Life is a…Cabaret!

Das Musical von John Kander spielt im Deutschland der Goldenen 20er Jahre. Der junge Amerikaner Cliff Bradshaw macht auf seiner Selbstfindungsreise am Silvestertag des Jahres 1929 Halt in Berlin. Er möchte herausfinden, ob er ein Schriftsteller ist, und sucht auf seiner Reise Stoff für einen neuen Roman. Er findet eine Unterkunft in der Pension von Fräulein Schneider und verbringt den Silvesterabend im verruchten Kit-Kat-Club. Nachdem er dort das erotische Showgirl Sally Bowles kennengelernt hat, beginnt er mit ihr eine Affäre.

Auch die verwitwete Fräulein Schneider findet in dem ebenfalls verwitweten Obsthändler Herrn Schultz einen neuen Hoffnungsfunken auf Liebesglück. Doch nicht nur diese Liebe wird durch die Weltwirtschaftskrise und den aufkeimenden Nationalsozialismus gefährdet.

v.l.: Susanne Burkhard, Vera Bolten, Sergej Lubic

Sergej Lubic spielt den amerikanischen Schriftsteller Cliff Bradshaw. Sein Auftreten direkt am Anfang im Zug zeigt sein Einfühlungsvermögen in die Rolle. In der Pension angekommen zeigt er im Zusammenspiel mit Susanne Burkhard als Fräulein Schneider und Klaus Zwick als Herr Schneider sein komödiantisches Talent. So versteht der junge Amerikaner aus dem jiddischen massel das englische Wort muscle und auch aus dem englischen Wort jews schließt der jüdische Obsthändler darauf, dass Cliff Bradshaw juice mag. Als dieser ihm bildlich beschreibt wie er juice presst, sind die Verwirrungen perfekt und nicht nur Cliff wundert sich anfangs darüber, dass Herr Schultz jews presst.

Im weiteren Verlauf überzeugen Susanne Burkhard und Klaus Zwick weiterhin in komödiantischen Szenen, z.B. wenn aus einer einfachen Aussage, die den Ruf von Fräulein Schneider retten soll, ein plumper Heiratsantrag wird.

Jürgen Sarkiss führt als Conferencier durch das Stück. Er spielt seine Rolle souverän und überzeugt auch in den Gesangspart – allerdings wird der Sinn und Zweck seiner Rolle nicht ganz klar.

In einer der ersten Szenen lernt Cliff den Deutschen Ernst Ludwig kennen, der ihm scheinbar helfen möchte. Die wahre Absicht von Ludwig wird erst später im Stück augenscheinlich, wenn er mit einer nationalsozialistischen Armbinde auf der Verlobungsfeier von Fräulein Schneider und Herrn Schultz auftaucht. An dieser Stelle vollzieht sich ein Bruch im Stück und alles was gut zu laufen schien, entwickelt sich zum Negativen. Peter Waros spielt den doch nicht so guten Ernst Ludwig besonders in den Szenen des Wechsels sehr überzeugend.

Neben dem Schauplatz der deutsch-jüdischen Liebe in der Pension Schneider nimmt der Kit-Kat-Club einen wesentlichen Bestandteil ein. Die Kit-Kat-Girls werden von Julia Breier, Ann-Marie Lone Gindner und Maria-Lena Hecking dargestellt. Singend und tanzend untermalen sie Szenen oder treten gemeinsam mit Sally Bowles auf. Sie stellen herrlich überdreht und teilweise überzogen den glitzernden Gegenpol zur tristen Pension dar.

Die Kit-Kat-Girls werden von dem Kit-Kat-Boy ergänzt, der von Pascal Nöldner dargestellt wird. Pascals Darstellung imponiert besonders dadurch, dass er ein freier Schauspieler ist, der seitdem er 13 Jahre alt ist in zahlreichen freien Theater- und Musicalproduktionen mitgewirkt hat und nun Design studiert. Auch wenn die Szene, in der er einen Affen im pinken Ballettkostüm spielt, eher verstörend und teilweise sogar deplatziert und provokant wirkt, überzeugt seine reine Spielkunst. Dies war unter anderem durch die plötzliche beinahe gespenstische Stille im Publikum erkennbar.

Vera Bolten

Die quirlige und erotische Sally Bowles wird von Vera Bolten gespielt, die in letzter Zeit besonders durch ihr Mitwirken in „Tick, tick…BOOM!“ und „Die Tagebücher von Adam und Eva“ die Musicalfans begeisterte. Auch als Sally Bowles liefert sie eine herausragende Leistung ab und bildet das Juwel dieser Inszenierung. Überragend stellt sie die verschiedenen Facetten von Sally dar und glänzt besonders in ihren Solostücken sowohl mit ihrer bekannten einzigarten Stimmfarbe, als auch mit einer eher unbekannteren, weicheren und gefühlvolleren Stimmfarbe.

Die Bühnengestaltung von Manuela Freigang ist größtenteils sehr einfallsreich und gelungen. Lediglich wenn alle Lichtschriftzüge auf die Bühne runtergelassen werden und eingeschaltet sind, wirkt das Bühnenbild zu grell und dominiert gerade für das Publikum im Rang zu stark die Geschehen. Die von Esther Bialas ausgesuchten Kostüme variieren von freizügig gewagt über spießig bis hin zu hochgeknöpft fügen sich gut in das Gesamtkonzept ein.

Vera Bolten macht dieses Stück auf ihre ganz eigene Art und Weise einzigartig und sehenswert, auch wenn es mit seinem schwereren Inhalt deutlich abseits der gewohnten Stücke spielt. Man darf sich vorab nicht auf ein Stück mit zahlreichen Tanznummern und leichter Kost freuen, denn dann geht man geschockt und vor allem irritiert aus dem Theater. Weiß man allerdings vorher, dass dieses Stück den politischen Stoff der damaligen Zeit aufgreift und kein Gute-Laune-Musical ist, so erlebt man einen schönen, unterhaltsamen Abend im Theater Oberhausen.

Regie: Roland Spohr
Musikalische Leitung: Otto Beatus
Bühne: Manuela Freigang
Kostüme: Esther Bialas
Choreografie:
Andrea Heil
Dramaturgie: Rüdiger Bering

Die Besetzung:
Sally Bowles: Vera Bolten
Fräulein Schneider: Susanne Burkhard
Fräulein Kost: Anja Schweitzer
Max/Matrose Fritz: Marek Jera
Cliff Bradshaw: Sergej Lubic
Kit Kat Boy/Matrose Horst: Pascal Nöldner
Conferencier: Jürgen Sarkiss
Ernst Ludwig: Peter Waros
Zollbeamter/Matrose Rudi: Eike Weinreich
Herr Schultz: Klaus Zwick
Kit Kat Girls: Julia Breier, Ann-Marie Lone Gindner, Maria-Lena Hecking

Weitere Termine:
Donnerstag, 08.11.2012, 19:30 Uhr
Freitag, 16.11.2012, 19:30 Uhr
Samstag, 17.11.2012, 19:30 Uhr
Mittwoch, 28.11.2012, 19:30 Uhr
Freitag, 21.12.2012, 19:30 Uhr
Sonntag, 06.01.2013, 18:00 Uhr
Mittwoch, 23.01.2013, 19.30 Uhr

Fotos: Klaus Fröhlich

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