Rocky – das Musical. Die Medienpremiere… „Vom Außenseiter zum Südseiten-Superstar“

Anm. d. Red.: Neufassung des Berichtes sowie ausgiebige Ergänzungen: Marina C. Bunk
Detailhinweise und Co-Autor: Thomas Leupold
Kurzer Abriss des Artikels: Carina Wündsch

Am 17.11.2012 war es endlich soweit: Das Musical „Rocky“ feierte im Operettenhaus in Hamburg seine Medienpremiere.
Schon viele Monate zuvor wurde man mit Werbung von allen Seiten konfrontiert. Die Kampagne scheint sich auszuzahlen. Als Co-Produzenten hat man den aus dem Jahre 1976 Kinofilm bekannten und berühmten Hollywoodschauspieler Sylvester Stallone engagiert, der zugleich das Drehbuch zum Film geschrieben hat. Stallone wurde für seine Rolle des Rocky Balboa mit drei Oscars ausgezeichnet. Der sympathische, inzwischen 66-jährige Schauspieler selbst stand am Ende der Show nebst Darstellern auf der Bühne und erzählte einige spannende Informationen, in denen er über sich selbst und der Rolle des Rocky im Kinofilm sowie einige Punkte während der Produktion zum Musical preisgab. Sicherlich hat er in den 70’er Jahren nicht eine Sekunde daran gedacht, dass sein Rocky mal Star in einem Musical werden würde. Buchautor Thomas Meehan nahm sich der Geschichte nochmal neu an und veränderte einige Abläufe, kürzte oder ergänzte nach Bedarf, um Rocky bühnentauglich zu machen.

Die Box-Brüder Wladimir und Vitali Klitschko stehen als Berater und Trainer der Company, allen voran Hauptdarsteller Drew Sarich mit Rat und „Faust“ zur Seite. Werbewirksam auf das Musical sind die Brüder unumstritten. Man hofft nun, dass die Arbeit von Regisseur Alex Timbers das Publikum mitreißen kann, so wie es der Film damals in den Kinos tat. Die Produktionkosten von rund 11,7 Millionen Euro möchten schließlich gut angelegt sein. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Rechnung aufgegangen ist. Bis Ende des Jahres jedenfalls ist die Show nahezu ausverkauft.

Die Theaterbesucher warteten gespannt und mit großen Erwartungen vor den Türen auf den Einlass. Im Saal fielen alle Blicke auf das Bühnnenbild. Eine große Wand, auf der in riesigen Lettern “Rocky” stand, sowie eine offenstehende Türe war zu sehen. Es dauerte nicht mehr lange bis zum Startschuss.

Das Stück beginnt mit einem Kampf zwischen dem erfolglosen Gelegenheitsboxer Rocky und einem ebenfalls nicht ernstzunehmenden Gegner, gegen den Rocky schließlich gewinnt. Trotzdem wird er verspottet und niemand sieht in ihn einen echten Boxer. Er lebt in armen Verhältnissen, hat lediglich zwei Schildkröten.

Schon jetzt merkt man als Zuschauer, dass hier ein neuer Hollywoodflair nach Hamburg ins Theater eingezogen ist. In Szene durch eine reißende Beleuchtungstechnik gesetzt, verspricht dieser erste Kampf eine großartige Show. Doch zurück zu Rocky. Trotz Sieg kann er sich nicht ernsthaft Anerkennung schaffen. Er zieht sich innerlich zurück. In seinen Schildkröten sieht er die einzigen Wesen, die ihm zuhören und für ihn da sind. Doch da ist noch etwas. Er hat ein Auge auf die junge und schöne, aber sehr schüchterne „graue Maus“ Adrian geworfen, bei der er bislang keine Aufmerksamkeit erhaschen konnte. Regelmäßig besucht er sie in der Zoohandlung, in der sie Verkäuferin ist, und kauft Futter für seine Schildkröten. Doch: „Was lange währt, wird endlich gut“… wie es der „Zufall“ will, endlich bekommt er sein lang ersehntes Date mit der Angebeteten. Adrian ist die Schwester von Paulie, dem Freund Rockys, der dominant und bestimmtend gegenüber seiner Schwester auftritt. Adrians Schüchternheit ändert sich im Laufe der Zeit, als sie merkt, dass Rocky wahre Gefühle für sie hegt.

Inzwischen hat sich der erfolgreiche und anerkannte Boxchampion und Schwergewichtsweltmeister Apollo Creed dazu entschieden, gegen einen sogenannten “Underdog” zu kämpfen, da sich der eigentliche Gegner die Hand beim Trainieren gebrochen hat. Während die Qualität des Boxers im Hintergrund steht, ist es Creed lediglich wichtig, dass sein Gegner einen tollen Namen hat. Apollo wählt Rocky, welcher sich „The Italien Stallion“ nennt. Nach seiner ersten Verunsicherung sagt er am Ende zögerlich zu, da er den Kampf als Chance seines Lebens sieht. Er beginnt wie ein Besessener zu trainieren.

Besonders beeindruckend ist im ersten Akt die Hauptszene im Kühlhaus. Dort treffen Rocky und Paulie erstmals aufeinander. Paulie möchte nicht länger als Schlachter arbeiten, sondern würde lieber als Geldeintreiber arbeiten, so wie Rocky dies hauptberuflich ausübt.

Interessant ist hier die Bühnenausstattung. Dort zu sehen sind 17 Rinderhälften, aus Kunststoff hergestellt, um die Trainingsszene im Schlachthof originalgetreu nach dem Kinofilm zu insenzieren. Ein weiteres Mal sind die Rinderhälften im zweiten Akt zu sehen. In diesem Moment trainiert Rocky gerade an ihnen als ein TV-Team vorbeikommt und ihn direkt vor Ort einfach mal so interviewt.

Zu Beginn des 2. Aktes startet Rocky mit seinem Training und bekommt die unermütliche Hilfe von seinem Trainer Mickey, auf den erst zunächst sauer war, weil dieser seinen Spind an einen jüngeren Nachwuchsboxer vergab. Rocky wird immer stärker und arbeitet sehr hart an sich. Dadurch gewinnt mehr und mehr Selbstvertrauen. Wird sich die Mühe lohnen?

Paulie wurde indessen von seiner Freundin Gloria vergelassen und möchte nun Weihnachten mit Schwester Adrian verbringen. Betrunken stürmt er in die Wohnung von Rocky, um Adrian abzuholen. Doch dieses Mal gelingt es ihm nicht nicht seine Schwester einzuschüchtern. Adrian setzt sich das erste Mal vehement gegen ihren Bruder durch. Dies gelingt Wietske van Tongeren im Song „Vorbei“ überzeugend.

Als wenn der arme Rocky nicht schon genug zu „kämpfen“ hat, muss er sich einem weiteren Druck unterwerfen, den ihm sein neuer Gegner serviert. Apollo nämlich behauptet, dass Rocky schon in der 3. Runde geschlagen sein wird. Doch Rocky widersetzt sich hartnäckig und schafft es sogar in die entscheidende 15. Runde, … Doch wer wird am Ende noch auf den Beinen stehen?

Das Operettenhaus am Ende der Reeperbahn wird mit dem heutigen Tag zum Boxclub. Das verdanken wir nicht allein der Produktion, sondern vor allem den Darstellern. In dieser Show war Drew Sarich als Rocky Balboa zu sehen. Drew ist ein fantastischer Darsteller und Rocky hätte nicht idealer besetzt werden können. Der international anerkannte Künstler kommt in seiner Rolle männlich rüber, hat eine wirklich überzeugende Ausstrahlung und eine unverkennbare Stimme. Mit seinem Witz und Charme verleiht er der Rolle des Rocky das gewisse Etwas und begeistert damit alle Besucher. Schon in anderen Produktionen war Drew ein Ausnahmetalent, doch als Rocky kann er voll und ganz zeigen, was in ihm steckt. Highlight war mit unter sein Song „Fight from the heart“. Ihn für diese Rolle zu engagieren war die richtige Wahl. Seine großartige Leistung bestätigt dies unumstritten. Hut ab!

Als Adrian, die große Liebe von Rocky, stand Wietske van Tongeren auf der Bühne. Sie ist ebenfalls eine gute Wahl. Wietske ist wie Sarich nicht nur in Deutschland eine renommierte Musicaldarstellerin. Die Rolle der Adrian erfüllt sie Kraft und Gefühl in der Stimme und Schauspiel zugleich. Die Wandlung vom schüchternen Mädchen zur starken Frau an Rockys Seite nimmt ihr problemlos ab. Man kann verstehen, warum sich Rocky in sie verliebt, denn sie kommt verdammt hübsch rüber. Ihre Stimme und ihre Mimik passen stets zusammen und ihr Zusammenspiel mit Rocky ist sehr überzeugend. Man nimmt ihnen das verliebte Paar uneingeschränkt ab.

Apollo Creed, der finale Gegner von Rocky, gespielt von Terence Achie, ist ein echter Fighter. Creed verliert nie und genau das zeigt Achie in seinem Schauspiel in Form seines Selbstbewusstseins und seines Auftrittes. Creed ist überzogen von sich selbst überzeugt und hält sich für den Größten. Genau das bringt Terence rüber. Tolle Stimme, toller Körper, toller Kerl. Wunderbar besetzt!

Es wäre an dieser Stelle zu aufwändig, alle Protagonisten und Darsteller der Cast aufzuzählen. Man kann umfassend sagen: unglaublich! Angefangen von der konditionellen Verfassung der Tänzer und des Ensembles sind sie auch ein wahrer Genuß für das Auge.

Die wohl beeindruckendste Szene überhaupt ist die, wenn hier der Bühnen- und Zuschauerraum aktiv ins Geschehen eingebaut wird. Der Finale Kampf findet daher inmitten des Publikums statt. Wie das funktioniert? Die Zuschauer, die Sitze im sogenannten “golden Circle” gekauft haben, wurden gebeten sich auf Plätze zu setzen, die in Form einer Tribühne auf die Hauptbühne gefahren kam. Kaum Platz genommen fährt die Tribüne an den Rand des Boxrings. Von dort aus schauen sie ins Publikum und direkt auf den Boxring. Der Boxring selbst wurde inmitten des Parketts gefahren. Von oben klappen Monitore von der Decke, exakt wie bei einem realen Kampf. Auf der großen Bühne erscheinen große Leinwände zur Übertragung. Gleichwo man sitzt, man hat immer eine perfekte Sicht und erlebt den letzten Kampf hautnah. Arenaoptik pur!

Das Publikum war anfangs ein wenig zaghaft und zurückhaltend. Wahrscheinlich war es wie immer, wenn ein neues Stück die Weltbühne betritt, dass man abwartet und beobachtet, was keinesfalls negativ zu bewerten ist. Vielleicht liegt es daran, dass das Stück in manchen Phasen sehr schauspiellastig ist und die Musik noch nicht ganz so einfach ins Gehör geht. Auch die Übersetzung von Wolfgang Adenberg ist manchmal sehr hochtrabend und weniger real für die Boxszene. Dies aber nur am Rande bemerkt.

Alsbald aber der berühmte Song “Eye of the Tiger” aus den Boxen ertönte, klatschte jeder euphorisch mit. Die Stimmung brodelte schlagartig und hielt bis zum Schlussapplaus an. Selbst zwischen den Szenen feuerten die Zuschauer mit Applaus Rocky an durchzuhalten.

Von der gesamten Aufmachung her kann man sagen, dass die Bühnenausstattung, Kostüme und Requisiten wunderbar aufeinander abgestimmt sind und ein harmonisches und stimmiges Bild abgeben. Hier hat sich Abteilung der Ausstattung wirklich mächtig ins Zeug gelegt. Ton- und lichttechnisch kann man nichts bemängeln. Dass alles perfekt und rund läuft, kann man mit Sicherheit an der Medienpremiere nicht erwarten und dennoch klappte alles soweit wunderbar. Bis sich das Stück eingespielt hat, wird es sicherlich hier und da noch zu kleinen Änderungen oder Neuerungen kommen, was bestimmt dem Gesamteindruck zu Gute kommt.

Man darf dem Stück wünschen, dass es den Sprung zum Broadway schafft, der Stoff und die Musik haben in jedem Fall das Potenzial dazu.

 

Hinweise divers:

Fotonachweis: Stage Entertainment, Roy Beusker

Der Artikel wurde im Nachhinein aus gegebener Notwendigkeit mehrfach überarbeitet sowie ergänzt.

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