Wie wandelbar doch eine Bühne sein kann, wie beeindruckend Theatereffekte sein können und wie fesselnd Musical ist zeigt uns Stage Enterainment mit der Stuttgarter Produktion des Musicals “Rocky”. Wir waren am 22. November für euch vor Ort.
Zuvor noch im Stage Operettenhaus in Hamburg gespielt, zog die erfolgreiche Produktion über den wohl bekanntesten Boxer der Filmgeschichte nach Stuttgart, um dort “Chicago” im Stage Palladium Theater abzulösen. Wo “Chicago” noch ohne großes Bühnenbild, dafür aber mit großem Orchester und perfekt inszenierten Tänzen daherkam, besticht Rocky vor allem mit dem Gegenteil: Eine laute Band, ein gigantisches Bühnenbild und Theatereffekte im Überfluss. Beide Musicals hatten jedoch starke Darsteller, packende Lieder und herausragende Sänger gemeinsam.
Die Handlung von Rocky dürfte bekannt sein. Ein wenig erfolgreicher Gelegenheitsboxer bekommt die Chance seines Lebens und darf aufgrund einer Verkettung von Zufällen gegen den amtierenden Weltmeister Apollo Creed antreten. Nebenbei buhlt er um die Liebe der schüchternen Adrian, prügelt zum Training wehrlose Rinderhälften weil diese nicht zurückschlagen und treibt nebenbei für einen Gangster Schulden ein. All das, was die Zuschauer am Film liebten, bekommen sie mit einem starken Ensemble als Live-Ereignis geboten.
Allen voran Publikumsliebling Lucy Scherer die Stuttgart zuletzt als “Ich” im Musical Rebecca im Gedächtnis blieb. Ihre Darstellung der Adrian könnte besser kaum sein, jede Gesichtsregung sitzt, jede noch so kleine Geste wirkt natürlich und passt zu ihrer zierlichen Erscheinung. Anzumerken sei dabei die Szenen im Zoogeschäft, wo sie von Ecke zu Ecke huscht, um Rocky’s Annäherungen aus dem Weg zu gehen – herrlich anzusehen! Rocky wurde an diesem Tag von Antonio Orler gespielt, der anfangs gesanglich ein wenig schwachbrüstig daherkam, jedoch vom Schauspiel beeindruckend war und mit dem man beim finalen Kampf regelrecht gelitten hat. Apollo Creed wurde, wie zuvor in Hamburg, von Gino Emnes gespielt, der wie kein anderer mit dem Publikum agierte. Als er zum finalen Kampf seinen Weg zum Ring als “unbesiegter Mann” in einem an Uncle Sam angelehntes Kostüm antrat, ließ er es sich nicht nehmen, hier und da mit dem weiblichen Publikum am Mittelgang des Parketts zu flirten. Rocky’s Trainer Mickey wurde von Norbert Lamla dargestellt, der zuvor als Kapitän Smollett in “Die Schatzinsel” das Publikum begeistert. Eine ähnlich väterliche Rolle spielt er auch hier überzeugend. Ergänzt wird das Ensemble von Rosalie de Jong als Gloria und Alex Brugnara als Adrians Bruder Paulie. Bemerkenswert ist hier noch das Zusammenspiel von Lucy Scherer und Alex Brugnara in der Weihnachtsszene und dem Lied “Vorbei”, was sicherlich ein wahrer Gänsehautmoment war.
Es spielte an diesem Tag das Orchester des Stage Palladium Theaters unter Dirigent Boris Ritter.
Das Bühnenbild ist unbeschreiblich vielseitig und von perfekt abgestimmten, fließenden Übergängen geprägt. Eben noch eine heruntergekommene Boxer-Bude, dann schon ein Zoogeschäft, danach schon Rocky’s Wohnung und einige Sekunden später die berühmte Treppe in Philadelphia, die Rocky zum Training und zu den Klängen von “Eye of the tiger” erklimmt. Star des Bühnenbilds ist zweifellos der Boxring der zum Finale auf die ersten sechs Reihen geschoben wird. Die Zuschauer, die dort im sogenannten „Golden Circle“ sitzen müssen hierfür neue Plätze auf der Bühne einnehmen, was aber dank geduldiger Einweisung vor der Vorstellung und während der Pause reibungslos klappt. Außerdem kommt es gelegentlich vor, dass Kamerateams Teil der Show sind und man unerwartet sein Gesicht auf zwei großen Bildschirmen auf der Bühne wiederfindet. So zum Beispiel zum Finale vom ersten Akt “Dieser Mann”, als das Parkett Teil einer Pressekonferenz wird und Reporter in den Mittelgängen Rocky und Apollo ihre Fragen stellen.
Neuerungen gibt es gewiss viele in der überarbeiteten Fassung für Stuttgart. So soll zum Beispiel die Einführungsszene grundlegend verändert worden sein. Lieder wie “Die Nase hält noch” wurden durch “Ich falle noch nicht” ersetzt. Das bisherige Lied “Patriotisch” wurde durch “Living in america” aus dem Filmsoundtrack ersetzt und von Apollo-Darsteller Gino Emnes interpretiert.
Alles in allem holt Stage Entertainment mit Rocky ein gewaltiges Stück nach Stuttgart. Wer sich das nicht entgehen lassen will, sollte den Weg nach Stuttgart auf jeden Fall auf sich nehmen.