„Evita“ am Opernhaus Bonn mit einem herausragenden David Jakobs in der Rolle des „Che“

Copyright: Thilo BeuSeit dem 04. September wird das Musical „Evita“, aus der Feder von Andrew Lloyd Webber, am Opernhaus Bonn in einer Inszenierung von Gil Mehmert gespielt. Die Geschichte, in der der Guerillaanführer Che als Erzähler fungiert, handelt von Eva Duarte, später Perón, Frau des argentinischen Präsidenten Juan Peron und „First Lady“ des Landes. In einfachen Verhältnissen aufgewachsen, träumt Eva als junges Mädchen davon, nach Buenos Aires zu gehen. Diese Möglichkeit eröffnet sich ihr, als sie mit 15 Jahren den Tangosänger Magaldi kennenlernt. Diesen und ihre Liebelei mit ihm, (be)nutzt sie, um in die Großstadt zu gelangen und verfolgt dort beharrlich ihr Ziel, Schauspielerin zu werden. Für ihr Ziel, Ansehen und Ruhm zu erlangen, lässt sie Magaldi hinter sich und nutzt immer wieder diverse Männerbekanntschaften für ihr Weiterkommen, schläft sich sozusagen hoch, spielt am Theater und kommt später durch einen Mann zum Rundfunk. Auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung, die sie wohl selber mit ihrem Partner initiierte, lernt sie den General Perón kennen, der erst das unbedeutende Staatssekretariat für Arbeit und Wohlfahrt übertragen bekam, dann aber seinen Einfluss ausbaute und zum General und Minister einer Militärregierung aufsteigt. Sie wird seine Geliebte, sticht seine damalige Partnerin aus und wird kurze Zeit später seine Ehefrau. Copyright: Thilo BeuEva, mittlerweile Evita genannt, begeistert das einfache Volk, die Bauern und Arbeiter, wird von vielen wie eine Heilige verehrt. Das Militär und die reicheren Leute hingegen sind von ihr nicht sonderlich begeistert. Perón drückt sich vor seiner Europareise, da er dort nicht beliebt ist, und Eva übernimmt für ihn zur Kontaktpflege diese „Regenbogentour“, die Argentinien mir den europäischen Ländern verbinden soll. Da sie aber in Europa größtenteils nicht als Staatsoberhaupt gesehen wird, empfangen sie einige Ländern, wie zum Beispiel England, lediglich so, als sei sie auf Privatbesuch dort, was Eva nicht richtig akzeptieren kann. Wieder in Argentinien gründet sie eine Soziale-Hilfe-Stiftung. Die Spenden fließen, mehr oder weniger freiwillig.  Ein Teil davon geht für den eigentlichen Zweck drauf, aber ein anderer Teil wandert in die eigene Tasche von Eva (schließlich muss ja ihr Lebensstil finanziert werden, da Peróns offizielles Einkommen verhältnismäßig gering war). Evitas Kräfte schwinden, sowohl in politischer Hinsicht, als auch körperlich. Che hingegen, der von Evita für naiv gehalten wird, ist am Anfang seiner politischen Karriere. Evita hält die Zügel des Staats in der Hand, gibt den Ton an, möchte aber, da sie merkt, dass ihre Kräfte nachlassen, die Zusicherung von Perón haben. Sowohl sie selber, auch Ihre Anhänger sähen sie gerne Vize-Präsidentin, das Militär aber ist dagegen und auch Perón sieht seine eigene Macht, auch auf Grund der stärker werdenden oppositionellen Kräfte, schwinden, sollte er sich zu sehr für Evitas politische Karriere einsetzen. Evita erkrankt an unheilbarem Gebärmutterkrebs und entsagt in einer Rundfunkansprache allen den ihr übertragenen Ämtern.  Am 26. Juli 1952 erliegt sie in Buenos Aires ihrer Krankheit.

Copyright: Thilo BeuEvita singt, tanzt und durchlebt die Stationen ihres Lebens an der Oldenburger Oper in einem Bühnenbild von Beatrice von Bomhard, welches aus einer Pyramide besteht, die zum Beispiel die Sitzreihen eines Kinosaals darstellen soll, in dem die Bürger erfahren, dass ihre geliebte Evita verstorben ist. An anderen Stellen steht dort ein Bett oder es wird ein Bühnenteil montiert, welches einfach als Tür genutzt, aus der die verschiedenen Geliebten Evitas ein- und ausgehen. Durch die Stufen der Pyramide ist nebenbei ebefalls sichergestellt, dass auch die Zuschauer in der letzten Reihe noch sehr gut das Geschehen auf der Bühne verfolgen können. Eindrucksvoll ist am Ende des ersten Aktes das Lied „Wach auf Argentinien“, bei der Evita auf ihrem Bett steht, eine riesige Argentinienfahne schwängt und von dem Chor unterstützt wird, von dem einige Fackeln tragen. Schön ist hier, wie auch schon bei den Kerzen, die in einer Szene verwendet werden, dass es sich um echtes Feuer handelt und nicht um LED-Lichter. Ein großer Pluspunkt ist der Chor – nicht nur einmal stehen mindestens 40 Akteure auf der Bühne und auch um die zwanzig Kinder sind beteiligt, die ihre große Szene bei „Santa Evita“ haben.

Copyright: Thilo BeuBettina Mönch gibt der Figur der Evita, wie sie es auch schon in 2014/2015 in Graz getan hat, Leben. Sehr gut spielt sie die junge Eva, zu dem Zeitpunkt noch mit kürzeren braunen Haaren, die in die Großstadt möchte und wandelt sich dann über die starke, teilweise über Leichen gehende, aber verehrte Evita mit langem, blonden Haar und in glänzender Robe mit Interesse an teurem Schmuck (Ausstattung ebenfalls Beatrice von Bomhard mit Kostümassistenz von Marina Rosenstein) bis hin zur sich selbst reflektierenden („Wehklage“, hier sieht sie ein, dass sie länger hätte leben können, wenn sie sich ihre Kraft nur besser eingeteilt hätte), zerbrechlich wirkenden, kranken Frau. Ein Höhepunkt für das Publikum war sicherlich das sehr bekannte Lied „Wein‘ nicht um mich, Argentinien“ – man sieht Evita eine Zeit lang von hinten auf einem Balkon stehen, wie sie zu ihrem Volk spricht, in der mal wieder der große Chor zum Einsatz kommt, bis die Pyramide sich dreht und man sie von vorne sehen kann. Leider wird in dem Stück das Orchester an manchen, vereinzelten Stellen, sehr laut, so dass man den Eindruck bekommt, dass Mönch dagegen ansingen müsse, so dass leider die höheren Töne von ihr (und auch anderen Künstlern) nur sehr schlecht zu verstehen sind. Dem allgemeinen Eindruck tut dies aber keinen Abbruch, da das Orchester, welches aus acht Musikern und einem Dirigenten besteht, den ganzen Abend hindruch wirklich sehr gute Arbeit unter der Leitung von Jürgen Grimm leistet.

Copyright: Thilo BeuMagaldi, der Tangosänger, wird von Johannes Mertes verkörpert. Wundervoll gesungen, das in Englisch gehaltene „On this night of a thousand stars“, bei dem Eva auf ihn aufmerksam wird. Er rät ihr „Eva, geh nicht in die Großstadt“, aber sie lässt sich nicht davon abhalten. Dies passiert alles in einer toll umgesetzten Atmosphäre, die u.a. mit Lichterketten und Leuchtschrift das passende Feeling aufkommen lässt.

 

Copyright: Thilo BeuPerón wird von Mark Weigel gespielt, der aus armen Verhältnissen kommt, aber als Mann seine Chance wahrnahm, im Militär aufsteigt und somit eine politische Karriere vor sich hat. Eine sehr gute und amüsante Idee hatte man hier an der Oper Bonn: Der Aufstieg und das Ausstechen der Rivalen wird durch „Die Reise nach Jerusalem“ dargestellt. So werden es immer weniger Stühle und Peron zieht seinem letzten Konkurrenten den Stuhl im letzten Moment noch weg. Eine weitere interessante Darstellung für die Stärke Evitas, die die Zügel für ihn in den Händen hält, ist von ihm das Überziehen der Ballrobe seiner Gattin. Absolut einwandfrei sind Weigels Schauspiel und Gesang, eine schöne Rolle, die ihm auf den Leib geschneidert zu sein scheint.

Copyright: Thilo BeuSo gut alle Charaktere besetzt waren, so ist der Star des Abends doch David Jakobs in der Rolle des Che. Als Erzähler, der nur einmal bei dem „Walzer für Evita und Che“ direkt mit ihr in Kontakt kommt, reagiert er am Anfang des Stückes, als im Kino die Vorstellung unterbrochen wird, um zu verkünden, dass Evita verstorben ist, anders als alle anderen. Er wirft einen Rückblick auf ihr Leben und hat eine hohe Bühnenpräsenz. Im Gegensatz zu den anderen trägt er immer seine graue Hose mit Hosenträgern und ein Hemd. Mit seiner Art und seinem leichten Bart, wirkt er cool und etwas herablassend in Bezug auf Evita, die er für korrupt hält. Höhepunkte sind sicherlich Lieder wie „Jung, schön und geliebt“ und die „Regenbogen-Tour“ (sehr einfallsreiche Nebel- und Lichteffekte von Thomas Roscher). Das Publikum dankte ihm für seine absolut herausragenden Interpretation mit viel Applaus und Jubel.

Besonders in Erinnerung bleibt dem Zuschauer sicherlich auch die Szene, in der Evita um Perón wirbt „Ich wäre wirklich gut für Dich“, bei dem die Darsteller die Szene und Gefühle dem Publikum sehr gut nahebringen und das Tangopaar im Hintergrund sein Übriges dazu tut, indem es einen Tango, der zu jener Zeit mit dem Rotlichtmilieu in Verbindung gebracht wurde, tanzt. (Choreographie: Kati Farkas)

Copyright: Thilo BeuMit Evita gelang der Oper Bonn ein wirklich wunderschönes Stück mit hervorragenden Künstlern. Wer sich das Musical (2,5 Stunden inkl. Pause) anschauen möchte, was wärmstens zu empfehlen ist, hat bis zum 17. Juli 2017 noch die Gelegenheit dazu. Einen Trailer, Infos und Ticket gibt es HIER.

 

 

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