Die Zeit von David und Goliath modern ins Heute versetzt

Wieder einmal lud das Stadttheater Bielefeld ein, diesmal am Sonntag Abend, 07.10.2012, zur Premiere von Händels Oratorium (in drei Akten) „Saul“ aus dem Jahre 1738 (in Englisch mit deutschen Übertiteln). Die musikalische Leitung übernahm Alexander Kalajdzic, die Inszenierung Jörg Behr, Bühne Marc Weeger, Kostüme Eva-Mareike Uhlig und die Dramaturgie Uwe Sommer-Sorgente.

Bei einem Oratorium komponiert der Opernkomponist lediglich nur die Musik, jedoch gibt er keinerlei Vorgaben für die Bühne, so dass die Regie und Darsteller große Freiräume in der Gestaltung des Stücks haben.

In der bielefelder Version wird das Stück, welches zu der biblischen Zeit von David und Goliath spielt, in die jetzige Zeit verlegt.

Es geht um den jungen und starken David, der soeben den Riesen Goliath besiegte und nun als großer Held gefeiert und verehrt wird. Saul, Herrscher der Israeliten, möchte ihm als Belohnung seine Tochter Merab schenken, was David jedoch nicht annimmt, denn seiner Meinung nach „nur Gott der Preis gebührt“. Jonathan, der Sohn Sauls, ist von Davids Einstellung begeistert und gewinnt ihn als Freund. Im Gegensatz zu Merab, die den Stand Davids für sich als nicht angemessen erachtet, fühlt sich ihre Schwester Michal zu dem strahlenden Held hingezogen. Auch David ist sehr angetan von der grazilen Michal.

v. l. n. r. Cornelie Isenbürger (Michal), Melanie Kreuter (Merab), Frank van Hove (Saul) und Michael Pflumm (Jonathan)

Die große Feier für David und die Bewunderung des Volkes schüren jedoch den Neid Sauls, dem derzeitigen König von Israel, welcher von Gott berufen ist. David soll 10.000 Feinde getötet haben, Saul lediglich nur ein Zehntel davon. Die Macht Sauls schwindet, er wird wirr und hasst den „Newcomer“, was soweit geht, dass er versucht, ihn zu töten. David entkommt jedoch und nun erhält Jonathan den Auftrag, David zu ermorden. Dieser handelt jedoch genau gegenteilig und schlägt sich auf Davids Seite, sogar gegenüber seines Vaters. Dieser schmiedet einen Plan und gibt vor, David zu verschonen. Er „darf“ das Heer in die nächste Schlacht führen und bekommt die Tochter Michal; Hintergedanke von Saul ist allerdings, dass David in der Schlacht stirbt. Als dieses nicht eintritt, versucht Saul abermals, David zu töten – es bleibt auch diesmal bei einem Versuch. Den nächsten Versuch, David aus dem Weg zu räumen, unternimmt Saul beim Neumondfest, abermals vergeblich.

Michael Pflumm (Jonathan) und Frank van Hove (Saul)

Dieses ruft die Wut Sauls empor, diesmal sogar auf seinen eigenen Sohn, den er nun ebenfalls versucht umzubringen. Saul ist allein und sucht eine Hexe auf, um den Geist Samuels (Wladimir Miakotine) zu rufen. Samuel salbte als Prophet den König, konnte nun aber auch nur bestätigen, dass Gott Saul verlassen hat und sich zu David gekehrt hat. Auch prophezeit er, dass er und sein Sohn in der nächsten Schlacht sterben werden. Diese Worte erfüllen sich; als David die Todesbotschaft durch einen Boten erreicht, erschlägt er diesen. Das Volk beklagt zwar den Tod des alten Königs, feiert aber nun den neuen Herrscher.

Der junge starke David wird von dem Countertenor Clint von der Linde glaubhaft verkörpert. Mit längeren Haaren, gutem Schauspiel und schönen Arien, wusste er zu begeistern. Frank van Hove stellte den König Saul dar, der seine Lieder mit angenehmen Bass vorträgt.

Frank van Hove (Saul)

Clint van der Linde (David) und Michael Pflumm (Jonathan)

Hervorragend Tenor Michael Pflumm in der Rolle des Jonathans. Sowohl stimmlich als auch optisch ein Genuss für die Zuschauer. Als leicht verunsicherter Sohn Sauls wandelt er sich zum Rebell gegen den eigenen Vater, fasziniert von David. Diese Faszination empfindet auch David gegenüber Jonathan, was in der Szene zum Ausdruck kommt, in der Jonathan umkommt. David sagt, ihm war die Liebe zu Jonathan wichtiger, als die Liebe zu einer Frau. Zuvor bewegte David Jonathan wie eine Marionette, an unsichtbaren Fäden, während er von der Liebe zu einer Frau erzählt, was in einem sanften Kuss zwischen den beiden endet.

Melanie Kreuter (Merab)

Die beiden Töchter Sauls werden von Melanie Kreuter (Merab) und Cornelie Isenbürger (Michal) verkörpert. Beide durchlaufen eine schöne Veränderung und entwickeln sich weiter, von beiden sehr gut zum Ausdruck gebracht.

Auch erwähnenswert ist Lianghua Gong, der als Hoherpriester als Tenor positiv in Erinnerung bleibt.

Besonders hervorzuheben ist der große Chor, bestehend aus dem Opernchor und Extra-Chor, den das Theater auf die Bühne gebracht hat. Eindrucksvoll zwei Szenen, in denen auf der Bühne gefeiert wird und der Chor als Volk von hinten aus dem Zuschauerraum bzw. aus den seitlichen Türen in den Saal kommt und auf die Bühne geht. In etwa 50 Sängerinnen und Sänger stehen zeitgleich auf der Bühne.

So manch ein Premierenbesucher wird über die moderne Inszenierung überrascht gewesen sein, denkt man doch bei dem Thema „Saul“ wahrscheinlich weniger an korrekt sitzende Anzüge, einen David, der aussieht wie eine Mischung aus Rocker und Survival-Kämpfer oder an einen angedeuteten modernen Palast. Diese ganzen Sachen weisen darauf hin, dass auch die Geschichte in der heutigen Zeit spielen könnte, wo der alte Machtinhaber vom Jungen abgelöst wird, denkt man z. B. an die Situation im arabischen Raum.

Wer Interesse an einem schönen Oratorium mit guter Besetzung hat, etwas Zeit mitbringt (das Stück geht 3 Std. 10 Min. einschl. Pause) und offen für eine moderne Variante ist, ist bei dieser Produktion gut aufgehoben. Weiter Termine: 10.10., 14.10., 19.10., 22.11., 06.12. und 04.01.2013; Karten unter: 0521 -51 5454 oder unter www.theater-bielefeld.de

Fotos: Copyright by Kai-Uwe Schulte-Bunert

 

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