Die Fledermaus ist eine der drei bekanntesten Operetten in drei Akten von Johann Strauss. Im April 1974 hatte sie Uraufführung im Theater an der Wien und gehört seither zum absoluten Basiswissen in der Musikwelt. Unzählige Inszenierungen und Einspielungen, mal mehr oder weniger gelungen durchlebt das unsterbliche Stück seitdem und dennoch flattert die Fledermaus erfolgreicher und beliebter denn je durch die Lande.
MFJ hat die Inszenierung von Annette Lubosch im Ludwig Thoma Haus in Dachau bei München besucht und war mehr als erstaunt, welch qualitativ hochwertiges Theater hier geboten wurde.
Die verwirrende Komödie ist zu recht ein beliebter Klassiker im Genre Theater. Doch für alle, die das Stück nicht kennen sollten, hier eine kurze Zusammenfassung:
Die Szene beginnt im Vorherrschaftlichen Hause von Einstein. Hausherr Gabriel von Einstein soll eine Arreststrafe wegen Beleidung einer Amtsperson antreten. Auf Anraten seines langjährigen Freundes Dr. Falk beschließt er zuvor noch eine Party beim Prinzen Orlofsky zu besuchen. Er ahnt nicht, dass Dr. Falke diesen Vorschlag nicht ohne Hintergedanken geplant hat. Einst waren beide auf einem Kostümball zugegen. Gabriel als – nach seinen Aussagen – wunderschöner Schmetterling und Dr. Falk dagegen als „gräuselige Fledermaus“. Diese Geschichte versäumt der Mann der hohen Gesellschaft bei keiner Gelegenheit zu erzählen und gleichzeitig Falk bloßzustellen. Rache ist süß, gemäß dem Motto: „Wer zuletzt lacht…“
Letztlich jedoch ist es ein Komplott des Dr. Falk, der dem Prinzen Orlofsky ein Spektakel der Sonderklasse versprochen hat. Sämtliche Affären, Irrungen und Wirrungen der höheren und niedrigeren Gesellschaft, gleichgültig ob Ehefrau, Kammerdienerin, Gefängnisdirektor oder Advokat… alle werden am Ende auf amüsante Weise aufgedeckt, gefördert oder verhindert.
Die Schauspieler haben durch die Bank weg erstaunliches Können und Talent bewiesen. Neben dem Lyrischen Opern Ensemble e.V., Dachau tritt die Ballettschule von Marie Taglioni auf. Als Choreograph hat Prof. Carlos Reyes gute Arbeit geleistet. Für die Regie stand wie bereits geschrieben Annette Lubosch, für die Bühne verantwortlich ist Tanja Erdmann. Die Abteilung Kostüme bediente Amand Castilla Perez.
Musikalischer Leiter dieser Inszenierung ist Opern- und Konzertdirigent Anton Zapf. Ihm ist hinzuzufügen, dass er neben einer erstaunlichen Vita u.a. seine Ausbildung im Musikgymnasium bei den Regensburger Domspatzen abschloss. Seitdem hat er in 14 Ländern über 60 Orchester dirigiert, u.a. an der Oper in Stuttgart, Hamburg, Helsinki, Paris, Oslo, oder Braunschweig. Zapf bekam unzählige anerkannte Preise im In- und Ausland. Der Künstler ist auch im Bereich Sport erfolgreich und engagiert. So kann er sich Weltmeister der Masters im Skispringen im Jahr 2007 nennen.
In den Rollen zu sehen waren wie folgt:
Dr. Eisenstein: Richard Wiedl
Rosalinde: Jutta Maria Fries
Adele: Gesa Jörg
Dr. Falke: Peter Trautwein
Prinz Orlofsky: Kathrin Anna Stahl
Alfred: George V. Humphrey
Frank: Andreas Agler
Frosch: Andreas Harwath
Ida: Miriam Galonska
Richard Wiedl als Dr. Eisenstein liefert über den gesamten Abend hinweg eine überzeugende und amüsante Rolle. Der gebürtige Münchner schafft es den zweigleisig-fahrenden Ehemann mit viel Witz und Charme zu verkörpern und durch seine Stimme zu fesseln.
Jutta Maria Fries als Rosalinde wirkt vor allem in Szenen mit ihrem Liebhaber Alfred, gespielt und gesungen von George Humphrey, herrlich komödiantisch und unterhaltsam. Ihre Stimme überzeugt vom ersten Ton an und ihr Schauspiel ist zusammen mit Humphrey stimmig und harmonisch. Wie sie ihre Affäre zunächst mit Scham dennoch mit zielstrebiger Art praktizieren bringt so einige Lacher im Publikum auf.
Gesa Jörg als Adele ist der der sexy Eyecatcher dieser Inszenierung. Das „Zimmermädchen“ schafft es mit ihren Heulattacken die Lachmuskeln zu reizen. Aber auch stimmlich und in jedem Fall schauspielerisch ist man als Zuhörer beeindruckt, wie überzeugend sie die Wandlung des naiven Mädchens zur berechnenden Frau vollzieht. Eine tolle Leistung! Vor allem ihr bayrischer Akzent sorgt für viele amüsierte Gesichter.
Peter Trautwein spielt die bloßgestellte „Fledermaus“ – oh pardon, ist Dr. Falke. Stimmkraft und schauspielerisches Talent komplettiert den hochgewachsenen Sänger und Schauspieler, der herrlich verschmitzt seinen Plan verfolgt und sich wunderbar schadenfroh am Ende mit dem Prinzen Orlofsky, gespielt von Kathrin Anna Stahl, amüsieren kann. Er schafft es als eine prägnante Figur im Kopf des Zuschauers zu verbleiben. Seinen schwäbischen Akzent setzt der gebürtige Ulmer hier passend und sehr zum Amüsement der Zuschauer ein. Als „Pärchen“ mit dem Prinzen wirkt er überzeugend. Auch Kathrin Anna Stahl passt nahezu perfekt mit Trautwein als Duo zusammen. Sie kann den russischen Dialekt sehr witzig imitieren und durch ein schönes Schauspiel und eine reine Stimme überzeugen.
Gefängnisdirektor Frank, alias Andreas Agler verkörpert nicht unbedingt die Art von Direktor, den man vielleicht erwartet. Er ist groß, trägt eine Hornbrille, braune Hose, karierte Weste und wirkt eher brav, unsicher und schlacksig-witzig. Er erinnert strikt an Brad aus der Rocky Horror Show. Er bekommt so einige Lacher vom Publikum geschenkt, einfach wunderbar-witzig spielt er seine Rolle.
Andreas Harwarth als Frosch hat eher eine kleine Rolle gegen Ende der Inszenierung. Dennoch kann der Gefängniswächter mit Witz, Schauspiel und Stimme zum Gelingen des Stückes wunderbar beitragen.
Ebenso Miriam Galonska in der Rolle der Ida, die Schwester. Die Jüngste der Solistenriege macht ihre Sache schon sehr gut und kann ebenfalls überzeugen und das Publikum amüsieren.
Das 12-Köpfige Orchester, inklusive Dirigent, schafft es den kompletten Abend durchgängig eine hervorragende Leistung abzuliefern. Schmissig, rasant führt Zapf durch den Abend. Kein Schleppen, kein Ziehen, kein mangelnder Ausdruck scheint aufzukommen. Er hat sein Orchester im Griff und kann den Sängern den perfekten Backround bieten. Die Spielfreude ist ihm ins Gesicht geschrieben. Interessant ist es allemal, des Öfteren einen Blick neben die Bühne zu werfen.
Ensemble und Chor glaubt man die Freude am Singen und Spielen ebenso wie den Solisten. Sie unterstützten die Ensemblenummern kräftig und tragen zu einem gelungenen Gesamteindruck und Gesamtbild bei.
Die Bühne ist einfach, schlicht aber effektvoll. Sie lenkt nicht vom eigentlichen Bühnengeschehen ab, lässt dennoch keine Wünsche offen. Dies gilt auch für die Kostüme, die ebenfalls passend aber dezent gehalten sind.
Nicht zu vergessen ist abschließend, dass diese Inszenierung ein wirklich durchgehend gelungenes Bühnenspektakel ist. Der Humor, der in dieser Komödie seinen Einsatz findet wirkt zu keinem Zeitpunkt primitiv oder gezwungen. Die Pointen wurden perfekt gesetzt und verfehlten ihre Wirkung in keiner Szene. Man hat kleine Nuancen in Sachen Modernisierung des Stückes vorgenommen, die man als Zuschauer durchaus wahrnimmt, die dennoch niemals negativ auffallen oder störend wirken. Eine rundum gelungene Inszenierung, die jedem Musicalfan durchaus sehr zu empfehlen ist, findet man also in Dachau bei München.
Tipp von MFJ: Reingehen, amüsieren, guten Witz mit tollen Stimmen und schmissiger Musik erleben und danach „beflügelt in die Nacht flattern“!
Marina Christiana Bunk, September 2009