„Frühlings Erwachen“ am Stadtthteater Bielefeld – u. a. mit Benedikt Ivo und Jugendlichen, die als Laien auf der Bühen stehen dürfen

© Bettina Stöß

Das Stück von Duncan Sheik (Musik) und Steven Sater (Buch und Songtexte) feierte in Form eines Musicals 2006 am Broadway Premiere und wird nun bis zum 06. Juli im Stadttheater Bielefeld in der Inszenierung von Christian Müller und unter der musikalischen Leitung von William W. Murta gezeigt. Eine Besonderheit in Bielefeld ist, dass es eine Produktion ist, in der Jugendliche, keine gelernten Künstler, aus Bielefeld und der Umgebung zusammen mit professionellen Musicaldarstellern auf einer Bühne stehen. Schon im Jahre 1891 erschien Frank Wedekinds Pubertätsschocker „Frühlings Erwachen“, der sich mit Themen beschäftigt, die zu der derzeitigen Zeit nicht angesprochen wurden, die aber einem auf dem Weg ins Erwachsenenalter begegnen. Pubertät, Auseinandersetzungen mit sich selber, aber auch mit den Erwachsenen, Probleme mit der Identität und vieles mehr spielt hier eine Rolle. Es sind Jugendliche wie der gute Gymnasiast Melchior (Benedikt Ivo), sexuell aufgeklärt und liberal von seiner Mutter erzogen, dem schlechten Mitschüler Moritz (Marvin Kobus Schütt), dessen einziger Freund Melchior ist, Wendla (Michaela Duhme), die neugierig ist, aber nie eine sexuelle Aufklärung mit ihren 14 Jahren erhielt, um die es in der Geschichte um das Leben geht.

© Bettina Stöß

Dann gibt es noch zwei Erwachsene. Martin Christoph Rönnebeck, der in sechs Rollen auf der Bühne steht (als Pastor, Lehrer, Doktor usw.) und einen weibliche Part, der fünf Rollen hat, dargestellt von Melanie Kreuter (z. B. als Mutter, Lehrerin, Klavierlehrerin). Der Inhalt ist für Zuschauer ab 13 Jahren (lt. Theater) geeignet, werden doch teilweise heftiger Szenen gezeigt, wie zum Beispiel, als Wendla sich von Melchior heftig schlagen lässt, nur um diese Erfahrung, die sie nur von einer Freundin (Martha, Simone Rau) aus Erzählungen kannte, selber machen zu können, da sie selber nichts fühlt. Allgemein ist der Inhalt nichts für schwache Nerven, geballt wird dem Zuschauer gezeigt, was passieren konnte, wenn man, besonders am Anfang des 19. Jahrhunderts, keinen Wert auf Aufklärung legte. In der heutigen Zeit werden die Kinder und Jugendlichen durch Eltern und/oder Medien normalerweise schon frühzeitig aufgeklärt. Dennoch bleiben da Probleme, wie sie es auch früher schon gab: Unbeabsichtigte Schwangerschaft (früher allerdings wegen mangelnder Aufklärung), Suizidgedanken, Leistungsdruck. Letzteres wird Moritz zum Verhängnis. Marvin Kobus Schütt ist ein Glücksgriff in dieser Rolle; großartig gesungen und ausdrucksstark gespielt weckt er Emotionen bei den Zuschauern, man fühlt regelrecht mit ihm mit.

© Bettina Stöß

Auch der am Bielefelder Theater schon bekannte Benedikt Ivo ist eine gute Besetzung. Zusammen mit Michaela Duhme glaubt mit den beiden Darstellern, die die in der Pubertät befindenden Jugendlichen spielen müssen, sowohl ihre Unwissenheit (Wendler), als auch das junge Alter und merkt man den Drang, von Melchior, der an nichts glaubt, sich dem Erwachsenwerden zu stellen und andere (Moritz) dabei zu helfen, sei es bei der Aufklärung oder auch, wenn er sich in der Klasse auf seine Seite schlägt. Die Jugendlichen ohne professionelle Ausbildung auf der Bühne, die durch eine Ausschreibung des Theaters dazu gekommen sind, zeigen ebenfalls Talent in diesem Metier. Besonders Elian Latussek als Hänschen/Albrecht sticht mit eingängiger Gesangsstimme und sehr gutem Schauspiel heraus.

© Bettina Stöß

Das Set ist nicht so düster, wie man es eventuell von anderen Inszenierungen dieses Stücks kennt. Eine schräge Fläche, die sich drehen lässt, ist Hauptbestandteil. Diese ist mal Wald, mal Friedhof; gedreht wird die Schräge zum Jugendzimmer oder Sarg. Für verschiedene Stimmungen sorgen Projektoren, die die drei großen Laken um die Fläche herum zum Beispiel in grünes Licht mit Blättern tauchen. Meistens allerdings ist schlichter Stuck zu sehen. Die Kostüme sind wildzusammen gewürfelt, es passt kaum etwas zusammen; so zeigen sie eventuell, wie unterschiedlich auch die Charaktere der Jugendlichen sind und dass auf dem Weg zum Erwachsenwerden noch nicht alles zusammen passt und noch viel ausprobiert wird. Lediglich die Erwachsenen sind in schwarz gekleidet, mit Plateauschuhen und verschiedenen Clownsmasken, die Haare und die obere Gesichtshälfte darstellen. Eine Aufklärung, warum man hier auf diese doch böse wirkenden Masken zurückgegriffen hat, wäre schön gewesen.

Wer Frühlings Erwachen mit der rockigen Musik kennt, sollte das Stadttheater aufsuchen und sich diese Inszenierung anschauen; aber auch für die, die es noch nicht kennen, ist dieser knapp 2 Stunden und 20 minütige Abend (inklusive Pause) sicherlich sehenswert. Solange man nicht mit einem gute Laune Stück rechnet. Schön Lieder, gute Darsteller und eine Handlung, die sich besonders im zweiten Akt entlädt, machen den Besuch geglückt.

Weitere Infos zu Terminen und Karten gibt es HIER.


 

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