„Les Misérables“, die Elenden dominieren im Großformat in den Kinos

les-miserables-defaultMittlerweile kennt eigentlich jeder Musicalfan das Stück „Les Misérables“, entstanden aus dem Roman von Victor Hugo. Sei es aus Duisburg (1996-1999), Berlin von 2003-2004, und anderen Orten wie Tecklenburg (2006), Bad Hersfeld (2007), St. Gallen (2007), Seebühne Thun (2007), Füssen (2007) etc.. Nicht zuletzt erlebt das Stück aufgrund der Kinoverfilmung seit dem 21.02.2013 einen Boom und neuen Bekanntheitsgrad.

Das Musical ist eines der meist aufgeführten Stücke, auch hier in Deutschland. Weltweit wurde es in 23 Sprachen übersetzt. Laut Wikipedia kann das Musical bis zum August 2005 folgende Fakten aufweisen: mehr als 51 Millionen Zuschauer in 38 Ländern und 227 Städten. Mehr als 50 internationale Auszeichnungen, darunter 8 Tony-Awards, der „Oscar“ der Musical-Szene.

Die Uraufführung war im Jahr 1980 in Paris, London startete 1985 und ist schon seit dem Jahr 2006 das Musical mit der längsten Laufzeit. 1987 hatte der Broadway das Juwel für sich entdeckt. 2010 feierte „Les Miserables“ seinen 25sten Geburtstag und es gehört mittlerweile zum guten Ton, dass London diese Jubiläen mit konzertanten Aufführungen mit Live-Übertragung in alle Welt aus der Royal Albert Hall feiert.

Was aber ist die Faszination von Les Mis? Es ist eine spannende Geschichte mit facettenreichen Figuren, echtem Tiefgang umwoben von wunderschönen Melodien mit poetischen Texten.

Speziell in der aktuellen Verfilmung geht bei den Liedern nicht nur um musikalische Qualität, sondern ums Schauspiel. Dass Regisseur Tom Hooper die Darsteller live vor der Kamera singen lässt zeigt sich zu Beginn schon, dass dies eine überzeugende und weise Entscheidung war. Kommt alles so wesentlich authentischer und realer rüber. Die Musik von Claude-Michel Schönberg packt, reißt mit, verleitet zum Träumen, Leiden und – fast zum Mitsterben. Hier sind es Hollywoodstars wie Hugh Jackman, Anne Hathaway, Russel Crowe, Amanda Seyfried, Helena Bonham Carter und Sacha Baron Cohen, die eine sagenhafte Besetzung komplettieren. Eddie Redmayne ist wohl die stimmliche, sowie schauspielerische Neuentdeckung des Filmes. Natürlich aber dürfen „echte“ Protagonisten aus der Londoner Westend Bühne nicht fehlen, und so hat man Samantha Barks sowie die Kinderdarsteller Daniel Huttlestone und Isabelle Allen vom Fleck weg engagiert.

Wie bei allen Verfilmungen scheiden sich die Geister, ob diese nun gelungen oder misslungen ist. Am Ende entscheidet der Geschmack jedes Besuchers. Dem einen kann nicht genug gesungen werden, der andere vermisst Dialoge, da fast durchgehend gesungen wird. Dies übrigens auf Englisch, die Dialoge sind auf Deutsch. Süffisant könnte man sagen, hier hätte man die spärlichen Texte ebenfalls in englischer Sprache belassen können, zumal sich das Stück durch seine Songs von selbst erklärt.

Zur Handlung: Der Sträfling Jean Valjean wird nach 19 Jahren aus dem Zuchthaus entlassen. Für das Kind seiner Schwester stahl er ein Brot und musste dafür „einsitzen“. Jahre später gelingt es ihm eine neue Existenz aufzubauen. Doch er findet keinen Frieden. Polizeiinspektor Javert, damals Aufseher im Zuchthaus, erkennt ihn und die Jagd ist eröffnet.  Die Beweislage nimmt im Laufe des Stückes zu. Javert ist überzeugt, einmal ein Dieb, immer ein Dieb, Menschen ändern sich nicht. Doch Valjean ignoriert ihn und nimmt sich der Tochter der totkranken und sterbenden Fabrikarbeiterin Fantine an.  Cosette lebte zuletzt beim gierigen Wirtspaar Thénardier und wurde dort als Haushaltshilfe gehalten, während deren Tochter Eponine als Prinzessin aufgezogen wurde. Jahre später: Die französische Revolution ist im vollen Gange. Die Studenten bauen Barrikaden auf, darunter der junge Marius Pontmercy.  Es ist Liebe auf den ersten Blick, als Valjean mit seiner Ziehtochter in Paris einen Unterschlupf sucht. Auch Cosette ist von Marius angetan, doch sie ist nicht alleine. Eponine, ebenfalls eine junge Frau geworden hat schon lange ein Auge auf den attraktiven und mutigen Studenten geworfen, der sie jedoch eher als Kumpel wahrnimmt. Eponine muss erkennen, dass ihre Liebe unerwidert bleibt.  Nach endlosen Kämpfen siegt die Liebe und Valjean erkennt, dass er gegen diese machtlos ist, auch wenn er Cosette gerne für sich alleine hätte. Kurzum rettet Valjean den verletzten Marius, schleppt ihn durch die Kanalisation und pflegt ihn gesund. Noch vor der Hochzeit der beiden Verlobten ist seine Stunde gekommen, in der er Rechenschaft über sein Leben ablegt und zum Sterben bereit ist.  An der Seite seiner geliebten Cosette und Marius öffnet er sein Geheimnis über seine wahre Identität und kann mit friedlichem Herzen aus dem Leben scheiden.

Alle Schauspieler im Detail aufzuzählen wäre an dieser Stelle zu umfangreich. Wir fassen uns so kurz wie möglich, wenn man auch Romane schreiben könnte. Soviel sei gesagt: Alle haben stimmlich und schauspielerisch überzeugt. Der eine mehr der andere weniger.

Hugh Jackmann überrascht mit einer vollen und klaren Stimme. Aggression und Wärme wechseln sich in seiner Stimmfarbe ab. Den besorgten Ziehvater spielt er bewegend und seine Wandlung wirkt glaubhaft.
Der kritisierte Russel Crowe als Inspektor Javert findet in unseren Augen Sympathie. Man wünscht ihn sich an manchen Stellen härter, konsequenter, kennt man ihn doch aus diversen Actionfilmen, dennoch ist seine Stimme weich und hat Ausdruck, wenn auch an manchen Stellen bemüht. Für uns dennoch eine gute Leistung.
Anne Hathaway bekam für ihre Rolle der Fantine völlig verdient einen Oscar. Schauspielerisch top, gesanglich:  Gänsehaut pur! Man leidet mit ihr, wenn sie sich ihre echten Haare abschneiden lässt und als degradierte Hure in der Gosse gelandet ist.
Eddy Redmayne ist die Überraschung des Filmes. Er überzeugt mit seine Stimme und seinem Schauspiel. Gesanglich ist er Amanda Seyfried, der „Mamma-Mia“-Sopie, (Verfilmung mit Pierce Brosnan und Meryl Streep aus dem Jahr 2008) massiv überlegen und übertönt sie – zum Glück.  Ihr Vibrato, ihr gequältes, hohe, Quieken wirkt sehr gedrückt und nervt nahezu. Am Ende der Töne verschluckt sie einfach ein paar Takte, klingt dünn und unscheinbar aus. Hier schneidet sie ziemlich mager ab, muss man gestehen. Ein klarer, hoher und reiner Sopran benötigt die Rolle der Cosette. Optisch ist sie zwar passend, dennoch kann sie gesanglich nicht wirklich glänzen.
Helena Bonham Carter und Sacha Baron Cohen als Wirtsleute Thénardier sind gesanglich nicht wirklich gefordert. Hier ist es das Schauspiel, das Komödiantische, was zählt und das machen sie fantastisch. Sie lockern die Szenerie auf, wenn die Thematik zu theatralisch wird. Auf und Ab ist also garantiert.
Samantha Barks ist die Eponie vom Londoner Westend. Sie ist auch auf dem25-jährigen Jubiläumskonzert zu hören. Toll, überzeugend, stimmlich sowie schauspielerisch. Sie beherrscht ihre Rolle und so kann man als Zuschauer ganz „entspannt“ mitleiden.
Daniel Huttlestone als Gavroche und Isabelle Allen als kleine Cosette überzeugen ohne Zweifel. Sie spielen und singen ihre Rollen einfach unschlagbar. Jeder Ton sitzt, jede Gestik, ob ernst, komödiantisch oder am Ende, wenn Gavroche auf der Barrikade stirbt. Applaus!

Die Bilder des Films sind groß angelegt, fast episch kommt das Werk rüber. Die Kulissen sind mehr als gelungen und beeindrucken mit jedem Bild. Die Macht von Chören wird auch hier wieder deutlich. Gerade zu Beginn bei „Look down“ oder wenn am Ende das „Do you hear the people sing“ anschwillt, wird bewusst, was für eine Macht Musik und Chorgesang auf die visuelle Wahrnehmung ausübt. Gänsehaut läuft einem nicht nur über den Rücken hinab. Rundum beeindruckend und gelungen kann man den Film bezeichnen.

Leider ist „Les Miserables“ mit Sicherheit kein Film, der die Massen ins Kino locken wird. Bedauerlich! Verdient hätte er es, denn Les Mis ist mit Abstand eine der besten Musicalverfilmungen, die man bisher sehen durfte. 8 Oscarnominierungen gab es für den Film (Bester Film, Bester Hauptdarsteller – Jackman, Beste Nebendarstellerin – Hathaway, Szenenbild, Kostümdesign, Make-up und Frisuren, Filmsong und Ton). Lisa Westcott und Julie Dartnell gewannen den Preis in der Kategorie Bestes Make-up und beste Frisuren, Anne Hathaway in der Kategorie als „Beste Nebendarstellerin“. Mit dem Preis für den besten Ton wurden Lon Bender, Andy Nelson, Mark Paterson und Simon Hayes ebenfalls bei den Oscars ausgezeichnet.  Im Dezember 2012 gab es den National Board of Review Award, ebenso wurde Nebendarstellerin Anne Hathaway mit einer Vielzahl an Preisen ausgezeichnet. Im Januar 2013 wurde Les Misérables mit drei Golden Globe Awards (Bestes Filmmusical, Bester Musical-Hauptdarsteller – Hugh Jackman, Beste Nebendarstellerin – Anne Hathaway) ausgezeichnet.

Für alle Musicalliebhaber ein Tipp: Nicht versäumen, reingehen und genießen! Wir wünschen Les Mis viel Erfolg und auch wenn es nur ein „Fachpublikum“ erreicht, hohe Besucherzahlen!

Mehr Infos zum Film:
http://de.wikipedia.org/wiki/Les_Mis%C3%A9rables_%282012%29

Mehr Infos zum Stück:
http://de.wikipedia.org/wiki/Les_Mis%C3%A9rables_%28Musical%29
Foto: Photo Courtesy of Universal Music

 

 

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