Wenn Engel reisen lacht der Himmel…. sagt man so schön. An diesem Tag, es war der 7.1.2007 reisten genau 4 Engel an um den Weg nach Nettetal-Lobberich bei Köln zu finden. Der Kulturkreis der Wirtschaft in Nettetal E.V. lud zu seinem 2-jährigem traditionellen Neujahrskonzert in die Werner-Jäger-Halle ein. Das was die Zuhörer dort erwartete sollte sie im wahrsten Sinne des Wortes in „Staunen und oder vielleicht sogar in Schrecken versetzen“.
Das Stelldichein der Musicaldarsteller liest sich traumhaft. So bestanden die Solisten aus Eva Aasgaard (Miss Saigon, Ludwig II, Cats…), Roimata Templeton (Cats, Die Schöne und das Biest, Ludwig 2, 42nd Street…), Stefan Poslovski (Chicago, Tanz der Vampire, Bonifazius…) und last but not least aus Olegg Vynnyk (Titanic, Les Miserables, Elisabeth…) Im Backround begleitet wurden sie teilweise von einem 20-köpfigen Musical-Pop-Chor namens „Musical Alive“ aus Hamburg. Der in Kreisen bereits best-bekannte John Lehman, Pianist und Vocal Couch, gründete und leitet den Chor. Er hatte auch für diese Veranstaltung die musikalische Leitung und das Arrangement übernommen. Wie Lehman nach dem Konzert verriet ist er besonders glücklich und stolz darauf, dass es ihm gelungen ist seine vier ehemaligen und aktuellen „Schützlinge“ auf dieser Bühne zu präsentieren. Lehman selbst spielte an diesem Abend am Klavier und unterstützte so die insgesamt fünfköpfige Band, die weiter aus Keyboards, Bassgitarre, Schlagzeug und den Holzblasinstrumenten Saxophon, Klarinette und Querflöte bestand. Auch die Band ist eine Formation von Lehman und ist zusammen mit dem Chor für dieses Konzert aus Hamburg angereist. (An dieser Stelle ist Herrn Uwe Stübig nochmals recht herzlich zu danken, der die offizielle Erlaubnis für diese Berichterstattung erteilt hat. Er hat die einmalige Gelegenheit geboten, dass ich mich für kurze Interviews mit den Solodarstellern treffen konnte.)
Die Programmführung übernahmen die Solisten selbst abwechselnd mit viel Herz, Charme und Humor gekoppelt mit kleinen Anekdoten aus deren Leben. Dabei bewiesen sie erstaunliche Fähigkeiten in Sachen Moderation, wobei hier Stefan Poslovski besonders hervorzuheben ist. Mag sein, dass es daran liegt, dass er bereits mehrere humorige Rollen spielte. Sein Witz und seine spritzige Art gefielen dem Publikum sichtlich, was mit vielen Lachern und starkem Applaus beantwortet wurde.
Die vier Stars präsentierten in diesem Konzert ein breites Reportoire mit 28 Nummern aus insgesamt 20 Musicals. Unterstrichen haben die Darsteller ihre Songs mit kleinen aber feinen Kostümwechseln. Die gut eingesetzten Mimiken und Gestiken ließen deren schauspielerische Talente stark erahnen sodass man förmlich Lust auf Mehr bekam.
Auftakt des Konzertes war der Song „Nur Liebe bleibt“ aus dem Musical „Rent“, poppig und rasant vorgetragen von Stefan Poslovski und Roimata Templeton. Das Lied bestätigte genau das, was in den Begrüßungsworten des Kassier des Nettetal E.V., Herrn Karl Fleuth, gesagt wurde. Versucht man „Musical“ zu definieren, kommt man zu folgendem Ergebnis: „getragen durch moderne und spannende Musik spiegeln sich Problematiken des Lebens wie Liebe, Lust und Leid in Musicals wieder“. Die „Show“ konnte beginnen und erstes Mitschaukeln im Publikum war schon im ersten Song wahrzunehmen. Es war nicht zu übersehen, dass sich Neugierde und Interesse in den Gesichtern der Gäste widerspiegelte.
Stefan Poslovski glänzte im Laufe des Konzertes in den Duetten „Die Schöne und das Biest“ und „Zuhaus“, beide aus dem gleichnamigen Musical. Darin bewies er eine besonders weiche und gefühlvolle Stimmdarbietung. Besonders in den Höhen kann Stefan P. seine Stimme gut zur Geltung bringen. Stefan P. garantierte auf bemerkenswerte Weise komplette Textverständlichkeit. Schauspielerisch gesehen legte er eine tolle Leistung nach der anderen auf die Bühne. Man nimmt Stefan P. einfach jede Rolle sofort ab ohne nachzudenken. Er schafft es, das Publikum von Auftritt zu Auftritt zu überzeugen, egal ob er gerade den jungen Verliebten mimt oder den lässigen Draufgänger. Er verfehlte in keinem Auftritt seine Wirkung. Besonders gefühlvoll kam die sehnsuchtsvolle Ballade „Tonight“ aus West Side Story an, die Stefan P. als „Tony“ zusammen mit Roimata T. als „Maria“ sang. Beiden ist es gelungen die Spannung bis zum Ende zu halten, und dem Publikum die Vernunft, die zu Tony und Maria spricht, dass diese Verbindung unmöglich ist zu vermitteln. Fans der 3 Musketiere dürfte es gefreut haben, als sie “Alles” aus den „3 Musketieren“ (mit Eva A.) gehört haben, dem Musical, in dem Stefan P. zu Recht derzeit in einer Doppelrolle spielt. Er ist dort als Conferencierce und Butler James zu bewundern. Seine Wandlungsfähigkeit beweist Stefan P. darin, dass er bei poppig-rockigen Songs wie „Sommerliebe“ aus „Grease“ und in „Under Pressure“ aus „We will Rock You“ mit seinem körperlichen Einsatz schon fast an ein Rockkonzert erinnerte. Natürlich kam bei ihm der Humor auch nicht zu kurz. Aus dem Musical „Chicago“, wo er in seiner Paraderolle der „Mary Sunshine“ schon in Städten wie München, Berlin und Basel auf Tour war, sang er das Lied „Etwas gutes ist an jedem dran“ zur großen Begeisterung des Publikums. Hätte man nicht genau gewusst, dass Stefan P. auf der Bühne steht und singt, man wäre einfach davon ausgegangen, dass eine Frau diesen Song performed. Es steht weit außer Frage, Stefan P. hat Ausstrahlung und Begabung das Publikum in Sekunden mitzureißen und aufzuheitern.
Bei soviel geballtem Humor braucht es abwechselnd einen Ruhepol. So erkannte man in Eva Aasgaard den Ausgleich. Besonders stark präsentierte sie sich zusammen mit Roimata T. im Frauenduett „I know him so well“ aus „CHESS“. Es fiel schnell auf, dass Evas Stärke in den Höhen lag. Mit ihrer glockenklaren uns samtweichen Stimme sicherte sie sich schon nach den ersten Takten die volle Aufmerksamkeit und Begeisterung des Publikums. Überzeugend „unschuldig“ sang sie zusammen mit Stefan P. in „Jetzt hast du Seymour“ aus „der kleine Horrorladen“, was zu großem Beifall des Publikums führte. Auch als übergangene Pharaonentochter „Amneris“ in „AIDA“ sang sie gefühlvoll „Not me“ die gekränkte und doch starke Frau, die ihrer Konkurrentin gegenübersteht und der Wahrheit ins Auge sehen muss, dass sie soeben die Liebe ihres Lebens verloren hat. Überzeugend verkörperte sie die „Belle“ aus „Die Schöne und das Biest“ in dem Lied „Zuhaus“ zusammen mit Stefan P. Besonders harmonisch erklang auch das etwas unbekanntere Lied „Wie könnte ich das seh’n“(ebenfalls mit Stefan P.) aus „Der geheime Garten“, einem unbekannterem Musical, das aber, wie Eva A. uns verriet zu ihren absoluten Favouriten gehört. Allein die Stimmen der Beiden ließ das Lied gerade so erscheinen, als sei es längst ein Hit. Ein Beweis dafür, dass Älteres und Unbekannteres ebenso ohrwurmverdächtig sein kann.
Dass Eva A. aber auch richtig in Fahrt kommen kann, das bewies sie als „Sandy“ in „Grease“ im Song „Sommerliebe“ (mit Stefan P.). Der Spaß, im Singen und Tanzen, den beide bei den schnelleren Takten hatten war offensichtlich und das Publikum ging mit den Darstellern auf der Bühne begeistert und klatschend mit. Es ist unglaublich wie wandlungsfähig die Stimmen aller Darsteller insgesamt waren. Eva A. erstaunte ihre Zuhörer schon zu Anfang, als sie als „Christine“ mit Olegg V. als „Phantom“ das Lied „Phantom der Oper“ aus dem gleichnamigen Musical vortrug. Ihre klassische Stimme und ihre bereits beschriebene stimmlich saubere und klare Höhe ließen diesen Klassiker zu einem gigantischen Erlebnis werden. Bei Eva A. darf auf ihren nächsten Auftritt als Cosette in „Les Miserables“ in St. Gallen wirklich sehr gespannt sein. Diese Frau ist einfach PERFEKT!
Es ist noch nicht lange her, dass Olegg Vynnyk den „Tod“ in „Elisabeth“ in Stuttgart verkörpert hat. Aus diesem Grunde war es verständlich, das man Olegg V. des Öfteren mit seinem Tod-Kostüm, einem schwarz-violett-schimmernden Samtmantel sah. Gleich drei Songs aus „Elisabeth“ wurden ins Programm aufgenommen. In „Der letzte Tanz“ (mit Eva A.) spürte man sofort die Spannung, die sich im Publikum breit machte. Kein Wunder, denn Oleggs Stimme und Ausstrahlung füllte den Konzertsaal bis in den letzten Winkel aus. Hatte man bis dato noch das Gefühl ein eher ruhigeres Konzert zu besuchen, so war dieser Eindruck aufgrund der rockigen Musik und des außergewöhnlichen Stimmvolumens von Olegg V. schnell vergessen. Sehr schade nur, dass Oleggs Mikrofon im ersten Teil des Konzertes leichte Tonprobleme hatte, so dass man die ersten Töne die er jeweils ansang nur verschlungen wahrnehmen konnte. Dies fiel vor allem im Duett „Phantom der Oper“ auf, das er, wie bereits geschrieben, mit Eva A. sang. Olegg Vynnyks Operngesangsausbildung war in diesem Duett vollkommen bestätigt und klar heraus zu hören, wie es das Werk selbst auch gesanglich fordert. Einzig was den ein oder anderen wohl irritiert haben könnte: Wer hätte gedacht, dass ein Phantom lässig in Jeanshosen auf die Bühne tritt? Nach den ersten Tönen von Oleggs Stimme war die Aufmerksamkeit sowieso längst davon abgelenkt. Seine umwerfende Bühnenpräsenz ließ es nicht eine Sekunde zu noch einen Blick auf etwas Anderes zu lenken. Der nächste Elisabeth-Song „Wenn ich tanzen will“ (mit Roimata T.) erhielt ebenfalls starken Beifall. Das Publikum ließ sich nicht daran stören, dass Roimata T. in der Mitte des Liedes kurzzeitig den Text vergaß. Mit viel Charme und Souveränität „fing“ Olegg V. die Situation auf, so dass dies nur textsichere Besucher und Fans bemerkt haben dürften. Apropos, die Fangemeinde, die einzigst wegen Olegg V. angereist war, konnte man in diesem Konzert schnell auffinden. So war der Applaus entsprechend stark nach Oleggs Auftritten. Der Kreis um „Elisabeth“ schließt sich mit dem Männer-Duett „Die Schatten werden länger“ (mit Stefan P.). Darin wurde die Spannung zwischen dem „Tod“, der den Kronprinzen „Rudolf“ zu sich holen möchte, gesanglich beeindruckend und schauspielerisch perfekt wiedergegeben. Auch in diesem gleichgeschlechtlichen Duett zeigt sich, wie wichtig es doch ist, dass männliche Stimmen eine ganz besondere Harmonie aufweisen müssen. Olegg V. und Stefan P. ist es in diesem „unter die Haut gehenden“ Duett grandios gelungen diese Harmonie unter Beweis zu stellen. Im Song „Gefährliches Spiel“ aus „Jekyll & Hyde“ (mit Roimata T.) zeigte sich wieder einmal, wie wunderbar die beiden Stimmen harmonierten. Das Highlight des zweiten Konzertteiles aber dürfte wohl unumstritten seine Solo Ballade „Bring ihn heim“ aus „Les Miserables“ gewesen sein. Mit der Rolle des Jean Valjean aus diesem Musical hatte Olegg V. in Berlin 2003/04 seinen entgültigen Durchbruch geschafft. In der Ballade betet Valjean zu Gott inmitten der Kriegswirren der Französischen Revolution, dass sein Schwiegersohn Marius wieder gesund zurückkehrt. Keine Beschreibung würde je das wiedergeben, was in der Stimme und im Ausdruck Olegg Vynnyks in diesem Lied lag. Abgesehen von dem hohen Schwierigkeitsgrad dieses Liedes und dessen massiven Höhen, gelang es Olegg V. schauspielerisch das Publikum kurzerhand zu fesseln. Die Stille nach dem Vortrag des Liedes garantierte, dass dieser Song die Herzen der Zuhörer berührt hat. Der Beifall danach tat sein Übriges. Dass Olegg V. aber nicht nur auf klassische Art performen kann zeigte er zusammen mit Roimata T. in „You’re the one that I want“ aus „Grease“. Mit Schwung in den Hüften und lässiger Coolness jonglierte er mit seinem Mikrofon und zeigte auf diese Weise seinen ganz persönlichen Drive.
Dass Roimata Templeton diesen Drive in jedem Fall besaß, bewies sie nicht nur in ihrem Solo „Buenos Aires“ aus „Evita“, einer Nummer, die Olegg V. passend mit „jetzt kommt was Lustiges, … was Heißes…“ ankündigte. Roimata T. ist mit einem Wirbelwind vergleichbar. Immer in Bewegung, immer in Fahrt. Wie schon zu Anfang mit Stefan Poslovski im Eingangslied aus „Rent“ erwähnt, hat sie eine starke Soulstimme, die sich hervorragend mit den anderen drei Stimmen der Solisten ergänzt. Mit Olegg V. in „Grease“ hatte sie alle Möglichkeiten ihrem Temperament Luft zu lassen und rockte sich problemlos in die Herzen der Zuhörer. Unglaublich mitreißend auch ihre Darbietung im Song „Under Pressure“ aus „We will rock you“ mit Stefan P., das, wie bereits erwähnt Rockkonzertqualität besaß. Ihre ruhige und stimmlich klassische Seite zeigte Roimata T. in Duetten aus „Die Schöne und das Biest“ oder „West Side Story“ beide mit Stefan P. (wie bereits beschrieben). Im Frauenduett aus „Chess“ und in „Nur sein Blick“ aus „Jekyll & Hyde“ zeigt sie die Kraft die in ihrer Stimme liegt. Im Gegensatz zu Eva Aasgaards glockenähnlichen Stimme bildet sie einen tollen Kontrast. Im ebenfalls aus „Jekyll & Hyde“ stammenden Lied „Gefährliches Spiel“, mit Olegg V. vorgetragen, zog sie die Zuschauer mit ihrer stimmgewalt nur so in ihren Bann. Die Rolle der AIDA in „Not me“ nahm man ihr zusammen mit Eva A. und Stefan P. ohne Zweifel ab. Ihre Stimme erinnerte dabei stark an die von Ana Milva Gomez, die derzeit selbst die Aida in der Tourproduktion verkörpert. Besonders kraftvoll und wunderschön gesungen war auch ihr Lied „Der ewige Kreis“ aus „König der Löwen“, der für Roimata T. wie auf den Leib geschrieben schien. Sie erntete für dieses Lied langen Applaus. Es bleibt spannend wann und wo wir Roimata T. demnächst erleben dürfen.
Zuletzt ist auf jeden Fall nochmals der Chor zu erwähnen, der im ersten Teil des Konzertes ein Medley aus „Jekyll & Hyde“ vortrug. Das Arrangement war hervorragend gewählt und der Chor präsentierte sich mit seinen Stimmen und Mitgliedern in wunderschönem Einklang. Was vielleicht mit kleinem Bedauern anzumerken ist, war die Tatsache, dass der Chor zwar nahe am Publikum sang, jedoch aber vor den sechs auf der Bühne aufgebauten Mikrofonen stand. Besucher, die das Lied bzw. Stück nicht kannten, hatten es deshalb schwer die Texte zu verstehen. Man hing konzentriert förmlich an deren Lippen, schade, denn die schauspielerische Einlage des Chores und deren kleine Choreografie hätte mehr Beachtung verdient. Im zweiten Akt präsentierte der Chor „Mozart“ aus dem gleichnamigen Musical. „Mozart“ ist eine stimmgewaltige Choreinlage, die sich nach und nach steigert. Ein perfektes Stück für einen tollen kraftvollen Chor, der das Musical in seiner Bestform präsentiert und Lust auf Mehr macht. Letztlich kann man Lehman nur zu dieser Idee gratulieren, diesen Chor als Backround für seine Stars gewählt zu haben.
Den Schluß des Konzertes bildete ein großes Finale in dem die vier Solisten mit dem Chor nochmals auf die
Bühne traten und das wunderschöne „Einmal“ aus „Der Glöckner von Notre Dame“ vortrugen. Es war ein wehmütiges Gefühl jetzt Abschied nehmen zu müssen und ein rundum gelungenes und einzigartiges Konzert zu beenden. Der nicht enden wollende herzliche und begeisterte Applaus, den alle Beteiligten im Anschluss von den Zuhörern erhielten bestätigte das in voll und ganz. So überraschte es nicht, dass sie sich für drei Zugaben hinreissen ließen. Die Songs „Ich will“ und „MAMMA MIA“ aus dem gleichnamigen Musical, sorgten für die absolute Partystimmung im Konzertsaal. Mit einer Wiederholung es Songs „You’re the one that I want“ aus „Grease“ entließen die vier Musicalstars ihr Publikum mit glücklichen und gutgelaunten Gesichtern.
Erschienen: DaCapo 2007