Das neue Musical Rebecca, das am 8.12.2011 Premiere im Stuttgarter Palladium Theater feiern wird, wirft seine Schatten voraus. Renommierte Musicalstars wie Pia Douwes oder Thomas Borchert verkörpern zwei der drei Hauptrollen. In der Dritten ist ein weiterer strahlender und junger Stern zu sehen. Lucy Scherer, längst keine Unbekannte im Film- und Theaterbusiness. Sie verkörperte beliebte Rollen wie Sarah aus „Tanz der Vampire“ in Berlin sowie Stuttgart, Eponine in „Les Miserables“ in St. Gallen oder zuletzt Glinda in der Deutchlandpremiere von „Wicked die Hexen von Oz“, ebenfalls in Stuttgart. Nach einem Jahr Musicalpause kehrt sie zurück auf die Bühne zu Rebecca. Zuvor war sie in der TV-Soap „Hand aufs Herz“ in einer Hauptrolle zu sehen. Seitdem ist endgültig der Hype um diese zierliche Frau mit den stechend blauen Augen und den charmanten Grübchen ausgebrochen. Lucy Scherer, mehr denn je „heiss“-geliebt, hat es längst geschafft. MFJ freut sich die humorvolle und sympatische Ausnahmeschauspielerin für ein Gespräch getroffen zu haben.
Lucy, blicken wir auf Dein letztes Jahr zurück. In der Soap „Hand aufs Herz“ (kurz HaHe) hast Du schauspielerisch ein neues Terrain betreten. Wie kam es zu der Rolle der Jenny und wie lautet Dein Fazit?
Seit dem Jahr 2006 bin ich in einer Agentur für Film und Fernsehen, aber war bisher durchgängig in Musical engagiert. Während der Zeit von „Wicked“ bin ich schon zu TV und Kino Castings gegangen. Ich spürte zu dieser Zeit, dass ich diesen Bereich gerne kennenlernen möchte. Nach ein paar Castings hat es dann relativ schnell geklappt mit der Rolle der Jenny Hartmann für die SAT1 Telenovela
„Hand aufs Herz“. Als ich hörte dass man in der Rolle singen und tanzen muss war mir klar: Ja, ja, ja! Das ist es! Ich habe mich unheimlich darüber gefreut, auch wenn ich so gar nicht wusste, was mich dort erwartet.
Es ist schwer, die Zeit in wenigen Worten zusammen zu fassen, weil sie sehr intensiv war und ich wahnsinnig viel gelernt habe. Ich hätte niemals erwartet, welch enormen Zeitaufwand es bedeutet eine durchgehende Serienrolle zu spielen. Ich dachte immer- Musical ist absoluter Leistungssport- anstrengender kann es nicht mehr werden. In der Serie lernte ich jedoch bald neue Stressfaktoren kennen, z. B. der enorme Zeitdruck und -aufwand. Da kommen locker 60 Arbeitsstunden zusammen, Aussendrehs, das viele Textlernen, wöchentlich wechselnde Regisseure.
Der Sprung ins kalte Wasser war ganz schön erfrischend 🙂 Ich stellte viele Unterschiede zur Arbeit eines Bühnenschauspielers fest. Beim Fernsehen dreht man nie chronologisch, sondern Szenen durcheinander. Es herrscht ein enormer Zeitdruck, alles ist minutiös geplant und man muss als Schauspieler schnell entscheiden und reagieren. Wenn man von der Bühne kommt ist man es gewohnt Dinge zu proben- zu perfektionieren. Im TV ist dafür wenig Zeit und man muss sehr kompromissbereit sein. Das ist mir am Anfang recht schwer gefallen. Hinzu kam dann noch das Tanzen und Singen, das Einsingen der Songs.
Die allgemeine Wertschätzung was die Produktionsanforderungen einer täglichen Serie angeht, ist in Deutschland meiner Meinung nach viel zu niedrig. Was unter diesem Zeitdruck geschafft wird ist unglaublich. Die Arbeit hat eine andere Intensität als am Theater. Hinzu kommt, wenn der Empfänger viel näher an einem dran ist lernt man z.B. nicht so laut zu reden, oder zu gestikulieren. Ich musste lernen diese andere Spannung zu finden und zuzulassen.
Außerdem wurde mir eine ganz besondere Story anvertraut in meiner Rolle als Jenny. Ich verkörperte ein lesbisches Mädchen. Anfangs war ich etwas überrascht, spürte aber schnell dass mich die Geschichte interessierte und ich der Sache offen und neugierig begegnen wollte. Ich hatte auch das Glück, eine wunderbare Kollegin an der Seite gehabt zu haben, Kasia Borek. Die Geschichte über die beiden Mädchen hat viel losgetreten, auch international. Damit hatten wir beide nicht gerechnet. Seitdem Kasia bei Anna ist, gucke ich regelmäßig :). Ich muss sagen, ich sehe solche Soaps heute aus einem ganz anderen Blickwinkel.
Gab es bei HaHe eine witzige Situation die Du gerne erzählen möchtest?
Es war ziemlich am Anfang, eine Szene mit Dennis und Emma. Wir saßen inmitten einer Geisterbeschwörung. Wir hatten einen Tisch aufgebaut und Gläser sollten sich wie von Geisterhand bewegen. Alles war sehr mystisch, mit einem Gong und Kerzen die brannten. Ein Vogel sollte gegen die Scheibe fliegen und die Szene dramatischer machen. Das mit dem Glas hat aber nicht funktioniert. Ein Magnet am Glasboden, sowie unter dem Tisch sollte das Glas über von der Stelle ziehen. Alles war so schräg. Gar nichts hat klappt. Und wir sind da gesessen, mussten ernst bleiben, aber das ging irgendwann einfach nicht mehr. Für mich als Jenny war es doppelt schwer, weil Jenny sich ja schon davor lustig über die Sache gemacht hatte. Ich konnte daher keinen der anderen ansehen ohne zu lachen. Die saßen alle da, waren angestrengt ernst zu bleiben, wenn da jemand auch nur tief Luft holt ist das schon unglaublich witzig. Wir haben so gelacht. Auf der Fahrt nach Hause waren wir dann alle echt total fertig.
Wir waren die Reaktionen Deiner Kollegen/-innen auf Deine TV-Rolle?
Hier in der Cast gibt es viele mit denen ich zum ersten Mal zusammenarbeite. Wir lernen uns gerade alle erst kennen und unterhalten uns hauptsächlich über REBECCA. Die Kollegen aber, die es wissen finden es interessant. Es gibt auch Kollegen, von denen ich weiß, dass sie die Soap gesehen haben und mir Komplimente gemacht haben, das freut mich dann natürlich.
Denkst Du, dass diese neue Fan-Base der Serie eine gute PR für das anstehende Musical „Rebecca“ ist und eine neue Klientel ins Theater lockt?
Ich glaube schon. Ich sehe es auch in meinen Blogs oder auf meiner HP, dass die Leute schreiben, dass sie sich das Stück ansehen wollen. Genau weiß man es natürlich nicht, denn das Stück läuft in Stuttgart und für manche ist es mit erheblichem Aufwand verbunden hierher zu kommen. Ich glaube schon dass es so manchen gibt, der vorher nichts mit Musicals am Hut hatte, und sich nun doch mal eines ansehen wird. Manchmal bekomme ich sogar Mails in denen die Leute schreiben, dass sie für bestimmte Tage Tickets gekauft haben und ich da dann unbedingt spielen muss. Ich werde einen Spielplan online stellen, da können die Fans dann gucken wann ich spiele und sich danach organisieren ;-).
Apropos Fanbase, wie siehst Du den ganzen Hype um Jenny, der durch die Serie entstanden ist? Wie ist Deine Reaktion auf manche Kommentare?
Bei HaHe hatte jeder Schauspieler seine Fansite. Meine kam recht spät dazu. Ich habe leider nicht so viel Zeit regelmäßig News online zu stellen, aber ich freue mich, wenn Bilder hochgeladen werden, oder wenn sich die Fans unterhalten. Ich finde das ziemlich cool. Natürliche lese ich Kommentare und freue mich darüber. Besonders, wenn ich etwas geschrieben habe und keine zwei Minuten später sind dann schon unzählige Kommentare und Likes zu sehen.
Kommen wir zu „Rebecca“. Wie sahen Deine Vorbereitungen aus?
Wir müssen uns alle zunächst auf die Stimmung einlassen. Alles wächst, denn wir haben das Stück ja noch nicht komplett durchgespielt. Langsam erwacht der Spirit der Show und die Musik sorgt für Gänsehautfeeling.
Zu meinen Vorbereitungen: Natürlich habe ich das Buch gelesen und es gibt unheimlich viele Verfilmungen, allen voran die von Alfred Hitchcock. Rebecca ist eine so spannende Geschichte und bei der Vielzahl der Filme ist es interessant zu erkennen, warum das Interesse an der Geschichte so groß ist. Es gibt so viele unglückliche Seelen in dem Stück, wie beispielsweise den Maxim. Eigentlich ist er ein absoluter Gentleman, manchmal aber braust er auf und verliert seine Fassung. Was ist der Grund? Warum heiratet er das junge Mädchen „Ich“? Und dann: Wer war Rebecca? Wieso hat die Ehe nicht funktioniert? …viele Fragen stehen im Raum. Dann ist da die Mrs. Danvers, die auch sehr seltsam ist… Jeder der Charaktere hat sein Geheimnis. Das ist wirklich interessant und hat Krimicharakter. Es ist aufregend, da diese zwischenmenschlichen Beziehungen so unterschiedlich und angespannt sind.
Inwiefern sind Michael Kunze und Silvester Levay während Eurer Probenzeit involviert?
Bis jetzt waren beide vor Ort in Stuttgart. Natürlich nicht jeden Tag. Sie erklären uns ihre Arbeit, das Stück, teilen uns interessante Informationen, Gedanken, Vorstellungen mit. Man merkt, wie unglaublich wichtig ihnen das Musical ist. Ich bin ein echter Kunze-Levay-Fan geworden. Es ist für uns Schauspieler auch toll so nah am Kreativteam dran zu sein und die Entwicklung mit ihnen zu erarbeiten.
In „Rebecca“ spielst Du die introvertierte „Ich“. Bisher waren Deine Rollen (Jenny, Glinda, Lulu) gegenteilig, also extrovertiert. Welcher Charakter liegt Dir eher?
Ich finde es schwieriger eine humorvolle Rolle zu spielen als eine Dramatische, weil man das Timing jeden Abend neu finden muss. Dramatik erfordert eine ganz andere Energie und Anstrengung als Komödie. Bei Wicked dachte ich mir oft, ich würde so gern mal wieder ein Opfer spielen, weil ich so lange dort eine Zicke spielte, die immer so über allem stand. Deshalb freue ich mich jetzt ganz besonders auf die Rolle der „Ich“.
Wie sieht Dein persönliches „ICH“ aus. Hast Du einen persönlichen Spielraum Deine Rolle zu interpretieren?
Ja, auf jeden Fall. Unsere Regisseurin Francesca Zambello gewährt uns viel spielerischen Freiraum. Es ist anders als bei Wicked, wo alles genauestens definiert ist was man tun muss. Hier in Stuttgart wird so manches etwas anders sein als in Wien oder St. Gallen. Ich bin da sehr gespannt.
Welche persönliche und größte Herausforderung hat für Dich die Rolle der „Ich“?
Für mich persönlich wird die größte Herausforderung glaube ich diese Weichheit, Ruhe und das geduldige, offene Ohr zu bewahren. Ich als Lucy würde mir das alles nicht gefallen lassen, – würde mich viel früher wehren. Die „Ich“ ist sehr klug, intelligent und weise. Sie hat ihre Familie verloren, das ist nicht lange her im Stück. Es kommt nicht so direkt in der Handlung hervor, aber das ist wahrscheinlich eine Sache, die sie prägt, ihr eine gewisse Stärke als ruhige Persönlichkeit verleiht. Dieses Wissen hilft mir im Spiel. Gerade dann, wenn ich gerne aufmucken möchte, wird mich das runterbringen und ich werde diese ruhige Art der „Ich“ leichter umsetzen können. „Sie wird was sie ist“ sagte Michael Kunze zu mir zu Beginn der Proben. Ich finde den Satz so toll, denn er ist doch das Lebensziel von jedem Menschen. Dieses, mein, „Ich“ muss einen steinigen Weg gehen. Das Schicksal schlägt wild um sich und das am Theater zu spielen ist besonders spannend.
Was auch nicht so leicht für mich ist: Das Palladium Theater strahlt in meinem inneren Auge immer noch grün, doch immer öfter schon schimmert es blau. Ich merke, ich muss erst in Rebecca reinwachsen, weil überall und alles noch Wicked ist… die Erinnerungen stecken noch in mir.
Die Geschichte ist inhaltlich sehr anspruchsvoll, denn die „Ich“ verändert sich und entwickelt sich in dem Stück. Wie wirkt das Stück zusammen mit der Musik auf Dich persönlich?
Ich bin wie gesagt großer Kunze und Levay Fan. Man merkt, dass es aus deren Federn stammt. Das finde ich toll, weil ich ihren Stil mag. Viele Szenen sind unterlegt mit Underscoremusik, die den spannungsreichen Charakter der Show transportiert. Ich selbst bin in dem Stück sehr viel auf der Bühne und habe viele Duette. Für mich ist es daher spannend, wenn beispielsweise Levay seine Kompositionen erklärt. Er hat die Stücke für die „Ich“ schlicht gehalten, weil sie selbst ein schlichtes Mädchen ist. Schlichtheit heißt aber auf keinen Fall einfach.
Oh genau, und dieses Mal werde ich zumindest nicht umgebracht. Da freut sich mein Vater. Er meinte schon, „Kind was spielst Du nur für Rollen, entweder wirst Du tot gebissen, erstochen oder erschossen.“
Hattest Du gesanglich spezielle Vorbereitungen?
Ich arbeite an der Geradlinigkeit meiner Melodien und wachse in die verschiedenen Farben hinein. Ein Beispiel: der Titel „Heut Nacht verzauber ich die Welt“ fühlt sich nach Walt Disneys Arielle an. Ich mag die Nummer sehr gern, sie ist im Gegensatz zur Wiener Fassung ein Duett zwischen „ich“ und ihrem „Mädchen“ Clarice.
Gibt es Personen, mit denen Du gerne mal zusammen arbeiten möchtest und wer wäre dies?
Oh da gibt es sehr, sehr viele. Im Musical-Bereich fallen mir Namen ein wie: Friederike Haas, Heike Schmitz, Serkan Kaya, Detlef Leistenschneider oder Drew Sarich.
Ja und ein Traum ging ja schon in Erfüllung: Pia Douwes,… Das ist schon so der Hammer. Ich erinnere mich, als ich mit 14 Jahren mit meinen Eltern in Wien bei „Elisabeth“ war und Pia auf der Bühne bestaunte. Jetzt stehe ich dort oben neben ihr :). Pia ist ein sehr humorvoller Mensch, ich musste schon so viel mit ihr lachen. Sie jetzt in dieser strengen Rolle spielen zu sehen ist sehr spannend.
Und dann Thomas: ich kenne ihn ja auch und finde, er ist der perfekte Maxime.
Lucy, Du gehörst zu den beliebtesten Schauspielerinnen und anerkanntesten Musicaldarstellerinnen. Welcher Beruf wäre für Dich interessant gewesen, wenn Du nicht auf der Bühne gelandet wärst?
(Freut sich) Das ist ja eine coole Frage, die ich noch nie gestellt bekommen habe. Ich wollte mal Goldschmiedin werden, wobei ich glaube, das hätte nie funktioniert, ich bin zu ungeduldig. Das war das Konkreteste, bevor ich mit dem Musicalstudium begann. Ich kann mir nicht mehr vorstellen was anders zu machen. Manchmal sehne ich mich danach ein plastisches Ergebnis meiner Arbeit in den Händen halten zu können. Im Theater ist der Moment ja weg. Beim Fernsehen hat man am Ende den Film. Manchmal wäre ich auch gerne Töpferin, da hält man das Ergebnis der Arbeit in den Händen und kann es sehen. Aber hier auf der Bühne zu stehen, das ist schon das Richtige für mich.
Für die Premiere „Toi, Toi, Toi“, alles erdenklich Liebe und Glück, sowie zahlreiche weitere begeisterte Fans
Marina C. Bunk und Tina Zippler