Les Miserables, ein Klassiker in Magdeburg

les_misHPO1429presse

„Les Miserables“ ist nicht zuletzt durch den diesjährigen Kinoerfolg wieder in aller Munde und wurde hierdurch auch dem Nicht-Musical-Volk somit bekannt. Dieses Jahr wurde der Klassiker auf dem Magdeburger Domplatz in einer Open Air-Version aufgeführt. Vom 21.6.2013 und nur noch bis zum 20.07.2013 wird man auf eine frühe Reise nach Frankreich mitgenommen und erlebt hautnah, was sich dort zugetragen hat.

Victor Hugo`s dreiteiliger Roman aus dem Jahre 1862 hat nichts von seiner Aktualität verloren. Wenn es auch heute nicht mehr um Royalisten und Republikaner geht, kann man dennoch viele Elemente in die heutige Zeit übertragen.

 

Bei unserem Besuch dieses Musicals, am 14.07.2013, konnten wir uns einen Einblick darüber verschaffen, was diese seit Jahren sehr erfolgreichen Domfestspiele zu bieten haben. 2013 gehen diese zum 5. Mal an den Start und schon sehr früh waren alle Tickets für sämtliche Vorstellungen vergriffen. Soviel darf verraten werden, nächstes Jahr wird hier die „Rocky Horror Show“ zur Aufführung gebracht werden.

Schon bei der Ankunft auf dem Domplatz kommt man am Thema „Les Miserables“ nicht vorbei. Ein Bauzaun schützt vor neugierigen Blicken und zugleich stimmt er auf das Thema ein. Denn es sind Planen außen herum gespannt, die das Logo des Musicals und das Magdeburger Theater im Wandel der Zeit darstellen.

Es ereilt den Besucher das Gefühl, als würde er schon bei der Suche des Sitzplatzes sofort ins Jahr 1815 zurückversetzt werden.

Die Bühne ist im Übrigen sehr beeindruckend und kreativ, sowie funktionell raffiniert konzipiert und gestaltet.bild2

Ein riesiger Holzrundbau, 3-stöckig, der teilweise auf Schienen zu einem kompletten Kreis geschlossen werden kann dominiert die Bühne. Es wirkt sehr plastisch und verleiht der Optik viel mehr Tiefe.

Die Musik setzt ein und kurzen Augenblick später findet man sich in Toulon im Straflager wieder. Durch bedruckte Stoffbahnen, die herabfallen, hat man den Eindruck, dass man sich in dem Steinbruch befindet, in der die Szene spielt. Im Anschluß fallen die Stoffbahnen zu Boden und werden vom Ensemble weggetragen.

Es spielt sich die gesamte Handlung in diesem Holzrundbau. Je nach Szene werden einzelne oder mehrere Bühnenteile funktionell verschoben.

Bild1Die Kostüme wirken sehr authentisch und sind schlicht ohne Spielereien gehalten. Sogar der Schmutz in den Gesichtern scheint aus dieser Zeit zu stammen, so real kommt es beim Zuschauer rüber.

Gesagt werden muss, dass selbst Kleinigkeiten hier beachtet werden. Zwischen den Schienen befindet sich die Quelle, aus der Valjean Wasser schöpft. Diese ist dort geschickt versteckt worden. Es fällt nicht auf, aber im passenden Moment wird ein Deckel geöffnet und schon ist sie im Auge des Betrachters vorhanden. Eine tolle Idee.

Als sich Valjan in einen Mann von Stand verwandelt, ist dies auch gut an der Veränderung seiner Kleidung zu erkennen. Seine Lumpen werden zu edlen Gewändern, die Haare sind geglättet und geschnitten. Optisch nimmt man ihm  sofort sein Amt des Bürgermeisters ab.

Das Ehepaar Thenardier sticht in jeder sehr speziellen Art und Weise heraus. Alem voraan durch ihre Kleidung, die schrill und bunt gehalten ist. Jedes Enseblemitglied, inklusive der Kulissenschieber, passen perfekt ins Bild Frankreichs in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Kostümabteilung hat hier ganze Arbeit geleistet.

Mit Blut wird übrigens auch nicht gegeizt. Die Verwundeten und Toten sehen fast „abgeschlachtet“ aus. In der Szene, in der Cosette in den Wald geschickt wird um Wasser zu holen, bekommt der Spruch “der Wald hat Augen“ einen ganz neuen Sinn. Er wird von Menschen dargestellt, die Zweige halten. Diese Szene  zeigt, mit wieviel Liebe zum Detail das Magdeburger Kreativteam gearbeitet hat. Selbst so eine Handlung, die keine Schlüsselszene darstellt, wurde detailverliebt ausgearbeitet. Es vermittelt dem Zuschauer das Gefühl, er könne Cosette’s Angst beinahe „mit den Händen greifen“.

Irritierend, etwas negativ fiel auf, dass angenommen werden muss, dass teilweise Musik vom Band im Stück eingespielt wird. Erkennbar ist die Vermutung daran gemessen, dass die Musiker, rechts neben der Bühne überdacht untergebracht, entspannt auf ihren Stühlen saßen, ebenso der Dirigent Platz genommen hatte. Jedoch hörte man ein Orchester, das Musik spielte. Somit liegt die Vermutung nahe, dass bestimmte Stücke eingespielt werden. Dies ist aber eine rein subjektive Annahme. Als Besucher ist man jedoch irritiert.

Der Ton ist sehr gut ausgesteuert. Selbst aus den hinteren Reihen überlagert die Musik keinen Sänger. Die Dialoge und auch die Lieder sind gut abgemischt und kommen klar verständlich in den Zuschauerreihen an.

Jeder Theatergänger weiß, mit Licht kann man sehr tolle Stimmungen erzeugen. So auch in Magdeburg. Als bespielsweise Javert  sein Solo „Sterne“ singt, erhellen einzelne Lichtpunkte die hintere Szenerie und wirken wie ein gewaltiger Sternenhimmel. Das ist wahrlich eine beeindruckene Idee und Umsetzung. Auch zu sagen ist, das Licht hat zu keinem Zeitpunkt die Zuschauer geblendet oder gestört, wie es so oft bei Bühnenstücken vorkommt. Tolle Leistung. Am Ende war alles lichttechnisch in die entsprechende Stimmung getaucht.

Ein weiterer beeindruckender Punkt muss erwähnt werden. Obgleich teilweise – vor allem in Ensemble- bzw. Chornummern – mindestens 50 Protagonisten auf der Bühne stehen, wirkt die Choreografie immer spielerisch und nie überladen oder hölzern.

Natürlich wirken durch so einen gewaltigen Chor Lieder wie „das Lied des Volkes“ noch bombastischer und überwältigender. Da ist Gänsehaut vorprogrammiert! Man muss an dieser Stelle dem gesamten Ensemble ein Lob aussprechen. Alle beherrschen ihre Texte und sind hervorragend aufeinander eingespielt. Obwohl es sich bei diesem Stück ja nicht um eine Longrunprodukton handelt, hat man das Gefühl, als spielten diese Darsteller berits über einen langen Zeitraum schon dieses Stück, ja täglich und man vergisst fast, dass sie „nur“ Schauspieler sind. Sie bringen das Stück sehr authentisch rüber!!

Die Hauptrollen sind stimmgewaltig und durchgehend gut besetzt.

Die Hauptfigur Jean Valjean wird dargestellt von Thomas Borchert. Er hat diese Rolle schon 1998 in Duisburg gespielt und hat sie von damals bis zum heutigen Zeitpunkt natürlich für sich verändert. Sein Spiel hat sich gewandelt. Vor allem die Rolle des älteren Valjan spielt er überzeugend verzweifelt, andererseits aber auch willensstark, dass man es ihm sofort abnimmt wie er leidet, wie er kämpft, hofft und bangt. Eine sehr gelungene Besetzung dieser Rolle.

Sein Gegenspieler Inspektor Javert ist mit Markus Liske ebenfalls sehr gut besetzt. Dieser mimt den verbohrten Gesetzeshüter sehr glaubhaft und gerade im Zusammenspiel mit Thomas Borchert agiert er sehr ausdrucksstark und harmonisch.

Fantine, gespielt von Bettina Mönch, ist ebenfalls bestens geeignet für diese Rolle. Die Todkranke spielt sie ebenso mit Überzeugungskraft, genauso, wie man ihr die „Hure“ abnimmt. Als sie Valjan das Versprechen abnimmt, sich um ihre Tochter zu kümmern, nimmt man ihr ernsthaft ihre Sorge um ihr Kind ab. Bettina Mönch ist seit Jahren ebenfalls eine renommierte Musicaldarstellerin.

Eponine (Christina Patten) gelingt es hervorragend, ihre Stimmungen glaubhaft zu vermitteln. Die Verliebheit in Marius aber gleichzeitig auch auch die Trauer um die nicht erwiderte Liebe transportiert sie überzeugend. Man leidet mit ihr und wenn sie in den Armen ihres Liebsten stirbt, rollen doch etliche Tränen der Zuschauer hinab.

Cosette (Teresa Sedlmair): Ihre Liebe zu Marius (Oliver Arno) kauft man ihr leider nicht so recht ab. Sie muss viel schauspielerische Überzeugungsarbeit aufbringen, damit man ihr glaubt. Das ist ein kleiner Wehmutstropfen, dennoch stimmlich kann sie mit einem hohen und klassischen Sopran überzeugen.

Marius (Oliver Arno): Er spielt herzerfrischend seine Rolle. Glaubhaft ist es, wie er zeurst verliebt in seine Cosette sich recht naiv gibt. Später staunt man über seine Wandlung zum ernsthaften und jungen, erwachsen Kämpfer, bei dem der Kummer und die Verwundung der Zeit gereift. Fazit: Schauspiel und Stimme: klasse.

Enjolras (Marc Lamberty) zeigt einen selbstsicheren Kämpfer und man glaubt ihm, dass er um jeden Preis um seine Freiheit kämpfen will. Er wirbelt auf der Bühne führt überzeugend die Studenten und Revoluzzer an. Er ist eine sehr gute Besetzung in dieser Rolle.

Das Ehepaar Thenardier (Gabriela Stoppel-Bachmann und Peter Wittig) hat viele Lacher auf ihrer Seite, wenn sie auf der Bühne agieren. Sie spielen so überzeugend, wie ein altes Ehepaar und man glaubt, die Verschlagenheit würde aus ihren Augen springen. Besonders Peter Wittig ist klasse in der Rolle des Gauners.

Die Rolle des Gavroche  wird zumeist durch einen männlichen Kinderdarsteller besetzt. Da diese Veranstaltung aber erst um 21 Uhr beginnt, übernimmt diese Rolle Sandra Pangl. Sie spielt hervorragend diese Rolle des kleinen Lausbuben und lässt ganz schnell vergessen, dass es sich hierbei um eine junge Frau handelt. Lediglich, wenn sie möglichst gebückt, um kleiner zu wirken, über die Bühne huscht, muss man ab und an in sich hineinlächeln.

Wer gerade Probleme mit den ganzen Namen hat, kann hier noch mal nachlesen, wer wer ist: http://www.musicalfotos.de/wp/?p=633#more-633

Dem Kreativteam um Gil Mehmert ist eine opulente Bühnenfassung gelungen, die wirklich sehens- und hörenswert ist und die wir jedem nur ans Herz legen könnten, wäre nicht schon am 20.7.2013 die Derniere wäre. Schade! Das ist das große Manko an Sommerfestspielen, dass diese nie über eine wirklich langen Zeitraum gespielt werden.

Wenn diese Inszenierung das Maß aller Dinge in Magdeburg ist, werden wir sicherlich nicht zum letzten Mal beim „Domplatz Open Air“ gewesen sein!!! Wir freuen uns aufs nächste Jahr, wenn der „Time warp“ rockt! Bis dahin aber, hören wir gerne zu, „wie das Volk erklingt“ und am 20.07.2013 sicherlich mit großem Wehmutstropfen ausklingt.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Publizistik abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.