Die Rosenblätter fielen am 29.09.2011 zum ersten Mal auf einer deutschen Bühne. Bernd Julius Arends, der Herr des Hauses, begrüßte das Publikum vor Beginn der Vorpremiere recht herzlich und erinnerte alle Anwesenden daran, dass dies quasi der allererste Testlauf sei. Auch Dirk Schattner, der Regisseur des Stücks, wandte noch einige Worte. Vor allem dankte er Bernd Julius Arends für eine unbeschreibliche Probenwoche und den Service, der „wirklich einzigartig ist“.
Wie einzigartig nicht nur der Service vorab war, sondern wie einzigartig auch dieses Stück und allen dahinter steckenden kreativen Köpfe sind, sollte der Abend noch zeigen. Auch die Atmosphäre in diesem kleinen, mit viel Herzblut ins Leben gerufene Theater ist in der Tat einzigartig.
Wenn Rosenblätter fallen ist ein Stück über ein langjähriges Tabuthema: Sterbehilfe. Sterbehilfe ist aber auch stark umstrittenes Thema. Viele Stimmen sagten bereits im Vorfeld, dass es einer großen Portion Mut bedarf, dieses Thema auf die Bühne zu bringen.
Der 19-jährige Till, ausdrucksstark von Dirk Johnston gespielt, lebt mit seiner Mutter Rose, ergreifend dargestellt von Carin Filipcic, allein. Sie ist in Tills Leben die starke und einzige Frau. Ihre kleine Welt bricht erst zusammen als sie an Krebs erkrankt. Der Hirntumor verändert alles. Da die zwei nur sich auf der Welt haben, ist es für Till selbstverständlich, dass er sie pflegt und ihr hilft, wo er nur kann. Doch alles scheint bergab zu gehen. Letzten Endes spricht sie das Thema Sterbehilfe an, doch Till kann und will nicht begreifen wie sie an so etwas nur denken kann.
Nach ihrem Tod steigt er in ihre Fußstapfen und studiert an der Kunsthochschule. An dem Tag, an dem er sein Studentenzimmer bezieht, platzt Iris herein und die Dinge nehmen ihren Lauf. Seine offenherzige Nachbarin wird von Jana Stelley gespielt.
Diese Inszenierung besticht durch ihren ganz eigenen Charme. Das, im Gegensatz zu großen Produktionen minimalistische Bühnenbild von Beata Kornatowska, ist bis ins kleinste Detail durchdacht.
Die Texte und Musik von Rory Six, Kai Hüsgen und Ellen de Clercq greifen wie Zahnräder ineinander – gerade eben noch zu Tränen gerührt, folgt in der nächsten Szene bereits der nächste Lacher. Diese Lacher rühren unter anderem daher, dass das Stück immer wieder zwischen verschiedenen Zeiten hin- und herspringt und sich so die komödiantischen Szenen zwischen Iris und Till in die traurigen Szenen zwischen Rose und Till eingliedern.
Dirk Johnston, der einzige Mann auf der Bühne, zeigt eine starke Bühnenpräsenz. Nicht nur, dass er beinahe ununterbrochen auf der Bühne steht, er leidet mit seiner Rolle richtig mit. Am Ende des Stücks, wenn Rose stirbt, ist nicht nur das Publikum zu Tränen gerührt, auch Dirk ließ seinen Tränen freien Lauf. Die Rolle passt stimmlich sehr gut zu ihm. Er hat sowohl bei den ruhigen Tönen, als auch bei den kräftigen Passagen überzeugt.
Carin Filipcic spielt die totkranke Rose derart überzeugend, dass es jeden direkt tief berührt. Schon bei ihrem ersten Lied gehen ihre Stimme und der Text tief ins Herz. Zu Beginn gibt Rose nicht auf und als sie begriffen hat, dass sie nicht mehr lange leben wird, versucht sie die letzten Wochen mit ihrem Sohn zu genießen. Diesen wechselnden Charakterzug spielt sie wunderbar und niemand zweifelt daran, dass diese Art echt sein könnte.
Jana Stelley bringt mit der Rolle der Iris positive Züge in das Stück. Iris greift auf eine forsche Art in Tills Leben ein und möchte ihn erobern, koste es was es wolle.
Rose hat für Till allerlei Geschenke und Briefe in einer Schachtel verstaut, sodass er auch nach ihrem Tod noch Geschenke zu Geburtstagen und Weihnachten bekommt. So bekommt er zu seinem 19. Geburtstag ein Buch über Kama Sutra. In der Geburtstagskarte warnt seine Mutter ihn allerdings, dass Seite 124 ziemlich schmerzhaft aussieht. Wie es jeder Mensch kennt, schießt er diese Warnung in den Wind und gerade weil er gewarnt wurde, probiert er es aus. Auf diese Weise fühlt sich der Zuschauer direkt mit dem Stück und auch mit Till verbunden, denn dieses Handeln kennen wir alle.
Wenig später taucht Iris auf und der schüchterne Till möchte das Buch am liebsten verstecken, doch Iris nimmt es ihm ab und liest ebenfalls die Karte. Die zwei kommen sich so immer näher.
Dieses Stück ist ein wahrer Schatz, es besticht nicht nur durch tiefgreifende Texte, wunderschöner Melodien und großartigen, harmonierenden Stimmen, sondern auch durch das Herzblut, das in dieser Produktion steckt.
Auch beschreibt es Situationen, die aus dem Leben vieler Menschen stammen könnten, und zeigt eine faszinierende Lebensweisheit auf:
Ein Teil von mir lebt in einem anderen Menschen weiter!
Sabine Dettloff für Musicalfotojournalismus