„Der Zauberer von Oz“ lockt den gesamten Sonntag Augsburgs Kinder und Erwachsene ins Theater… Eine Show ganz ohne Hokuspokus mit hohem Niveau
Dieses Theater ist unwahrscheinlich faszinierend und einfach wunderschön. Ein Kleinod inmitten von Augsburg. Das Kurhaus in Göggingen. Es ist ein Vorbild dafür, dass auch ein kleines Theater in Zeiten von Megashows und Theatertempeln unheimlich viel Stil, Geschmack und ein ausgezeichnetes Programm präsentieren kann. Das Preis-Leistungsverhältnis ist Vorzeigebeispiel und die Besucherzahlen bestätigen immer wieder aufs Neue, dass das Gesamtkonzept im Kurhaus aufgeht.
Am Sonntag, 1. Februar also, lud der „Zauberer von Oz“ ins Kurhaus ein, zu einem musikalischen Kindermärchen, von und für Kinder. Statt der ursprünglich zwei geplanten Vorstellungen wurde aufgrund der großen Nachfrage eine weitere Vorstellung am späteren Nachmittag hinzugefügt. Das Theater war bis auf den letzten Platz auch in dieser Vorstellung besetzt.
Die Pasinger Fabrikspatzen nennt sich die Truppe der 8-18 jährigen Kids, die an diesem Tag ihre Vorstellungen mit Bravour meistern. Wie der musikalische Leiter, Eduard Steinbügl verriet, entstand das Projekt wie folgt: Begonnen hat alles vor vier Jahren mit einem Kinderchor, der für Schüler/-innen einer Vierten Grundschulklasse gegründet wurde. Hier wurden erste Musicalerfahrungen gesammelt. Nach und nach verließen die Schüler den Chor, neue Kinder kamen hinzu. Die Pasinger Fabrikspatzen setzen sich aus „alten Hasen“ und „neuen Talente“ zusammen und bilden heute den Projektchor „Pasinger Fabrikspatzen“. Sie sind ein Beweis, dass Produktionen mit, von und für Kinder ein ausgesprochen hohes Niveau, schauspielerisch, sowie gesanglich erreichen können.
„Der Zauberer von Oz“ ist die Urgeschichte zu dem heute bekannten Broadway-Musical „Wicked die Hexen von Oz“, wobei fairerweise gesagt werden muss, dass Wicked mit dem Urstück so gut wie gar nichts zu tun hat. Lediglich die Figuren von der kleinen Dorothy und dem Löwen werden in Wicked erwähnt. Prinz Fiyero wird am Ende zur Vogelscheuche. Der Zauberer von Oz tritt ebenso wie Gilda (im Musical Glinda) in dem Stück auf, aber haben darin eine komplett andere Wirkung und Charakterisierung erhalten. Wirklich zu tun hat das Eine mit dem Anderen also nichts zu tun. Jedes Stück steht im Wesentlichen für sich.
Hier ein paar Facts zu dem Stück: Das Kinderbuch von Frank L. Baum wurde erstmals um 1900 unter dem Titel „The wonderful Wizard of Oz“ bekannt. 1939 kam der Durchbruch mit der Verfilmung mit Judy Garland als kleine Dorothy. Der Song „Somewhere over the Rainbow“ dürfte der wohl bekannteste und berühmteste Song des Stückes sein. 2004 wurde „Der Zauberer von Oz“ mit den Muppets verfilmt, dessen bekanntester Puppenspieler im Übrigen ulkiger weise Franz Oz heißt.
Worum geht es also in dem „Zauberer von Oz“? Die kleine Dorothy schlägt sich den Kopf an, ihr wird daraufhin schwindelig und sie beginnt zu schlafen. Sie trifft auf ihrer Reise auf die gute Hexe Gilda, die sie vor der bösen Hexe des Westens warnt. Sie teilt Gilda mit, dass sie nur mit Hilfe des Zauberers von Oz wieder nach Hause findet und dieser lebt in der sogenannten Smaragdstadt. Gilda begegnet auf dem Weg dorthin der „dummen“ Vogelscheuche Stepp Stroh, dem „herzlosen“ Zinnmann Ben Blech und dem „ängstlichen“ Löwen Tim Tapfer. Alle wurden von der bösen Hexe verzaubert und hoffen, dass der Zauberer von Oz ihnen helfen kann. Kurzum, sie schließen sich Dorothy an, um den vermeintlichen Zauberer von Oz treffen. Am Ende müssen alle erkennen, dass der Zauberer kein wirklicher Zauberer ist, sondern nur mit Tricks arbeitet. Er aber kann allen klar machen, dass sie trotz ihrer „Mankos“ etwas besitzen, was auch eine böse Hexe nicht nehmen kann: Den Wert von Freundschaft, Zusammenhalt und das Einstehen für Andere. All diese Eigenschaften haben die vier Freunde auf ihrem Weg zum Zauberer nämlich kennen gelernt.
Vor der Bühne haben die Musiker Platz genommen. Jugendliche im Alter von 12 und 13 Jahren sitzen wie Profis an ihren Instrumenten und lieferten unter der musikalischen Leitung von Herrn Eduard Steinbügl eine bemerkenswerte Leistung. Das „Orchester“ bestand wie folgt aus:
Kontrabass/Chello/E-Bass/Klavier: Maximilian Zimmermann
Schlagzeug/Percussion: Jonathan Maczan
Saxophon: Amelie Laube
Klarinette: Franziska Vierl
E-Gitarre: David Wendekind
Flügel/musikal. Ltg: Eduard Steinbügl
„Somewhere over the rainbow“ … , eine klare und weiche Stimme läutet mit diesem Lied den Sonntagnachmittag ein. Anna-Lu Rausch stimmt auf eine gute Stunde Theaterunterhaltung ein. Schon die ersten Töne deuten an, dass man hier ein vielversprechendes Musikmärchen erwarten darf. Der Vorhang öffnet sich und gibt den Blick frei, worauf die vielen zahlreichen, anwesenden Kinder mit ihren Eltern gewartet hatten. Sofort fällt der Blick auf die große Projektion, auf der das Bild eines kleinen Hundes – TOTO, abgebildet ist. Toto sitzt leibhaftig und lebendig neben der kleinen Dorothy auf dem Sofa. Im Laufe des Stückes fragt man sich schon hin und wieder, was für ein possierliches Tierchen da sitzt, sich geduldig auf dem Arm hin- und hertragen lässt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken oder Anstalten zu machen, zumal Tiere höchst unberechenbar in Liveauftritten sind . Toto, pardon- TASSILO ist ein echtes Schoßhündchen, einfach entzückend. Aber zurück zu den Protagonisten des Nachmittages. Dorothy (Deliah Luger) verkörpert zu Anfang eher etwas verhalten das kleine Mädchen, das auf eine spannende Reise geht. Bei ihr bemerkt man, dass sie eine gute Aufwärmphase benötigt, bevor sie richtig überzeugen kann und die Bühne für sich einnehmen kann. Dennoch ist es erstaunlich, wie souverän sie ihre zahlreichen Texte spricht und dabei die Kombination mit Schauspiel verbindet. Der Polizist, später auch Zauberer von Oz-Darsteller Johannes Plica hat Anfangs noch keinen wichtigen Part in der Geschichte, als Zauberer kann er später überzeugen und auch seine Stimme bildet eine gute Ergänzung zum gesamten Ensemble. Bei ihm ist das Schauspiel schon wesentlich ausgereifter und mutiger. Die Mutter von Dorothy und später die gute Hexe Gilda wird von Simone Delanoff gesungen und gespielt. Sie ist mit ihren acht Jahren die Jüngst e im Chor. Erstaunlich, wie jung und überzeugend sie auf der Bühne wirkt, gerade so, als wenn sie jeden Tag im Rampenlicht stünde. Ihre klare Stimme singt sicher und notenfest und auch ihre Textpassagen kann man mühelos verstehen. Als Freunde von Dorothy spielen Flavia Rausch (Stepp Stroh, die Vogelscheuche), Christopher Steinbügl (Ben Blech, der Blechmann) und Pauline Pfister (als Tim Tapfer, der ängstliche Löwe). Pauline Pfister hat das Herz des Publikums im Sturm erobert. Wie sie die Ängstlichkeit des Charakters spielt hat einfach Charme und Witz. Man leidet förmlich mit dem Löwen, wenn dieser sich mal wieder in einer prekären Situation am liebsten in Luft auflösen möchte oder die Bühne fluchtartig verlassen möchte. Schauspielerisch verdient sie eine Eins mit Stern und auch gesanglich verfügt sie über eine schöne und sichere Stimme. Christopher Steinbügl macht als Blechmann trotz seines steifen Kostüms eine gute Figur. Sein Schauspiel und sein Gesang bilden eine harmonische Einheit. Er ist der Charmeur des Stückes, gerade dann wenn er die Zeilen „Ich will mein Herz zurück“ singt und dabei echte Rosen an die jungen Mädchen im Publikum verteilt, die wider Erwarten nicht in Kichern ausbrechen, sondern gerührt diesen Blechmann mit großen Augen verfolgen. Sein Lied mutet wie eine Arie an, gemischt mit poppigen und schnellen Tempi. Bemerkenswert, wie scheint‘s problemlos er diese doch schwere Partitur meistert. Flavia Rausch als Stepp Stroh, die Vogelscheuche hat den Part des Stimmungsmachers in dem Stück. Lacher erzeugt sie, als sie ihren Wunsch „Ich bin dumm, ich hätte gern etwas mehr Verstand“ vorträgt. Auch sie verfügt schon über ein bemerkenswertes Schauspieltalent und auch gesanglich kann sie sofort mit einer kräftigen und sicheren Stimme überzeugen. Mit ihrer lässigen Art auf der Bühne wirkt sich schon sehr sicher, ihre Bewegungen sitzen und zeigen Potenzial. In den Rollen der vier Hexen sind als Krasshaar Unke Anna-Lu Rausch zu sehen und als Hexe Unhelde singt Emily Pfister. Unhilde wird von Sophia Volk verkörpert und Unmuthe spielt Marie Alrann. Alle Hexen muss großes Lob ausgesprochen werden. Wie sie ihre Songs singen und spielen und sich dazu bewegen, das hat echtes Unterhaltungsniveau. Jede hat ihren überzeugenden Solopart und die Stimmen harmonieren als Quartett einfach gut. Auch optisch passen sie zusammen. Ihre Kostüme und Maske dazu lassen die Hexen als diese auch erscheinen und wenn sie dann noch locker ihre Besen dazu schwingen ergibt das ein tolles Gesamtbild. Trotz alledem muss Anna-Lu Rausch separat erwähnt werden. Sie ist es, die den nicht einfach zu singenden Song „Somewhere over the rainbow“ gleich zu Anfang des Stückes als Opener und am Ende wieder als Closer singt. Als Tochter einer Münchner Opernsängerin hört man hier sofort unglaubliches Potenzial und Talent heraus. Einfach wunderschön, wie sie ihre klare und hohe Stimme einsetzt. Jeder Ton sitzt. Sie ist auch die Anführerin des Hexenquartetts. Ihrem Schauspiel kann man keinen Einwand einfügen. Sie wirkt in dem Quartett nicht aufdringlich oder penetrant. Nein, sie schafft es gekonnt sich dezent unauffällig in den Vordergrund zu spielen/singen. Einfach toll. Ihr Name ist in jedem Fall nicht zuletzt mit dieser Produktion gefallen, das ist sicher. Eine eher unauffällige, jedoch stets präsente Figur ist mit Julia Delanoff, dem Fantasiewesen auf der Bühne vertreten. Sie singt alle Chorpassagen mit und ist fester Bestandteil der Bühnenausstattung. Apropos, nicht üppig aber durchaus sinnvoll eingesetzt sind die wenigen Requisiten, welche die Protagonisten stets in den Vordergrund stellen und nicht ablenken. Die Kostüme sind liebevoll gestaltet und erstellt worden, eine rundum gelungene Sache.
Am Ende ist zu sagen. Mit „Der Zauberer von Oz“ ist es den Pasinger Fabrikspatzen gelungen eine herausragende Inszenierung zu präsentieren, die bemerkenswert für eine Kinderproduktion steht. Das hohe Niveau, das Können und Talent der jungen Darsteller und Sänger verdient höchsten Respekt und größtes Lob.