Mit Spannung erwartet wurde die Medienpremiere des Stückes „Das Wunder von Bern“ am 22.11.2014, welches ab jetzt in Hamburg zu sehen ist. Nicht nur das Stück ist eine Weltpremiere, auch das Theater ist nagelneu.
Es ist der erste Neubau eines privat finanzierten Musicaltheater in Deutschland seit 1999 und setzt auf modernste Technik (über 100 Lautsprecher im Saal, die Tonanlage kann theoretisch mehr als 100.000 Watt produzieren, rund 100 Moving lights und 150 konventionelle Scheinwerfer lassen die Darsteller im besten Licht erstrahlen). Das Theater an der Elbe, genauso wie „König der Löwen“, per Boot zu erreichen, hat 50 Millionen Euro gekostet und soll jährlich ca. 650.000 zusätzliche Besucher nach Hamburg in den Saal, der Platz für 1.850 Zuschauer hat, locken.
Mit dem Wunder von Bern wird ein von Stage Entertainment selbst entwickeltes Musical gezeigt. Neben Stücken wie z. B. „Tarzan“ und „Phantom der Oper“ wollte man die eigene Kreativität fordern, auf deutsche Übersetzungen verzichten und die kulturellen Hintergründe des eigenen Landes, wie auch schon in „Hinterm Horizont“, berücksichtigen. Das Musical ist das Endprodukt wirklich gelungener und innovativer Ideen, made in Germany. Hier kann man sehen, wozu Theater heutzutage in der Lage ist, was durch modernste Technik machbar wurde, was noch vor einigen Jahren undenkbar erschien. Angeführt wird das kreative Team vom erfolgreichen Theater- und Filmregisseur Gil Mehmert, der auch das Buch für die Bühnenfassung erstellte. Für die großartigen Melodien und Lieder sind Martin Lingnau als Komponist (er arbeitete u.a. schon mit Bully Herbig und Udo Lindenberg zusammen), und Frank Ramond, der auch schon für Roger Cicero oder Barbara Schöneberger schrieb, als Liedtexter verantwortlich.
Das Stück handelt von der Fußballweltmeisterschaft 1954 in Bern. Zu dieser Zeit, kurz nach dem Krieg, versucht Deutschland nach vorne zu schauen. Im Mittelpunkt steht die Familie Lubanski aus Essen. Der Familienvater Richard (Detlef Leistenschneider) kommt als Spätheimkehrer nach zehn Jahren überraschend aus dem Krieg zurück. Seine Frau Christa (Vera Bolten) hat als typische Trümmerfrau eine kleine Kneipe eröffnet, in der auch die gemeinsame Tochter Ingrid (Marie Lumpp) arbeitet, die das Leben genießen möchte und, genau wie ihr Bruder Bruno (David Jakobs), auf Rock `n` Roll steht. Nun lernt der Vater auch den kleinen Matthias, genannt Mattes, (Riccardo) kennen, der zur Welt kam, nachdem Richard in den Krieg musste. Durch den Krieg auseinander gelebt, müssen sich Richard und seine Familie erst wieder aneinander gewöhnen, kämpfte doch jeder alleine für sich um das Überleben. Ist es erst seltsam, wenn plötzlich der Vater wieder da ist, der zuvor nie da war und versucht, das Kommando in der Familie zu übernehmen. Trotz Streit und Tränen findet die Familie aber wieder zusammen, auch wenn Bruno, der KPD anhängig, in die DDR auswandert. Dass der Vater seinen kleinen Sohn liebt, zeigt er dadurch, dass er versucht, mit ihm zum Endspiel der Weltmeisterschaft, Deutschland gegen Ungarn, zu fahren, wo das Idol, das zugleich auch ein Freund vom kleinen Matthias ist, spielt, nämlich „der Boss“ Helmut Rahn, der für Matthias in den vergangenen Jahren eine Art Vaterersatz war. Er hilft ihm die Tasche tragen und Rahn sieht in Matthias ein Maskottchen, ohne das er keine wichtigen Spiele gewinnen kann. Wir sehen eine deutsche Mannschaft, die im Fußball als Außenseiter über sich hinauswächst und so geschehen Wunder, sowohl im Fußball auch als im Leben.
Bei der Besetzung hat man auch hier wieder auf bekannte und großartige Darsteller gesetzt, wie zum Beispiel Detlef Leistenschneider (Bekannt aus „Der Schuh des Manitu“ oder als Rocky im gleichnamigen Musical), Elisabeth Hübert (Jane aus „Tarzan“) oder Dominik Hees (Buddy in „Buddy Holly“/Rum Tum Tugger in „Cats“). Aber auf Grund der Thematik des Stückes kamen auch professionelle Fußball-Freestyler und Trick-Choreographen zum Zug.
Leistenschneider überzeugt als Kriegsheimkehrer, der den Wandel vom Soldaten mit Angstzuständen zum liebenden Vater, mit einer guten Vera Bolten an seiner Seite als Ehefrau Christa, souverän meistert. Die Familie wird von Marie Lumpp als Ingrid und David Jakobs als Bruno neben Riccardo als „Mattes“ komplementiert.
Das frischverheiratete Ehepaar, bestehend aus dem jungen motivierten Reporter Paul Ackermann und der gut situierten Anette Ackermann, wird gespielt von Andreas Bongard und Elisabeth Hübert.
Großartig die deutsche Nationalmannschaft, beispielweise dargestellt von Pedro Reichert als Toni Turek, Mark Weigel als Fritz Walter und Daniel Therrien als Ottmar Walter.
Das Bühnenbild von Jens Kilian ist vorrangig düster, man setzt passend zum Ruhrpott auf dreckige Farben, Schornsteine qualmen vor sich hin, es ist alles dunkel gehalten. Es wird sehr viel auf Animationen im Hintergrund gesetzt und auch auf Videos. Noch der wenigste Qualm aus den Schornsteinen im Hintergrund der Animation zieht mit dem Wind davon. Besonders eindrucksvoll ist das Bühnenbild, wenn Tiefe auf der Bühne entsteht, zum Beispiel bei der Einfahrt eines Zuges.
Alles in allem ein sehr gelungenes Stück, von allem ist etwas dabei, man merkt, dass die Produzenten und kreativen Köpfe von jedem etwas einfließen lassen wollten, von der schweren Nachkriegszeit, der Euphorie des Fußballs, dem politischen Ausbrechen, der Hoffnung auf eine bessere Zeit und vielem mehr. Denkt man, dies alles sei schwer zu vereinen, so sollte man sich beim „Wunder von Bern“ eines Besseren belehren lassen und zuschauen, was dort auf die Bühne gezaubert wurde.
Tickets und Infos unter: www.musicals.de, Tickethotline: 01805-4444, Tickets bereits ab 39,00 Euro zzgl. Gebühren erhältlich.
Copyright Fotos: Holger Kersting, Stage Entertainment