Ein mörderisches Stück hat sich dieses Jahr das künstlerische Team der Ettlinger Schlossfestspiele ausgesucht.
Das Bühnenbild ist eine Art Häuserreihe, ganz in schwarz. Dies wirkt düster und somit sehr passend zum Musical-Thriller, wie das Stück gern bezeichnet wird.
Wie viel Blut wohl fliessen wird? Leider keines, aber das macht diese Inszenierung nicht weniger gruselig. Statt Theaterblut verwendet man hier rotes Licht. Sofort weiß man, das hat jetzt aber ordentlich gespritzt.
Ein kleiner Chor betritt die Bühne und erzählt die Geschichte von Sweeney Todd. Diese beginnt mit der Ankunft des jungen Anthony Hope und Sweeney Todd in London. Monate verbrachten sie zusammen auf dem Schiff, dass sie nun nach Hause fuhr. Beide werden von einer Bettlerin „begrüßt“, die auch eine Irre sein könnte. Mr. Todd erzählt Anthony von einem Barbier. Benjamin Barker hieß dieser, glücklich verheiratet und frischgebackener Vater einer Tochter, wird aufgrund einer Intrige des mächtigen Richters Turpin und seinem Handlanger Büttel Bamford unschuldig angeklagt und verbannt. Dies ist 15 Jahre her.
Die Wege der beiden Männer trennen sich. Anthony streift durch London und landet ahnungslos vor dem Haus des Richters. Er erblickt auf dem Balkon die wunderschöne Johanna. Erneut taucht die Bettlerin auf und warnt ihn vor der Unberechenbarkeit des Richters Turpin. Doch Anthony ist blind vor Liebe.
Sweeney Todd begibt sich in die Fleet Street, wo er auf Mrs. Lovett trifft. Diese betreibt einen heruntergekommenen Pastetenladen. Über diesem Laden hatte Benjamin Barker einst seinen Salon. Von ihr erfährt er was aus Benjamins Familie wurde. Lucy, die Frau und die Tochter Johanna geraten unter die Obhut von Richter Turpin. Lucy wird vom Richter vergewaltigt und ist ohne ihren Mann am Ende ihrer Kräfte. Sie sinkt immer tiefer, landet auf der Straße, bis sie schließlich in einer Apotheke Arsen kauft und seitdem nie wieder gesehen wird. Benjamins Tochter wird daraufhin von Richter Turpin adoptiert.
Mrs. Lovett erkennt in Sweeney Todd Benjamin Barker wieder und überreicht ihm sein Rasiermesser, welches sie, warum auch immer, all die langen Jahre aufbewahrte. Ebenso seine Wohnung über ihrer Bäckerei steht noch immer frei und wird sogleich von Todd bezogen.
Auf dem Marktplatz fordert Sweeney Todd einen anderen Barbier zu einem Wettkampf heraus. 5 Pfund setzt er auf die Wette, dass er schneller und sauberer rasiert als Pirelli. Der Italiener nimmt die Herausforderung an und verliert prompt. Beeindruckt von Sweeneys Handwerk verspricht Zuschauer Büttel Bamford bis Ende der Woche bei Todd vorbei zu schauen. Der Barbier kann es nicht erwarten, sein Messer rachsüchtig durch seine Kehle gleiten zu lassen. Doch anstatt Bamford, erscheint Pirelli, der seinen früheren Meister erkannt hat und nun erpresst. Und schon haben wir unser erstes Opfer.
Doch nur wohin mit der Leiche? Toby, der Assistent von Pirelli, darf schließlich auch keinen Verdacht schöpfen. Die Lösung kommt natürlich von der geschäftstüchtigen Mrs. Lovett. Es wäre doch viel zu schade, bei den Fleischpreisen, ihn einfach so zu begraben!!! Man ahnt Schlimmes… Oh, was für eine hervorragende Idee. Gesagt getan. Aus Pirelli und den darauf folgenden Opfern, werden die besten Pasteten! Jeder liebt sie und kann nicht genug davon bekommen. Das Geschäft floriert mehr denn je. Und was wird aus Toby? Er wird kurzerhand von Mrs. Lovett aufgenommen und wird fortan beim Backen helfen. Die Welt schein in Ordnung zu sein, wäre da nicht die sensibilisierte Bettlerin die einzig merkt, dass da etwas nicht stimmt.
In der Zwischenzeit beschliesst Richter Turpin seine Adoptivtochter Johanna zur Frau zu nehmen. Lange schon hat man am Verhalten des Richters erkannt, dass seine Zuneigung zu seiner Tochter nicht von natürlicher Art ist. Abgesehen davon hat er sie von der Außenwelt abgeschottet, eingesperrt und jeglichen Kontakt zu Menschen, v.a. Männern wie beispielsweise Anthony untersagt. Nun aber kann er sich der Schönheit Johannas nicht mehr entziehen und will auch seine immer mehr und mehr steigende körperliche Begierde nicht mehr zurückhalten. Anthony erfährt dies von der traurigen zukünftigen Braut und formen einen Plan, in dem sie beschließen zu fliehen. Doch wie es das Schicksal will, der Richter kommt ihnen zuvor und sperrt Johanna ins Irrenhaus.
Verzweifelt erhofft sich der Verliebte Hilfe von seinem alten Freund. Sweeney Todd läßt sich nicht lange bitten. Zu lange sann er auf Rache gegenüber Turpin. Dies ist seine Chance. Er hilft seinem zukünftigen Schwiegersohn. So schreibt Todd dem Richter einen Brief, in dem er „verrät“, dass sich Johanna heute Abend bei ihm verstecken wird.
Der alte Liebestolle eilt direkt nach Erhalt des Briefes zum Barbier und diesmal gab es kein Entrinnen. Hatte Todd doch ein wenige Tage zuvor schon den Büttel grausam erledigt ist nun sein Erzfeind an der Reihe. Kurz vor dem Todesschnitt gibt er sich als Benjamin Barker zu erkennen und noch eher der Richter reagieren kann, erledigt Barker ihn mit voller Freude, hasserfüllt und rachsüchtig. Die Genugtuung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Endlich hat er sich gerächt, … – doch wer ist da noch im Zimmer und hat alles beobachtet?
Es ist Johanna, die sich dort versteckte. Da diese sich wie ein Seemann verkleidete, erkennt Todd sie auf Anhieb nicht und setzt zum Todesstoss an. Nein er tötet sie nicht! Warum nicht? Um das herauszufinden, fahren Sie am besten selbst nach Ettlingen und sehen sie selbst. Lassen Sie sich dieses Stück nicht entgehen. Vor allem das Ende ist doch für die Meisten unerwartet und darf um keinen Preis verraten werden.
Die Besetzung ist durchgehend hervorragend und das Orchester sorgt für angenehmen musikalischen Grusel.
Fernand Delosch bringt die emotionalen Qualen des Barbiers, die er durch den Verlust seiner Familie erlitt stimmgewaltig und sehr überzeugend rüber. Spielt er doch den mordlüsternen Sweeney Todd so überzeugend, dass man doch fast bei jedem Mord dessen Erleichterung selbst fühlen kann.
Gudrun Schade gibt eine wunderbar heuchelnde, beeinflussende, egoistische und habgierige Mrs. Lovett. Sie singt stimmstark und hat in keiner Minute Probleme damit, den umfangreichen Text auf die manchmal sehr komplexen Melodien zu zaubern. Macht es doch unglaublich Freude zu sehen wie sie sich heimlich in Sweeney verliebt, ihn aber doch zu ihrem Vorteil versucht zu beeinflussen, seine Mordlust ankurbelt, ganz zum Nutzen ihres Ladens.
Jon Geoffrey Goldsworthy beeindruckt gesanglich sowie schauspielerisch als Richter Turpin. Seine innerliche Zerrissenheit wird von den Gefühlen, die er für seine Tochter entwickelt hat, überzeugend dargestellt. Weiß er doch, dass es nicht richtig ist sein Mündel zu begehren, und doch kann er sich der Fleischeslust nicht entsagen.
Das junge Paar Johanna und Anthony wird von Madeleine Haipt und Nikolaj Brucker dargestellt. Sie passen optisch und stimmlich sehr gut zusammen. Verliebtheit und Hoffnungslosigkeit der Figuren werden perfekt umgesetzt.
Der“ kleine“ Toby… Hier stellt sich die Frage: sollte es ein Knabe sein, ganz wie im Film und in einigen anderen, bisherigen Produktionen, oder doch eher ein Erwachsener, leicht dümmlich-naiv? Denis M. Rudisch beherrscht beide Fächer und verleiht sie abwechselnd seinem Charakter. Hätte seine Figur bedauerlicherweise nicht diese grauhaarige Perücke getragen, wäre er glatt optisch als junger Bursche durchgegangen. Mit einer engelsgleichen Stimme unterstrich er sein Schauspiel und überzeugte mit einer kindlichen Neugier und Leichtigkei, mit der er Mrs. Lovett zur Hand ging.
Das gesamte Ensemble ist hervorragend und machte den Abend zu etwas Besonderen.
Hierunter waren es: Sabine Schwarzlose, Thomas Schirano, Sascha Nikolic, Oliver Heim, Mathias Förster, Florian Claus, Julia Dietsch, Robert Meyer, Maria Mucha, Carolin Ruthig, Marc Schlapp und Wiebke Wötzel.
Sweeney Todd wird von MFJ „wärmstens“ empfohlen, auch wenn es recht „zapfig“ am Tag der Premiere war. Eine Decke oder eine Sitzunterlage sollte man in jedem Fall als Ausrüstung mitnehmen 😉
Alle Termine, Preise und Infos finden Sie auf www.schlossfestspiele-ettlingen.de
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