Obgleich es das Musical erst seit 1997 gibt, basiert der Inhalt wie so oft auf einem vorangegangenen Bühnenstück, in diesem Falle „Philadelphia Story“ – zu Deutsch „Die Nacht vor der Hochzeit“. Broadwaylegende Katherine Hepburn ließ das Stück einst von Autor Philipp Barry auf sich zuschreiben. 1939 wurde daraus ein einschlagender Broadwayerfolg. Ein Jahr später folgte die Verfilmung, in der neben Hepburne Schauspieler wie Tracy Lord, Cary Grant, James Stuart und Mike Connor die Promi Besetzung lieferten. 1956 durchlebte das Stück eine Neuauflage unter dem Titel „High Society“ – „Die oberen Zehntausend“. Als Schauspieler wurden diesmal Größen wie Bing Crosby, Frank Sinatra und Grace Kelley gewonnen. Auch Louis Armstrong mit seiner Band komplettierte das Staraufgebot. Mit der Musik von Cole Porter war somit ein weiterer Starfilm geboren.
Die Story: Im Grunde genommen ist es eine typische „Made in Amerika“-soapreife Geschichte. Tracy, eine wunderschöne Frau, die den oberen Zehntausend der Gesellschaft angehört, zweifelt am Tag vor ihrer zweiten Hochzeit, ob der Auserwählte auch der Richtige ist… Zu allem Überfluß taucht dann noch der geschiedene Exmann wie aus dem Nichts auf.
Alles klar? In Ordnung, holen wir etwas weiter aus. Die High Society-Familie Lord hat sich einen Tag vor der zweiten Hochzeit der älteren Tochter Tracy versammelt um den bevorstehenden Tag gebührend zu begehen. Mutter Margareth verwirrt fröhlich mit ihrer konfusen Art alle Anwesenden. Die kleine Schwester Dinah macht keinen Hehl daraus, dass Tracy und ihr Exmann Dexter wesentlich besser zusammen gepasst hatten, als sie und George. Der Vater, Seth Lord ist komplett abwesend. Man sagt ihm nach, er hätte eine Liebschaft mit einer Tänzerin… und dann wäre da noch der leicht senile Onkel Willie, der in all dem Chaos lieber dem Gin und dem weiblichen Dienstpersonal frönt. Zu allem Überfluss gelingt es einem Klatschreporterpaar – wie auch immer – sich als Gäste in dieses Tohuwabohu einzureihen. Was also tun? Man versucht zunächst den Schein zu wahren und so wird unter Tracy`s Regie eine perfekte Show abgezogen, wie es die „Welt da draußen“ von ihnen erwartet. Dem Klischee entsprechend wird also heftig übertrieben was das Zeug hält, man spricht betont selbstbewusst über sich, Reichtümer werden penetrant zu Schau gestellt, man ist ja schließlich Jemand… Ausgerechnet an diesem Abend aber kehrt Seth Lord reumütig zu seiner Frau zurück. Er tauscht unfreiwillig kurzum die Rolle mit Onkel Willie. Während all des Chaoses entdeckt der vermeintliche Brautvater seine Sympathie für Liz, der Reporterin und Fotografin. Und auch Tracy ist heftig beschäftigt mit Mike, dem Journalisten anzubändeln. Schließlich landen beide im Swimmingpool- vor den Augen des Zukünftigen George, der darüber alles andere als „amused“ ist. In dem gesamten Trubel ist einer, der sich diebisch über diese gesamte Entwicklung freut. C.K.Dexter Haven, Exmann von Tracy, dem es mit List gelungen ist das Reporterpaar einzuschleusen, lacht sich fleißig über die „High Society“ ins Fäustchen. Über dessen Rückkehr ist Dinah, die kleine Schwester mehr als erfreut und so ist es nur verständlich, dass im Nu zwischen Beiden ein Komplott geschmiedet wird.
Wer letztlich mit wem, wann und warum… lässt sich in diesem unterhaltsamen Chaos stets gut überblicken. Fakt jedoch ist: Jedes Töpfchen findet am Ende sein Deckelchen! Doch damit nicht genug- wir „Normalos“ haben es ja immer gewusst: Geld allein macht nicht glücklich!
Die Premiere von „High Society“ feierte Regensburg am 17. Mai 08 und bekam hierfür durchgehend positive Kritiken. Das Stück ist noch bis zum 17. Juli zu sehen. Eine Wiederaufnahme in der neuen Spielzeit ist ab 8. November 08 geplant. Hinter der wirklich erstaunlichen, amüsanten und liebevoll inszenierten Show steckt kein Anderer als Erfolgsregisseur Johannes Reitmeier (Intendant Theater Kaiserslautern, Intendant Kreuzgangspiele Feuchtwangen). Alle Protagonisten stammen aus dem Opernfach, was sich schnell und unschwer erkennen lässt. Einzig Randy Diamond in der Rolle des C.K. Dexter Haven ist ein renommierter Musicaldarsteller. Es doch immer wieder schön zu sehen, dass trotz geringer Förderungen der Theater ab und an doch ein Sternchen zum Theaterhimmel findet, das an Qualität, Charme und Charakter nur so glüht. In der heutigen Zeit von großen und kommerziellen Produktionen orientiert man sich doch eher am Geschmack des Massenpublikums. Es ist auch nichts Neues, dass es hierbei zu oft an Inhalt, Sinn und Qualität dieser „Longrunner“ mangelt. „High Society“ ist daher ein Vorzeigebeispiel, dass es auch ganz anders geht. Vor allem erinnert es den Besucher daran, welche wahre Bedeutung und Ursprung das Genre Musical eigentlich hat. Nämlich eine Weiterentwicklung und Mischung aus Oper, Operette, kombiniert mit hervorragenden Tanzchoreografien und modernen, ohrwurmverdächtigen Musikklängen. Alle Komponenten verschmelzen in diesem Stück zu einem daseinsberechtigten und sehr empfehlenswerten Bühnenfeuerwerk. Ein Evergreen nach dem anderen sorgt dafür, dass die Zuschauer sich tatsächlich ein wenig zeitlich rückversetzt fühlen. Hinzukommt der witzige und geistreiche Humor, der in den Dialogen von „High Society“ wiedergegeben wird und sich in uneingeschränkter Selbstironie die Bälle zuwirft. Es zeigt die Gesellschaftsschicht genau so unverblümt, wie man sich als Otto-Normalverbraucher die „Bussi-Bussi-Gesellschaft“ vorstellt.
Solisten, Ensemble sowie das Ballett des Theaters finden sich zu einer homogenen Mischung auf der Bühne zusammen, die nicht nur einen Augen- und Ohrenschmaus liefern, sondern im Gesamten eine gelungene Perfomance präsentiert. Dem Ballett und Ensemble sei an dieser Stelle ein gesondertes Lob ausgesprochen, das mit seinen Einsätzen inmitten der zahlreichen Soli immer wieder Glanzpunkte setzt. Einfallsreiche Tanzsequenzen mit viel Schwung bieten in schillernden, detailverliebten Kostümen eine Augenweide. Der 40er Jahre Style ist perfekt wiedergegeben durch die Dominanz der Pastellfarben Pink, Grün und Hellblau, sowie viel Schwarz und Weiß. Die Bühnengestaltung besteht im Grunde genommen nur aus einem Bauhaus Gebäude, das klappbar und drehbar ans Musical „Mamma Mia“ erinnert. Durch die vielseitige Umfunktionierung reduzieren sich die Bilder auf einen anmutenden Festsaal, die Eingangshalle und eine Außenfassade. Schlicht, einfach aber effektvoll, nicht penetrant aber präsent, so lässt sich die Bühne beschreiben. Und wieder einmal beweist es, nicht die Bühne allein macht den Zuschauererfolg aus. Das Rezept wäre doch stets so einfach: Man braucht eigentlich nur eine Handvoll hervorragender Sänger und Schauspieler und Tänzer und schon wird die Bühne zur schmückenden Nebensache. Okay, geben wir es zu, eine knallgefüllte Bühne lenkt gut und gerne auch mal von den Mankos der Protagonisten ab, was in diesem Falle aber absolut nicht zutrifft.
Wenn wir also schon beim Loben sind: hier sind in erster Linie einmal die Hauptdarsteller Gesche Geier (Tracy) sowie Berthold Gronwald (Onkel Willie) und Randy Diamond (C.K. Dexter Haven) zu erwähnen. Martin-Jan Nijhof als Verlobter George setzt mit seiner beeindruckenden und vollen Opernstimme in „Ich bet‘ dich an“ hohe Erwartungen an. Gesche Geier weist nicht nur einen breiten Stimmumfang auf, nein, sie schafft die Balance zwischen Power und Sanftheit in der Stimme problemlos zu regulieren. So zeigt sie tolle Stimmfacetten in „Ganz Paris träumt von der Liebe“ und „True Love“. Besonders überzeugend und amüsant wirkt sie, als sie völlig betrunken ihrem Zukünftigen gegenübersteht und verzweifelt versucht, sich an die Ereignisse (und Männer) der vergangenen Nacht zu erinnern. Die stimmliche Abwechslung zwischen Klassik und Musical gelingt ihr wirklich gut. Schauspielerisch überzeugt auch Bertold Gronwald als Onkel Willie. Er kann seine „Verwirrung“ glänzend rüberbringen und gerade dann, wenn er mal wieder zu oft zur Ginflasche gegriffen hat, muss auch das Publikum heftig schmunzeln. Allzu liebenswürdig sind die Szenen, in denen der in die Jahre gekommene Charmeur der jungen Reporterin Liz nachläuft um ihr Interesse zu erwecken. Randy Diamond als C.K. Dexter Haven sorgt für die Lacher in der Show. Seine Mimik und Gestik sitzt. Mit Diamonds amerikanischen Akzent wirkt er in Kombination mit seiner Sprechstimmlage zynisch. Im Übrigen unterstreicht seine Musicalstimme nicht nur charakterlich den Unterschied zwischen George, mit der Opernstimme und ihm als Dexter. Hierfür aber ist Regisseur Johannes Reitmeier unlängst bekannt, dass er in der Besetzung der Rollen ein ganz besonders erfolgreiches Händchen hat.
Der gelungenste Einfall dürfe in diesem Stück unbestritten der umfunktionierte Orchestergraben sein, der kurzum als Swimmingpool herhalten musste. Herrlich witzig, als Tracy das Vor-Hochzeitsgeschenk von Dexter, einem kleinen Segelschiff im Pool schwimmen lässt. Eine blaue Hand ergreift das zu „Wasser“ gelassene Schiffchen und simuliert ein Schwimmen mit eleganten Wellenbewegungen.
Einzig das Orchester lässt einen kleinen Punkt der Kritik zu. Es könnte hier und da die swinging-jazzy anmutenden Songs wesentlich stärker betonen, mehr Akzente setzen und dadurch mehr Pep und Power erzielen. So drohte das eh schon sehr langsame und romantisch gehaltene „True Love“ schier zu erlahmen. Der Showstopper bekommt in diesem Fall im wahrsten Sinne des Wortes eine „stoppende“ Bedeutung. In Swingsongs wie „High Society“ oder „Ich fühl mich gut“ könnte gerade der Bläsersatz entschieden mehr Schwung einbringen und es mal so richtig „scheppern lassen“. Und wo bitte sind die Dämpfereinsätze, die für diese Songs geradezu prädestiniert sind? Irgendwie wirkte die Musik an manchen Stellen ansatzweise lieblos heruntergespielt.
Fazit: „High Society“ in Regensburg ist eine rundum gelungene Musicalinszenierung. Es spiegelt die „Upper Class“ mit seinem bunten und frohen Treiben unterhaltsam wieder. Es wirkt zeitlos und ungekünstelt. Schön auch, dass man nicht versucht hat es gewollt auf modern zu inszenieren, was heutzutage oftmals als Muss betrachtet wird. High Society wird genau so präsentiert, wie es sich zu Zeiten Hepburnes abgespielt haben könnte. Neben fairen Eintrittspreisen kann man als Besucher in diesem kleinen und wunderschönen Theater völlig entspannt, ein zauberhaftes und liebenswertes Musicalerlebnis aus „alten Zeiten“ erleben.
Marina Christiana Bunk, 1.06.08
Fotos: Theater Regensburg