wenn er mal wieder eine Brise zu viel Lachgas erwischt hat und sich gekonnt dazu auf dem Boden, bzw. auf der Zahnarztliege räkelt.
Eine Imitation der „Supremes“ dargestellt durch Ruth Müller, Julia Häglsperger und Esther Baar darf in diesem skurrilen Stück nicht fehlen. Diese drei Straßengören weisen eine Wandlungsfähigkeit auf, die immer wieder überrascht. Einmal treten sie niedlich verspielt in Schulmädchenuniformen auf oder liefern einen wahren Showbrüller, wenn sie in kurzen Brautkleidern auf die Bühne schreiten. Krasses Gegenteil liefern sie als leichte Mädels in den dunklen und verlassenen Straßen in rotem und schwarzem Lack und Leder. Außerdem ist es herrlich anzusehen, wenn sie als Tina Turner Doubles auf einer Leiter stehen. Dazu singen sie im Terzett stimmgewaltig gerade so, als wenn sie nie etwas anderes zuvor getan hätten.
Die von Randy Diamond choreographierten Tänze und Bewegungen unterstreichen nicht nur deren Wechselrollen glaubhaft, sie bringen Schwung und Würze ins gesamte Geschehen. Überhaupt erkennt man hier zweifelsfrei die Handschrift des ehemaligen Solo-Ballett-Tänzers (1. Solist am Stuttgarter Ballett). Mit Sicherheit hat der dem einen oder anderen Schauspieler so einiges abverlangt, dennoch hat sich die Arbeit gelohnt und kann sich sehen lassen. Stimmig, harmonisch, witzig und kreativ ist ihm eine vorbildliche Choreographie des Stückes gelungen. Bedauerlich, dass er nicht selbst auf der Bühne steht.
Besonders beeindruckend wirkt die Szene, als Audrey in den Armen ihres Seymours stirbt. Es ist ihr ausdrücklicher Wunsch in ihr weiter zu leben, indem sie als Futter für die Pflanze dient. Schweren Herzens trägt er seine Audrey zur Pflanze und legt sie ihr sanft ins Maul, das sich langsam und dramatisch schließt. Die Anspannung, das Tragische löst die Pflanze auf ihre persönliche Weise- mit einem Schmatzen, Schlucken und Rülpsen.
Mit Markus Engelstädter als Pflanze Audrey II schließt sich der Kreis um die Sänger. Engelstädter kann mit seiner jazzy-rockigen Stimme der Pflanze ein Leben einhauchen, das man von so einem „Ding“ erwartet. Stimmgewaltig liefert “die Pflanze“ in Songs sowie in Dialogen eine hervorragende Leistung. Auf sein gierig gekrächztes „Gib´s mir“ oder „Hungeeeeer!!!“ antworten die Besucher mit lautem und amüsierten Lachen. Lediglich bei der Zugabe kann man den Sänger mit der „Mörderstimme“ – im wahrsten Sinne des Wortes – begutachten, der mit einer Miniausgabe der Audrey II. in der Hand abrockt.“Füttere mich“ dürfte eines der beliebtesten Songs des Stückes sein.
Die Pflanze Audrey II ist generell sehr nett und süß gestaltet worden. Egal ob in Mini oder in Groß, sie wirkt auf der Bühne, knallt in einem kräftigen Grün und den dicken roten Lippen von der Bühne in den Zuschauerraum. Einziger Wehmutstropfen: die Lippen-Synchronität mit den Songs, mögen einfach nicht gelingen. Im zweiten Akt wesentlich besser eingespielt, ist es der erste Teil der negativ auffällt. Die Pflanze singt oder spricht, aber die Bewegungen der Lippen stimmen in keinster Weise mit den Texten überein. An dieser Stelle sollte man in jedem Fall noch feilen. Der Gesamteindruck würde dadurch einfach wesentlich perfekter gelingen.
Die Bühnengestaltung von Ursula Beutler wurde ebenfalls wunderbar gelöst. Zwei geknickte Drehwände erzeugen Räumlichkeiten wie den Blumenladen, die Zahnarztpraxis, aber auch raue, etwas heruntergekommene Straßen. Ab und an senkt sich ein Vorhang, auf dem eine Projektion gezeigt wird. Nicht aufdringlich, gut durchmischt und nicht zu modern auf Effekte gezielt zeigt man hier im Velodrom eine ansprechende und solide Ausstattung und Technik. Ebenso fielen die Kostüme in das Ressort von Ursula Beutler. Auch hier ist nichts auffallend und gezwungen modern gestaltet, dennoch ziehen die kreativen Ideen- vor allem die der drei Großstadtgören- Blicke auf sich.
Eine gelungene Show mit überzeugenden Schauspielern hat das Velodrom an diesem Abend abgeliefert. Unter der musikalischen Leitung von Leonhard Garms zeigte die Band, dass sie Rockiges aber auch Balladeskes einwandfrei beherrscht. Eine durchweg anerkennenswerte Leistung.
Der Weg nach Regensburg ist also durchaus empfehlenswert. Nur sollte man keine Angst vor fliegenden Blumentöpfen oder ein Grauen vor dem Schmatzen und Rülpsen einer Megapflanze haben, wenn diese ihre Opfer verdaut.
Marina Christiana Bunk, 27.3.2009, Fotos by Theater Regensburg (J.Zizlsperger)