„Was ist mit dem Kind?“ – Vom Konzeptalbum zum Musical

Philipp Dietrich mit seinen beiden kleineren „Ausgaben“

Am 23.09.2012 feierte das Musical „Tommy“ von The Who Premiere im Stadttheater Bielefeld. Die musikalische Leitung übernahm William Ward Murta, die Inszenierung und Choreographie Götz Hellriegel.

Das Musical beruht auf dem Konzeptalbum von The Who aus dem Jahre 1969 und wurde das erste Mal als Musical in 1993 aufgeführt.

Hauptperson ist der Junge Tommy (Philipp Dietrich), den das Publikum über einige Jahre hinweg begleiten darf. Tommys Vater Captain Walker, in der bielefelder Inszenierung von Alexander Franzen verkörpert, muss 1940 in den Krieg ziehen und kommt erst Jahre später nach Hause, zur Überraschung von seiner Frau (Carina Sandhaus), die er mit ihrem Geliebten erwischt und diesen erschießt. Das alles musste Tommy in einem Spiegel mit ansehen. Seit diesem Vorfall reagiert Tommy auf nichts mehr, so als wäre er taubstumm und blind – niemand kommt an heran.

Weder die Eltern, noch Ärzte oder Wunderheiler. Trotz, dass sein Vater freigesprochen wird, kommt von ihm keine Regung, obwohl es gute Nachrichten sind. Auch wird er von seinem Onkel Ernie (Carlos H. Rivas) und seinem Cousin Kevin (Nicky Wuchinger) missbraucht und gedemütigt. Zufällig stellt sich aber heraus, dass Tommy ein Genie am

Flipperautomaten ist und wird zum gefeierten Star. Da er jedoch weiterhin nicht redet, steigt die Wut der Mutter, sie glaubt, Tommy würde nur etwas vorspielen, und sie zerstört in einem Gefühlsausbruch den Spiegel, in dem Tommy als Kind das Verbrechen mit anschauen musste und seitdem immer hineinstarrt und eine ältere Version seiner selbst sieht. Dadurch ist der Moment gekommen, wo Tommy wieder spricht, sieht und hört; eine „Wunderheilung“, von der die Zeitungen berichten. Alle seine damaligen „Feinde“ sind plötzlich – doch schon immer- auf seiner Seite gewesen, er wendet sich zu diesem Zeitpunkt von den Eltern ab. Bei einem Auftritt kommt sein Fan

Carina Sandhaus und Philipp Dietrich

Sally an ihn heran, er bemerkt nun, welch ein Wirbel um ihn gemacht wird und beschließt, seine Karriere hinter sich zu lassen und lädt seine Fans zu sich nach Hause ein. Er möchte einfach nur nach Hause und ein normaler junger Mann, wie alle anderen, sein. Als seine Fans merken, dass er einfach nur einer von ihnen sein möchte, sind diese irritiert und wenden sich von ihm ab, sie wollten sich doch in seinem Ruhm sonnen. Tommy verzeiht seiner Familie, verabschiedet sich und bricht in sein neues Leben auf.

Philipp Dietrich

Wieder einmal hat das Theater auf große Bühnenkulissenteile gesetzt (Dietlind Konold ist verantwortlich für das Bühnenbild und die Kostüme): Zwei metallene Türme rechts und links bilden den Rahmen, in der Mitte wird oftmals das Wohnzimmer gezeigt. Besonders auffällig ist in dieser Inszenierung, dass die Jahreszahlen sowohl als Übertitel aber auch groß mit Kreide (leider nur für den Rang sichtbar) auf den Bühnenboden gemalt werden, so dass man immer weiß, in welchem Jahr man sich befindet. Die Türme werden auch als Podium genutzt, von dem der große Tommy die Geschichte erzählt. Ganz in weiß gekleidet macht Philipp Dietrich eine sehr gute Figur in der Rolle, ob als „Erzähler“ oder im späteren Teil des Stückes als großer Flipperkönig mit silbernem Helm am funkensprühenden Flipperautomaten. Frisch von der Joop van den Ende Academy in Hamburg hat er am Bielefelder Theater seine erste, und mit Sicherheit nicht letzte, große Rolle.

Alexander Franzen

Alexander Franzen spielt souverän, zusammen mit der erst jungen Ehefrau und später reifenden Mutter, Carina Sandhaus, die Rolle der Eltern. Besonders in Erinnerung bleibt sicherlich das Duett „Ich glaub, was ich seh“. Auch Nicky Wuchunger, bekannt aus dem Musical Hairspray in Tecklenburg, ist sehr präsent auf der Bühne – bei „Wir sind allein, Cousin“ bedroht er Tommy mit einem Bügeleisen, Messer, fesselt ihn und stülpt ihm einen Beutel über den Kopf.

Brigitte Oelke

 

Ein Höhepunkt ist auf jeden Fall der Auftritt von Brigitte Oelke. Mit rockiger Stimme singt sie als Acid Queen gleichnamiges Lied, begeistert damit das Publikum und erhält Szenenapplaus. Weiteren Szenenapplaus bekommt Carlos H. Rivas, für die Verkörperung des schmierigen Onkels Ernie, der zwei Solonummern hat, „Ich mach an Dir rum“ im ersten Akt, sowie „Tommy Feriencamp“.

Wer einmal eine packendes Rock-Musical, in dem allerdings nicht allzu viel gesprochen wird, mit sehr guter Liveband sehen möchte, sollte unbedingt einen Besuch im Theater Bielefeld einplanen und sich zeitig um Karten kümmern, da die Vorstellungen schon so gut gebucht sind, dass schon Zusatztermine vor der Premiere gesetzt wurden.

Copyright Pressefotos: Matthias Stutte

 

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